Leopold Kunschak: Unterschied zwischen den Versionen

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Kunschak Leopold, * 11. November 1871 Wien 3, Gerlgasse, † 13. März 1953 Wien (Zentralfriedhof, Ehrengrab, Grab 14C, Nummer 21 [Grabdenkmal von [[Hans Knesl]], 1954]), Sattler, christlichsozialer Politiker, erster Präsident des Nationalrats, Vizebürgermeister.  
 
Kunschak Leopold, * 11. November 1871 Wien 3, Gerlgasse, † 13. März 1953 Wien (Zentralfriedhof, Ehrengrab, Grab 14C, Nummer 21 [Grabdenkmal von [[Hans Knesl]], 1954]), Sattler, christlichsozialer Politiker, erster Präsident des Nationalrats, Vizebürgermeister.  
  
Wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, arbeitete in einer Setzerei, wechselte aber aus gesundheitlichen Gründen zum Sattlerhandwerk, in dem er die Gesellenprüfung ablegte. Während des Streiks der Tramwayarbeiter kam er erstmal in Berührung mit sozialen Problemen und entschloß sich, eine christliche Arbeiterbewegung zu gründen für die Werktätigen, die sich aus weltanschaulichen Gründen nicht der sozialdemokratischen Bewegung anschließen wollten. Er wandte sich zunächst erfolglos an den Redakteur des "Deutschen Volksblatts", Vergani, dann (gestützt auf die 1891 veröffentlichte Enzyklika Leos XIII.) an [[Albert Gessmann]]. Am 21. September 1892 wurde im Extrazimmer des Gasthauses Kaiser in der Thaliastraße der Organisatorische Grundstein zu den christlichen Arbeitervereinen gelegt, bald darauf gründete Kunschak eine eigene Zeitung ("Die Freiheit") und konnte am 5. Jänner 1896 den 1. Parteitag der christlichsozialen Arbeiter einberufen. Längst hatten Lueger und Gessmann (ursprünglich Gegner jeder Zersplitterung der Christlichsozialen Partei) die Bedeutung der Organisation Kunschaks erkannt. Die Wahlen von 1897 bestätigten die Richtigkeit des Wegs, den Kunschak eingeschlagen hatte. Ab 1904 war Kunschak im Gemeinderat, ab 1907 Reichsratsabgeordneter und in dieser Eigenschaft 1910 "Landesausschuß". Als nach dem Tod Luegers einige seiner Anhänger (Vergani, Pattai) die Christlichsoziale Partei mit nationalistische Tendenzen infiltrieren wollten, wandte sich Kunschak energisch gegen diese Absicht und vermochte am 24. Juli 1911 in einer Versammlung im Hof des Neuen Rathauses einen eindeutigen ideologischen Sieg zu erringen. Als Abgeordneter setzte er sich besonders für die Abschaffung der Sonntags- und Nachtarbeit ein, beschäftigte sich in der Folge aber praktisch mit allen relevanten Fragen der Armenfürsorge, Kranken- und Altersversorgung, Arbeitslöhne und Steuergesetzgebung sowie mit aktuellen Wirtschafts- und Zollproblemen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er als Stadtrat ohne Ressort (1923-1934; Mitglied des Gemeinderats war Kunschak ohne Unterbrechung ab 1904) zum Wortführer der christlichsozialen Opposition. Ab 1927 mahnte er die Rechten und die Linken vor den Gefahren, die sich aus der Aufstellung von Wehrverbänden ergaben, und wandte sich mit gleicher Entschiedenheit gegen die Beschlüsse von Linz und Korneuburg. In letzter Minute versuchte er noch am 9. Februar 1934 in einer bemerkenswerten Rede vor dem Gemeinderat (erfolglos), die einem unheilvollen Höhepunkt zustrebende Entwicklung zu bremsen. 1934-1938 war Kunschak Mitglied des Staatsrats (Innenpolitischerv Ausschuß). 1938 und 1944 wurde er verhaftet; er hielt trotz polizeilicher Überwachung Kontakt zu [[Lois Weinberger]]. Nach dem Zweiten Weltkrieg unterzeichnete Kunschak gemeinsam mit Dr. [[Karl Renner]] am 27. April 1945 die historische Proklamation, mit der das demokratische Österreich wiederhergestellt wurde, am 25. November 1945 wurde er in den Nationalrat gewählt, dessen Erster Präsident er bis zu seinem Tod war. Kunschak war 1945 Mitbegründer der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und des Österreichischen Arbeiter- und Angestelltenbunds (ÖAAB), 1945 vorübergehend auch Geschäftsführender Präsident des Wiener Stadtschulrats und von 17. April 1945 bis 14. Februar 1946 Vizebürgermeister (sein Nachfolger wurde Lois Weinberger). 33 Jahre lang redigierte er selbst die Zeitschrift "Freiheit".  
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Wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, arbeitete in einer Setzerei, wechselte aber aus gesundheitlichen Gründen zum Sattlerhandwerk, in dem er die Gesellenprüfung ablegte. Während des Streiks der Tramwayarbeiter kam er erstmal in Berührung mit sozialen Problemen und entschloß sich, eine christliche Arbeiterbewegung zu gründen für die Werktätigen, die sich aus weltanschaulichen Gründen nicht der sozialdemokratischen Bewegung anschließen wollten. Er wandte sich zunächst erfolglos an den Redakteur des "Deutschen Volksblatts", Vergani, dann (gestützt auf die 1891 veröffentlichte Enzyklika Leos XIII.) an [[Albert Geßmann | Albert Gessmann]]. Am 21. September 1892 wurde im Extrazimmer des Gasthauses Kaiser in der Thaliastraße der Organisatorische Grundstein zu den christlichen Arbeitervereinen gelegt, bald darauf gründete Kunschak eine eigene Zeitung ("Die Freiheit") und konnte am 5. Jänner 1896 den 1. Parteitag der christlichsozialen Arbeiter einberufen. Längst hatten Lueger und Gessmann (ursprünglich Gegner jeder Zersplitterung der Christlichsozialen Partei) die Bedeutung der Organisation Kunschaks erkannt. Die Wahlen von 1897 bestätigten die Richtigkeit des Wegs, den Kunschak eingeschlagen hatte. Ab 1904 war Kunschak im Gemeinderat, ab 1907 Reichsratsabgeordneter und in dieser Eigenschaft 1910 "Landesausschuß". Als nach dem Tod Luegers einige seiner Anhänger (Vergani, Pattai) die Christlichsoziale Partei mit nationalistische Tendenzen infiltrieren wollten, wandte sich Kunschak energisch gegen diese Absicht und vermochte am 24. Juli 1911 in einer Versammlung im Hof des Neuen Rathauses einen eindeutigen ideologischen Sieg zu erringen. Als Abgeordneter setzte er sich besonders für die Abschaffung der Sonntags- und Nachtarbeit ein, beschäftigte sich in der Folge aber praktisch mit allen relevanten Fragen der Armenfürsorge, Kranken- und Altersversorgung, Arbeitslöhne und Steuergesetzgebung sowie mit aktuellen Wirtschafts- und Zollproblemen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er als Stadtrat ohne Ressort (1923-1934; Mitglied des Gemeinderats war Kunschak ohne Unterbrechung ab 1904) zum Wortführer der christlichsozialen Opposition. Ab 1927 mahnte er die Rechten und die Linken vor den Gefahren, die sich aus der Aufstellung von Wehrverbänden ergaben, und wandte sich mit gleicher Entschiedenheit gegen die Beschlüsse von Linz und Korneuburg. In letzter Minute versuchte er noch am 9. Februar 1934 in einer bemerkenswerten Rede vor dem Gemeinderat (erfolglos), die einem unheilvollen Höhepunkt zustrebende Entwicklung zu bremsen. 1934-1938 war Kunschak Mitglied des Staatsrats (Innenpolitischerv Ausschuß). 1938 und 1944 wurde er verhaftet; er hielt trotz polizeilicher Überwachung Kontakt zu [[Lois Weinberger]]. Nach dem Zweiten Weltkrieg unterzeichnete Kunschak gemeinsam mit Dr. [[Karl Renner]] am 27. April 1945 die historische Proklamation, mit der das demokratische Österreich wiederhergestellt wurde, am 25. November 1945 wurde er in den Nationalrat gewählt, dessen Erster Präsident er bis zu seinem Tod war. Kunschak war 1945 Mitbegründer der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und des Österreichischen Arbeiter- und Angestelltenbunds (ÖAAB), 1945 vorübergehend auch Geschäftsführender Präsident des Wiener Stadtschulrats und von 17. April 1945 bis 14. Februar 1946 Vizebürgermeister (sein Nachfolger wurde Lois Weinberger). 33 Jahre lang redigierte er selbst die Zeitschrift "Freiheit".  
  
 
Er wohnte fast sein ganzes Leben lang 17, Hernalser Hauptstraße 25.  
 
Er wohnte fast sein ganzes Leben lang 17, Hernalser Hauptstraße 25.  

Version vom 7. Juli 2014, 09:12 Uhr

Daten zur Person
Personenname Kunschak, Leopold
Abweichende Namensform
Titel
Geschlecht männlich
PageID 24937
GND
Wikidata
Geburtsdatum 11. November 1871
Geburtsort Wien
Sterbedatum 13. März 1953
Sterbeort Wien
Beruf Politiker
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Recherche
Letzte Änderung am 7.07.2014 durch WIEN1.lanm09heb
Begräbnisdatum 17. März 1953
Friedhof
Grabstelle Zentralfriedhof, Ehrengrab, Grab 14C, Nummer 21
  • 17., Hernalser Hauptstraße 25 (Wohnadresse)
  • 3., Gerlgasse (Geburtsadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Ehrenbürger der Stadt Wien (Verleihung: 8. November 1946, Übernahme: 8. Februar 1947)
  • Dr.-Karl-Renner-Stiftungspreis (Verleihung: 1951, Übernahme: 26. Jänner 1952)

  • Abgeordneter zum Wiener Landtag und Mitglied des Wiener Gemeinderates (1904 bis 1934)
  • Abgeordneter zum Reichsrat (1907 bis 1918)
  • Abgeordneter zum Nationalrat (04.03.1919 bis 02.05.1934)
  • Amtsführender Stadtrat (1945 bis 1946)
  • Vizebürgermeister der Stadt Wien (1945 bis 1946)
  • Abgeordneter zum Wiener Landtag und Mitglied des Wiener Gemeinderates (1945 bis 1946)
  • Abgeordneter zum Nationalrat (19.12.1945 bis 13.03.1953)
  • Obmann der Wiener Christlich Sozialen Partei )
  • Präsident des Nationalrates (19.12.1945 bis 13.03.1953)

Kunschak Leopold, * 11. November 1871 Wien 3, Gerlgasse, † 13. März 1953 Wien (Zentralfriedhof, Ehrengrab, Grab 14C, Nummer 21 [Grabdenkmal von Hans Knesl, 1954]), Sattler, christlichsozialer Politiker, erster Präsident des Nationalrats, Vizebürgermeister.

Wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, arbeitete in einer Setzerei, wechselte aber aus gesundheitlichen Gründen zum Sattlerhandwerk, in dem er die Gesellenprüfung ablegte. Während des Streiks der Tramwayarbeiter kam er erstmal in Berührung mit sozialen Problemen und entschloß sich, eine christliche Arbeiterbewegung zu gründen für die Werktätigen, die sich aus weltanschaulichen Gründen nicht der sozialdemokratischen Bewegung anschließen wollten. Er wandte sich zunächst erfolglos an den Redakteur des "Deutschen Volksblatts", Vergani, dann (gestützt auf die 1891 veröffentlichte Enzyklika Leos XIII.) an Albert Gessmann. Am 21. September 1892 wurde im Extrazimmer des Gasthauses Kaiser in der Thaliastraße der Organisatorische Grundstein zu den christlichen Arbeitervereinen gelegt, bald darauf gründete Kunschak eine eigene Zeitung ("Die Freiheit") und konnte am 5. Jänner 1896 den 1. Parteitag der christlichsozialen Arbeiter einberufen. Längst hatten Lueger und Gessmann (ursprünglich Gegner jeder Zersplitterung der Christlichsozialen Partei) die Bedeutung der Organisation Kunschaks erkannt. Die Wahlen von 1897 bestätigten die Richtigkeit des Wegs, den Kunschak eingeschlagen hatte. Ab 1904 war Kunschak im Gemeinderat, ab 1907 Reichsratsabgeordneter und in dieser Eigenschaft 1910 "Landesausschuß". Als nach dem Tod Luegers einige seiner Anhänger (Vergani, Pattai) die Christlichsoziale Partei mit nationalistische Tendenzen infiltrieren wollten, wandte sich Kunschak energisch gegen diese Absicht und vermochte am 24. Juli 1911 in einer Versammlung im Hof des Neuen Rathauses einen eindeutigen ideologischen Sieg zu erringen. Als Abgeordneter setzte er sich besonders für die Abschaffung der Sonntags- und Nachtarbeit ein, beschäftigte sich in der Folge aber praktisch mit allen relevanten Fragen der Armenfürsorge, Kranken- und Altersversorgung, Arbeitslöhne und Steuergesetzgebung sowie mit aktuellen Wirtschafts- und Zollproblemen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er als Stadtrat ohne Ressort (1923-1934; Mitglied des Gemeinderats war Kunschak ohne Unterbrechung ab 1904) zum Wortführer der christlichsozialen Opposition. Ab 1927 mahnte er die Rechten und die Linken vor den Gefahren, die sich aus der Aufstellung von Wehrverbänden ergaben, und wandte sich mit gleicher Entschiedenheit gegen die Beschlüsse von Linz und Korneuburg. In letzter Minute versuchte er noch am 9. Februar 1934 in einer bemerkenswerten Rede vor dem Gemeinderat (erfolglos), die einem unheilvollen Höhepunkt zustrebende Entwicklung zu bremsen. 1934-1938 war Kunschak Mitglied des Staatsrats (Innenpolitischerv Ausschuß). 1938 und 1944 wurde er verhaftet; er hielt trotz polizeilicher Überwachung Kontakt zu Lois Weinberger. Nach dem Zweiten Weltkrieg unterzeichnete Kunschak gemeinsam mit Dr. Karl Renner am 27. April 1945 die historische Proklamation, mit der das demokratische Österreich wiederhergestellt wurde, am 25. November 1945 wurde er in den Nationalrat gewählt, dessen Erster Präsident er bis zu seinem Tod war. Kunschak war 1945 Mitbegründer der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und des Österreichischen Arbeiter- und Angestelltenbunds (ÖAAB), 1945 vorübergehend auch Geschäftsführender Präsident des Wiener Stadtschulrats und von 17. April 1945 bis 14. Februar 1946 Vizebürgermeister (sein Nachfolger wurde Lois Weinberger). 33 Jahre lang redigierte er selbst die Zeitschrift "Freiheit".

Er wohnte fast sein ganzes Leben lang 17, Hernalser Hauptstraße 25.

Ehrenbürger der Stadt Wien (23. April 1948); Leopold-Kunschak-Preis (begründet 1965), Leopold-Kunschak-Hof (Porträtrelief), Leopold-Kunschak-Platz.

Literatur

  • Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte. Begründet von Hellmuth Rössler und Günther Franz, bearbeitet von Karl Bosl [u.a.]. München: A. Francke 1973-1975
  • Walter Kleindel: Das große Buch der Österreicher. 4500 Personendarstellungen in Wort und Bild, Namen, Daten, Fakten. Unter Mitarbeit von Hans Veigl. Wien: Kremayr & Scheriau 1987
  • Neue österreichische Biographie. 1815 – 1918. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1923-1935
  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik, Wien: Ueberreuter 1992
  • Getrude Enderle-Burcel: Mandatare im Ständestaat 1934-1938. Wien: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes [u.a.] 1991
  • Franz Stamprech: Ludwig Kunschak - Porträt eines christlichen Arbeiterführers. 1954
  • Rudolf Spitzer: Politikergedenkstätten. Manuskript
  • Maren Seliger / Karl Ucakar: Wien. Politische Geschichte 1740 - 1895. Wien: Jugend & Volk 1985 (Geschichte der Stadt Wien, 1), Register
  • Franz Bauer: Ludwig Kunschak als Politiker. Diss. Univ. Wien. Wien 1950
  • Kurt Stimmer [Hg.]: Die Arbeiter von Wien. Ein sozialdemokratischer Stadtführer. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1988, S. 321
  • Hanns Jäger-Sunstenau: Die Ehrenbürger und Bürger ehrenhalber der Stadt Wien. Wien: Deuticke 1992 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 23), S. 69
  • Hans Havelka: Der Wiener Zentralfriedhof. Wien: Jugend und Volk 1989 , 81. -
  • Steinchen am Wege. Lebenserinnerungen, 1937