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Version vom 5. August 2021, 11:31 Uhr
Arlt Ilse, * 1. Mai 1876 Wien, † 25. Jänner 1960 Wien, Fürsorgerin.
Biografie
Ilse Arlts Vater, Ferdinand Ritter von Arlt, war – wie schon dessen Vater – Augenarzt. Im Alter von 16 Jahren übersiedelte sie mit ihren Eltern und Geschwistern nach Graz. Sie bereitete sich autodidaktisch auf die Staatsprüfung in Latein und Englisch vor und legte mit 20 Jahren die Lehramtsprüfung für die englische Sprache ab.
Von 1901 bis 1905 studierte sie an der Universität Wien Nationalökonomie. Die Beschäftigung mit den realen Lebensumständen von Arbeitern veranlasste sie, an einer eigenständigen Fürsorgewissenschaft, die eng mit nationalökonomischen (aber selbstverständlich auch mit medizinischen und pädagogischen) Fragen verbunden ist, zu arbeiten.
1912 gründete sie die erste Fürsorgeschule in Wien, die den Namen “Vereinigte Fachkurse für Volkspflege“ trug. Ilse Arlt verstand ihre Ausbildungsstätte von Anfang an nicht nur als Lehrstätte, sondern auch als Forschungseinrichtung, welche die Grundlagenforschung für wichtige Aufgaben der Sozialpolitik betreiben sollte. Ein Fürsorgewörterbuch in zehn Sprachen sollte ein Beitrag zur Begriffserklärung und ein Soziallexikon sein. Sie trug alle Lehrmittel selber zusammen und schrieb die ersten österreichischen Lehrbücher “Die Grundlagen der Fürsorge“ (1921) und “Die Gestaltung der Hilfe“ (1923).
Arlts Forschungsinteresse galt dem menschlichen Leben in Armut und Mangel. Die Bedingungen für und die Auslöser von Armut hatte Ilse Arlt durch die Methoden der Feldforschung analysiert. Sie stellte dabei fest, dass es keinen wissenschaftlichen Konsens darüber gebe, was Armut eigentlich sei. Um diese besser fassen zu können, stellte Ilse Arlt 13 menschliche Grundbedürfnisse auf, deren Befriedigung oder Vernachlässigung ein Gradmesser für Armut seien, die den Menschen dauerhaft schädigen würde.
Bei der Gründung der Fürsorgeschule der Gemeinde Wien in der Ersten Republik dienten ihre modernen Gedanken als Vorbild.
1938 wurde die Schule geschlossen, Ilse Arlt aufgrund ihrer jüdischen Vorfahren die Lehrberechtigung entzogen und ihre Bücher vernichtet.
1946 wurde ihre Schule wieder eröffnet, musste aber 1950 aufgrund finanzieller Probleme endgültig schließen.
2012 wurde eine Straße in der Seestadt Aspern nach Ilse Arlt benannt. Im selben Jahr wurde am Gebäude der ehemaligen Mädchen-Realschule in der Albertgasse 38 eine Gedenktafel zur Erinnerung an die hier untergebrachten "Vereinigten Fachkurse für Volkspflege" enthüllt.
Werke (Auswahl)
- Ilse Arlt: Hausfrauenallerlei. Wien : Steyrermühl Verlag
- Ilse Arlt: Wege zu einer Fürsorgewissenschaft. Wien, Verl. Notring der Wiss. Verbände Österreichs, 1958
- Ilse Arlt: Die Grundlagen der Fürsorge. Wien : Österr. Schulbücherverlag 1921
Literatur
- llse Arlt Institut für Soziale Inklusionsforschung
- Österreichische Nationalbibliothek: Frauen in Bewegung 1848-1938: Ilse Arlt
- Rathaus-Korrespondenz. Wien: Presse- und Informationsdienst, 30.04.1956