Ilse Arlt

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Ilse Arlt anlässlich der Verleihung des Dr.-Karl-Renner-Preises im Dezember 1954
Daten zur Person
Personenname Arlt, Ilse
Abweichende Namensform Arlt, Ilse von; Arlt, Ilse Amalia Maria
Titel
Geschlecht weiblich
PageID 27160
GND 104621915
Wikidata Q1659081
Geburtsdatum 1. Mai 1876
Geburtsort Pötzleinsdorf
Sterbedatum 25. Jänner 1960
Sterbeort Wien
Beruf Sozialwissenschaftlerin
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Recherche
Letzte Änderung am 10.08.2023 durch WIEN1.lanm09p15
Begräbnisdatum 28. Jänner 1960
Friedhof Zentralfriedhof
Grabstelle Gruppe 84, Reihe 18, Nummer 43
Ehrengrab ehrenhalber gewidmetes Grab
Bildname Ilse Arlt.jpg
Bildunterschrift Ilse Arlt anlässlich der Verleihung des Dr.-Karl-Renner-Preises im Dezember 1954
  • Pötzleinsdorf, Hauptstraße 52 (Geburtsadresse)
  • 8., Albertgasse 4 (Wohnadresse)
  • 8., Albertgasse 38 (Wirkungsadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Gründerin und Leiterin der Vereinigten Fachkurse für Volkspflege (1912 bis 1950) mit Unterbrechung während des Zweiten Weltkriegs

  • Preis der Dr.-Karl-Renner-Stiftung (Verleihung: 1954)
  • Bundesfürsorgerätin (Verleihung: 1922)

Arlt Ilse, * 1. Mai 1876 Pötzleinsdorf, † 25. Jänner 1960 Wien, Fürsorgerin, Begründerin der Fürsorgeausbildung in Österreich.

Biografie

Ilse Arlts Vater, Ferdinand Ritter von Arlt, war – wie schon dessen Vater – Augenarzt. Im Alter von 16 Jahren übersiedelte sie mit ihren Eltern und Geschwistern nach Graz. Sie bereitete sich autodidaktisch auf die Staatsprüfung in Latein und Englisch vor und legte mit 20 Jahren die Lehramtsprüfung für die englische Sprache ab.

Von 1902 bis 1904 studierte sie an der Universität Wien Nationalökonomie bei Prof. Eugen Philippovich von Philippsberg. Die Beschäftigung mit den realen Lebensumständen von Arbeitern veranlasste sie, an einer eigenständigen Fürsorgewissenschaft, die eng mit nationalökonomischen (aber selbstverständlich auch mit medizinischen und pädagogischen) Fragen verbunden ist, zu arbeiten.

1910 wurde sie eingeladen, auf dem Internationalen Kongress für öffentliche und private Wohltätigkeit in Kopenhagen ein Referat zu halten. Leider war sie aufgrund einer langwierigen Krankheit verhindert, widmete aber ihre „Thesen zur sozialen Hilfstätigkeit der Frauen in Österreich“ als Schlusswort dem Referat von Dr. Arthur Glaser zum Thema „Die Frau in der österreichischen Wohlfahrtspflege“. Darin schlägt sie die Schaffung des Berufes der Wohlfahrtspflegerin vor.

1912 gründete sie die erste Fürsorgeschule in Wien, die den Namen “Vereinigte Fachkurse für Volkspflege“ trug. Ilse Arlt verstand ihre Ausbildungsstätte von Anfang an nicht nur als Lehrstätte, sondern auch als Forschungseinrichtung, welche die Grundlagenforschung für wichtige Aufgaben der Sozialpolitik betreiben sollte. Ein Fürsorgewörterbuch in zehn Sprachen sollte ein Beitrag zur Begriffserklärung und ein Soziallexikon sein. Sie trug alle Lehrmittel selber zusammen und schrieb die ersten österreichischen Lehrbücher “Die Grundlagen der Fürsorge“ (1921) und “Die Gestaltung der Hilfe“ (1923).

Arlts Forschungsinteresse galt dem menschlichen Leben in Armut und Mangel. Die Bedingungen für und die Auslöser von Armut hatte Ilse Arlt durch die Methoden der Feldforschung analysiert. Sie stellte dabei fest, dass es keinen wissenschaftlichen Konsens darüber gebe, was Armut eigentlich sei. Um diese besser fassen zu können, stellte Ilse Arlt 13 menschliche Grundbedürfnisse auf, deren Befriedigung oder Vernachlässigung ein Gradmesser für Armut seien, die den Menschen dauerhaft schädigen würde.

Arlts Engagement in Publikationen und Vorträgen galt insbesondere auch der Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen. Sie war als Mitglied des Vereins für die Verbesserung der Lage der Frauen tätig, der Beratungsstellen für Wohlfahrtseinrichtungen in Wien unterhielt. In dieser Eigenschaft organisierte Ilse Arlt Kampagnen zur Erlangung von Sach- und Geldspenden.

Bei der Gründung der Fürsorgeschule der Gemeinde Wien in der Ersten Republik dienten ihre modernen Gedanken als Vorbild.

1938 wurde die Schule geschlossen, Ilse Arlt aufgrund ihrer jüdischen Vorfahren die Lehrberechtigung entzogen und ihre Bücher vernichtet.

1946 wurde ihre Schule wieder eröffnet, musste aber 1950 aufgrund finanzieller Probleme endgültig schließen.

2012 wurde eine Straße in der Seestadt Aspern nach Ilse Arlt benannt. Im selben Jahr wurde am Gebäude der ehemaligen Mädchen-Realschule in der Albertgasse 38 eine Gedenktafel zur Erinnerung an die hier untergebrachten "Vereinigten Fachkurse für Volkspflege" enthüllt.

Werke (Auswahl)

  • Ilse Arlt: Die gewerbliche Nachtarbeit der Frauen in Österreich : Bericht erstattet der Internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz. Wien: Deuticke 1902
  • Ilse Arlt: Thesen zur sozialen Hilfstätigkeit der Frauen in Österreich. In: Glaser, Arthur: Die Frau in der österreichischen Wohlfahrtspflege. Referat erstattet in der Frage "Le role de la femme dans l'assistance" auf dem internationalen Kongresse für öffentliche Armenpflege und private Wohltätigkeit in Kopenhagen 1910. Kopenhagen: Schultz 1910
  • Ilse Arlt: Spezialisierte Horte. Gautzsch bei Leipzig: Dietrich 1913
  • Ilse Arlt: Die Grundlagen der Fürsorge. Wien: Österr. Schulbücherverlag 1921
  • Ilse Arlt: Die Gestaltung der Hilfe. Wien: Österr. Schulbücherverlag 1923
  • Ilse Arlt: Hausfrauenallerlei. Wien: Steyrermühl Verlag 1929
  • Ilse Arlt: Wege zu einer Fürsorgewissenschaft. Wien: Verl. Notring der Wiss. Verbände Österreichs 1958
  • Ilse Arlt: Mein Lebensweg. - publiziert in: Maria Maiss und Silvia Ursula Ertl: Ilse Arlt - (Auto)biographische und werkbezogene Einblicke. Wien (u.a.): Lit-Verlag 2011


Literatur

  • llse Arlt Institut für Soziale Inklusionsforschung
  • Österreichische Nationalbibliothek: Frauen in Bewegung 1848-1938: Ilse Arlt
  • Rathaus-Korrespondenz. Wien: Presse- und Informationsdienst, 30.04.1956
  • Silvia Ursula Ertl: Ilse Arlt - Studien zur Biographie der wenig bekannten Wissenschaftlerin und Begründerin der Fürsorgeausbildung in Österreich - Würzburg: FHWS, Diplomarbeit 1995 - publiziert in: Maria Maiss und Silvia Ursula Ertl: Ilse Arlt - (Auto)biographische und werkbezogene Einblicke. Wien (u.a.): Lit-Verlag 2011
  • Silvia Ursula Ertl: Auf den Spuren Ilse Arlts : Beschreibung einer Wiederentdeckung - In: Die Aktualität des Denkens von Ilse Arlt - Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwissenschaften, 2009, 17-35


Literatur von und über Ilse Arlt finden Sie im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.