Dora Philippine Kallmus: Unterschied zwischen den Versionen

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Dora Philippine Kallmus, * 20. März 1881 Wien, † 30. Oktober 1963 Frohnleiten, Steiermark, Fotografin. Entdeckte 1901 in Nizza, als sie sich in Ermangelung von Postkarten eine kleine Kamera kaufte, die Liebe zur Fotografie. Da man sie in Wien als Frau nicht ausbilden wollte, ging sie nach Berlin und absolvierte bei Perscheid einen Spezialkurs; dort lernte sie Arthur Benda (1885-1969) kennen, der dessen erster Assistent war, ging mit ihm nach Wien zurück und eröffnete hier 1907 das Fotoatelier „d'Ora" (1, Wipplingerstraße 24), eines der ersten kommerziellen Porträtstudios in Österreich; sie nahm nicht nur auf die sich unter dem Einfluss der Amateurfotografie langsam verändernden Publikumswünsche Rücksicht, sondern stellte auch wesentliche künstlerische Ansprüche an die Ausführung der Aufnahmen. Durch die Kontakte ihres wohlhabenden Vaters hatte sie bald eine prominente Klientel (ab 1908 war sie Fotografin Schnitzlers, es folgten Anna Sacher, Alma Mahler und Grete Wiesenthal, Bahr, Girardi und Klimt).  
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Dora Philippine Kallmus, * 20. März 1881 Wien, † 30. Oktober 1963 Frohnleiten, Steiermark, Fotografin.  
  
Das Atelier leistete ab 1910 Pionierarbeit in der Modefotografie; die Aufnahmen fanden bereits frühzeitig Eingang in die illustrierten Zeitschriften, weil neben der hohen Qualität auch die Prominenz der Porträtierten einen Anziehungspunkt bildete. 1916 fotografierte sie die Krönung Karls I. zum König von Ungarn, 1917 kam die kaiserliche Familie in ihr Atelier. Die Tätigkeit des Ateliers beschränkte sich nicht allein auf Wien. Sie betrieb 1921-1926 ein Sommeratelier in Karlsbad (seit 1921 war Benda ihr Teilhaber), verkaufte 1927 das Wiener Atelier (in der Folge „d'Ora-Benda") und übersiedelte nach Paris (Atelier „d'Ora Paris"; zur Klientel gehörten Coco Chanel, Maurice Chevalier und Josephine Baker), wo sie bis 1940 lebte, dann jedoch (als Jüdin) nach Südfrankreich fliehen musste (ihre Schwester Anna, die in Wien geblieben war, starb im KZ). 1946 kehrte sie nach Wien zurück (Dokumentation des Flüchtlingselends), machte später in Paris couragierte Fotos von Schlachthöfen und wandte sich von der feinen Gesellschaft ab. Nach einem Unfall (sie wurde 1959 von einem Motorrad angefahren) blieb sie lebenslang pflegebedürftig. 1961 kehrte sie nach Österreich zurück und lebte im Haus ihrer Familie.
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==Biographie==
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Madame d’Ora (Künstlername ab 1907) stammte aus einer bürgerlichen jüdischen Familie. Die Familie des Vaters, des Wiener Hof- und Gerichts-Advokaten Philipp Kallmus (1842-1918), war in Prag ansässig. Die Familie der Mutter, Malvine Sonnenberg (1853-1892), stammte aus Krapina in Kroatien. Nachdem ihre Mutter bereits früh verstarb, wurden Dora Kallmus und ihre Schwester Anna Malvine (1878–1941) von der Großmutter väterlicherseits und einer Gouvernante erzogen.
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1900 beschloss Kallmus Fotografin zu werden - damals ein schwieriges Vorhaben für eine Frau, da sowohl der Lehrberuf als auch der Zugang zu institutioneller Ausbildung verwehrt waren. Sie sammelte 1905 bei Besuchen im Sommeratelier des Gesellschaftsfotografen [[Hans Makart der Jüngere|Hans Makart]] (Sohn des Malers) erste Erfahrung und erhielt dank einer Sondererlaubnis auf Vermittlung von [[Josef Maria Eder]] als erste Frau Zutritt zu den Theoriekursen der Wiener Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt, jedoch nicht zu deren Praxisseminaren. Ab 1908 waren Frauen als Schülerinnen zugelassen.
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Um mehr Erfahrungen zu sammeln, beschloss Kallmus für ein halbes Jahr nach Berlin zu übersiedeln und nahm ab 1906 Fotografie- und Retuscheunterricht bei Nicola Perscheid, der ihre außerordentliche Begabung erkannte und sie in ihrem Zeugnis als seine bisher beste Schülerin bezeichnete. Bereits 1907 erhielt sie den Gewerbeschein und eröffnete unter ihrem Künstlernamen Madame d’Ora zusammen mit [[Arthur Benda]], der ebenfalls Schüler und erster Assistent Perscheids gewesen war, das Atelier d’Ora im ersten Wiener Bezirk, Wipplingerstraße 24. Sie fertigte Porträtaufnahmen von “unbekannten“ Menschen, wurde aber vor allem mit Porträtaufnahmen der Wiener Künstler- und Intellektuellenszene weit über die österreichischen Grenzen hinaus bekannt. So fertigte sie etwa Fotografien von [[Alma Mahler-Werfel]], [[Arthur Schnitzler]], Anna Pawlowa, [[Alexander Girardi]], [[Gustav Klimt]], [[Emilie Louise Flöge]], [[Marie Gutheil-Schoder]], [[Berta Zuckerkandl]], [[Max Reinhardt]], [[Karl Kraus]], [[Tina Blau]] oder [[Maria Jeritza]] an.
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Im Jahr 1916 fotografierte sie die Krönung von [[Karl I.]] zum König von Ungarn und stellte eine Porträtserie der gesamten kaiserlichen Familie her. Mit großem, sowohl in-, als auch ausländischem Erfolg und wachsenden Kundenstock war sie ab 1917 als Modefotografin tätig. Es bestanden enge Kontakte zur Modeabteilung der [[Wiener Werkstätte]].
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Ab 1915 beschäftigte sie sich auch mit dem Thema Tanz und der fotografischen Darstellung von Tänzern und Tänzerinnen. Dabei wurde sie kongenial von Arthur Benda unterstützt, der technisch höchst begabt war und für die technische Umsetzung und die Edeldruckverfahren der Abzüge verantwortlich war. Er stand hinter der Kamera, während Kallmus für Bildregie und Arrangement verantwortlich zeichnete. Sie fand dabei neue Bildlösungen und szenische Arrangements.
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Von 1921 bis 1926 unterhielt Madame d'Ora ein Sommeratelier in Karlsbad, in dieser Zeit wurde ihr Assistent Arthur Benda zu ihrem Teilhaber. Ab 1925 führte sie auch in Paris ein eigenes Atelier und zog sich 1927 ganz nach Paris zurück. Sie verkaufte ihr Wiener Atelier an Benda, der es gemeinsam mit seiner Frau Hanny Mittler führte. In Paris baute sie ihren Ruhm als Gesellschafts- und Künstlerfotografin aus und wurde die Hauptfotografin des Schauspielers und Sängers Maurice Chevalier. Sie fertigte Aufnahmen von Josephine Baker, Tamara de Lempicka und Coco Chanel. Weiterhin arbeitete sie als Modefotografin unter anderem für Die Dame, Madame und Officiel de la Couture et de la Mode und auch große Pariser Modehäuser wie Rochas, Patou, Lanvin und Chanel.
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Beim Einmarsch der deutschen Truppen 1940 floh sie überstürzt aus ihrem Pariser Atelier und hielt sich als Flüchtling in Südfrankreich in einem Kloster und einem Bauernhof in der Ardèche versteckt. Ihre Schwester, mit der sie in Paris zusammen gelebt hatte, wurde deportiert und wie zahlreiche ihrer Verwandten während der Zeit des Nationalsozialismus ermordet.  
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Madame d’Ora kehrte erst 1946 für kurze Zeit nach Österreich zurück und fotografierte Flüchtlingslager und das zerstörte Wien. Obwohl sie zur Gesellschaftsfotografie zurück fand,hatten die unfassbaren Schrecken des Krieges ihren Fotostil nachhaltig verändert. Sie verließ zum ersten Mal das Atelier und hielt unter anderem das Elend und die Resignation der Flüchtlinge fest.
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In Folge eines Verkehrsunfalls 1959 litt Kallmus weitgehend unter Gedächtnisschwund und war pflegebedürftig. Sie verbrachte ihre letzten Lebensjahre mit einer Freundin ihrer ermordeten Schwester Anna in Frohnleiten in jenem Haus, das der Familie Kallmus während des NS-Regimes entzogen und nach dem Krieg restituiert worden war.
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Der Nachlass wird von mehreren Institutionen verwahrt. Ein Großteil der rund 90.000 Aufnahmen befindet sich heute im Besitz des Bildarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien und des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Fotografien von Dora Kallmus/ Madame d'Ora waren erstmals 1906 in einer Ausstellung des Photoklubs Wien zu sehen. Es folgten bis heute zahlreiche Ausstellungen in Wien und im Ausland.
  
 
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*Harry Kühnel [Red.]: Das Zeitalter Kaiser Franz Josephs [Katalog zur Niederösterreichischen Landesausstellung in Grafenegg]. Band 2: 1880 – 1916, Glanz und Elend. Wien: Amt der Niederösterreichischen Landesregierung 1984, S. 227
 
*Harry Kühnel [Red.]: Das Zeitalter Kaiser Franz Josephs [Katalog zur Niederösterreichischen Landesausstellung in Grafenegg]. Band 2: 1880 – 1916, Glanz und Elend. Wien: Amt der Niederösterreichischen Landesregierung 1984, S. 227
 
*Die Vertreibung des Geistigen aus Österreich. Zur Kulturpolitik des Nationalsozialismus. [Zusammenstellung der Ausstellung: Hochschule für Angewandte Kunst in Wien. Katalog: Gabriele Koller ... Für den Inhalt verantwortlich : Oswald Oberhuber]. Wien: Zentralsparkasse 1982
 
*Die Vertreibung des Geistigen aus Österreich. Zur Kulturpolitik des Nationalsozialismus. [Zusammenstellung der Ausstellung: Hochschule für Angewandte Kunst in Wien. Katalog: Gabriele Koller ... Für den Inhalt verantwortlich : Oswald Oberhuber]. Wien: Zentralsparkasse 1982
*Katalog Vienne 1880-1938
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*Jean Clair [Red.]: Vienne 1880-1938. L'apocalypse joyeuse. Paris: Editions du Centre Pompidou 1986
 
*Die Zeit, 17.02.1984
 
*Die Zeit, 17.02.1984
 
*Renate Wagner: Dora Kallmus. In: Frauenblatt, 25.11.1989, S. 8 f.
 
*Renate Wagner: Dora Kallmus. In: Frauenblatt, 25.11.1989, S. 8 f.
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*Anna Auer [Hg.]: Übersee. Flucht und Emigration österreichischer Fotografen 1920-1940. Ausstellung Kunsthalle Wien im Museumsquartier 1998. Wien, 1997
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*Ingried Brugger [Hg.]: Jahrhundert der Frauen. Vom Impressionismus zur Gegenwart. Österreich 1870 bis heute. Ausstellung im Kunstforum Wien 1999. Salzburg/Wien: Residenz Verlag 1999
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*Jutta Dick/Marina Sassenberg [Hg.]:, Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert. Lexikon zu Leben und Werk. Reinbek bei Hamburg 1993*Frauke Severit [Hg.]: Das alles war ich. Politikerinnen, Künstlerinnen, Exzentrikerinnen der Wiener Moderne. Wien 1998
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==Links==
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*[https://de.wikipedia.org/wiki/Madame_d%E2%80%99Ora Wikipedia: Madame d’Ora]
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*[http://www.univie.ac.at/biografiA/daten/text/bio/kallmus.htm BiografiA: Kallmus Dora Philippine]
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*[http://jwa.org/encyclopedia/article/madame-dora Jewish Women’s Archive: Madame d’Ora]

Version vom 6. August 2015, 09:09 Uhr

Daten zur Person
Personenname Kallmus, Dora Philippine
Abweichende Namensform Madame d'Ora
Titel
Geschlecht weiblich
PageID 24988
GND 10918825X
Wikidata
Geburtsdatum 20. März 1881
Geburtsort Wien
Sterbedatum 30. Oktober 1963
Sterbeort Frohnleiten, Steiermark
Beruf Fotografin
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Österreichische Nationalbibliothek/Bildarchiv
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 6.08.2015 durch WIEN1.lanm09mer
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
  • 1., Wipplingerstraße 24 (Wirkungsadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Dora Philippine Kallmus, * 20. März 1881 Wien, † 30. Oktober 1963 Frohnleiten, Steiermark, Fotografin.

Biographie

Madame d’Ora (Künstlername ab 1907) stammte aus einer bürgerlichen jüdischen Familie. Die Familie des Vaters, des Wiener Hof- und Gerichts-Advokaten Philipp Kallmus (1842-1918), war in Prag ansässig. Die Familie der Mutter, Malvine Sonnenberg (1853-1892), stammte aus Krapina in Kroatien. Nachdem ihre Mutter bereits früh verstarb, wurden Dora Kallmus und ihre Schwester Anna Malvine (1878–1941) von der Großmutter väterlicherseits und einer Gouvernante erzogen.

1900 beschloss Kallmus Fotografin zu werden - damals ein schwieriges Vorhaben für eine Frau, da sowohl der Lehrberuf als auch der Zugang zu institutioneller Ausbildung verwehrt waren. Sie sammelte 1905 bei Besuchen im Sommeratelier des Gesellschaftsfotografen Hans Makart (Sohn des Malers) erste Erfahrung und erhielt dank einer Sondererlaubnis auf Vermittlung von Josef Maria Eder als erste Frau Zutritt zu den Theoriekursen der Wiener Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt, jedoch nicht zu deren Praxisseminaren. Ab 1908 waren Frauen als Schülerinnen zugelassen.

Um mehr Erfahrungen zu sammeln, beschloss Kallmus für ein halbes Jahr nach Berlin zu übersiedeln und nahm ab 1906 Fotografie- und Retuscheunterricht bei Nicola Perscheid, der ihre außerordentliche Begabung erkannte und sie in ihrem Zeugnis als seine bisher beste Schülerin bezeichnete. Bereits 1907 erhielt sie den Gewerbeschein und eröffnete unter ihrem Künstlernamen Madame d’Ora zusammen mit Arthur Benda, der ebenfalls Schüler und erster Assistent Perscheids gewesen war, das Atelier d’Ora im ersten Wiener Bezirk, Wipplingerstraße 24. Sie fertigte Porträtaufnahmen von “unbekannten“ Menschen, wurde aber vor allem mit Porträtaufnahmen der Wiener Künstler- und Intellektuellenszene weit über die österreichischen Grenzen hinaus bekannt. So fertigte sie etwa Fotografien von Alma Mahler-Werfel, Arthur Schnitzler, Anna Pawlowa, Alexander Girardi, Gustav Klimt, Emilie Louise Flöge, Marie Gutheil-Schoder, Berta Zuckerkandl, Max Reinhardt, Karl Kraus, Tina Blau oder Maria Jeritza an.

Im Jahr 1916 fotografierte sie die Krönung von Karl I. zum König von Ungarn und stellte eine Porträtserie der gesamten kaiserlichen Familie her. Mit großem, sowohl in-, als auch ausländischem Erfolg und wachsenden Kundenstock war sie ab 1917 als Modefotografin tätig. Es bestanden enge Kontakte zur Modeabteilung der Wiener Werkstätte.

Ab 1915 beschäftigte sie sich auch mit dem Thema Tanz und der fotografischen Darstellung von Tänzern und Tänzerinnen. Dabei wurde sie kongenial von Arthur Benda unterstützt, der technisch höchst begabt war und für die technische Umsetzung und die Edeldruckverfahren der Abzüge verantwortlich war. Er stand hinter der Kamera, während Kallmus für Bildregie und Arrangement verantwortlich zeichnete. Sie fand dabei neue Bildlösungen und szenische Arrangements.

Von 1921 bis 1926 unterhielt Madame d'Ora ein Sommeratelier in Karlsbad, in dieser Zeit wurde ihr Assistent Arthur Benda zu ihrem Teilhaber. Ab 1925 führte sie auch in Paris ein eigenes Atelier und zog sich 1927 ganz nach Paris zurück. Sie verkaufte ihr Wiener Atelier an Benda, der es gemeinsam mit seiner Frau Hanny Mittler führte. In Paris baute sie ihren Ruhm als Gesellschafts- und Künstlerfotografin aus und wurde die Hauptfotografin des Schauspielers und Sängers Maurice Chevalier. Sie fertigte Aufnahmen von Josephine Baker, Tamara de Lempicka und Coco Chanel. Weiterhin arbeitete sie als Modefotografin unter anderem für Die Dame, Madame und Officiel de la Couture et de la Mode und auch große Pariser Modehäuser wie Rochas, Patou, Lanvin und Chanel.

Beim Einmarsch der deutschen Truppen 1940 floh sie überstürzt aus ihrem Pariser Atelier und hielt sich als Flüchtling in Südfrankreich in einem Kloster und einem Bauernhof in der Ardèche versteckt. Ihre Schwester, mit der sie in Paris zusammen gelebt hatte, wurde deportiert und wie zahlreiche ihrer Verwandten während der Zeit des Nationalsozialismus ermordet.

Madame d’Ora kehrte erst 1946 für kurze Zeit nach Österreich zurück und fotografierte Flüchtlingslager und das zerstörte Wien. Obwohl sie zur Gesellschaftsfotografie zurück fand,hatten die unfassbaren Schrecken des Krieges ihren Fotostil nachhaltig verändert. Sie verließ zum ersten Mal das Atelier und hielt unter anderem das Elend und die Resignation der Flüchtlinge fest.

In Folge eines Verkehrsunfalls 1959 litt Kallmus weitgehend unter Gedächtnisschwund und war pflegebedürftig. Sie verbrachte ihre letzten Lebensjahre mit einer Freundin ihrer ermordeten Schwester Anna in Frohnleiten in jenem Haus, das der Familie Kallmus während des NS-Regimes entzogen und nach dem Krieg restituiert worden war.

Der Nachlass wird von mehreren Institutionen verwahrt. Ein Großteil der rund 90.000 Aufnahmen befindet sich heute im Besitz des Bildarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien und des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Fotografien von Dora Kallmus/ Madame d'Ora waren erstmals 1906 in einer Ausstellung des Photoklubs Wien zu sehen. Es folgten bis heute zahlreiche Ausstellungen in Wien und im Ausland.

Madame-d´Ora-Park

Literatur

  • Fritz Kempe: Nicola Perscheid. Arthur Benda. Madame d'Ora. Hamburg: Museum für Kunst und Gewerbe 1980
  • Monika Faber: Madame d'Ora, Wien-Paris. Portraits aus Kunst und Gesellschaft. 1907-1957. Wien: Brandstätter 1983
  • Witzmann, Reingard [Hg.]:Aufbruch in das Jahrhundert der Frau? Rosa Mayreder und der Feminismus in Wien um 1900, 21. September bis 21. Jänner 1990, S. 217 (Katalog zur Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 125)
  • Harry Kühnel [Red.]: Das Zeitalter Kaiser Franz Josephs [Katalog zur Niederösterreichischen Landesausstellung in Grafenegg]. Band 2: 1880 – 1916, Glanz und Elend. Wien: Amt der Niederösterreichischen Landesregierung 1984, S. 227
  • Die Vertreibung des Geistigen aus Österreich. Zur Kulturpolitik des Nationalsozialismus. [Zusammenstellung der Ausstellung: Hochschule für Angewandte Kunst in Wien. Katalog: Gabriele Koller ... Für den Inhalt verantwortlich : Oswald Oberhuber]. Wien: Zentralsparkasse 1982
  • Jean Clair [Red.]: Vienne 1880-1938. L'apocalypse joyeuse. Paris: Editions du Centre Pompidou 1986
  • Die Zeit, 17.02.1984
  • Renate Wagner: Dora Kallmus. In: Frauenblatt, 25.11.1989, S. 8 f.
  • Anna Auer [Hg.]: Übersee. Flucht und Emigration österreichischer Fotografen 1920-1940. Ausstellung Kunsthalle Wien im Museumsquartier 1998. Wien, 1997
  • Ingried Brugger [Hg.]: Jahrhundert der Frauen. Vom Impressionismus zur Gegenwart. Österreich 1870 bis heute. Ausstellung im Kunstforum Wien 1999. Salzburg/Wien: Residenz Verlag 1999
  • Jutta Dick/Marina Sassenberg [Hg.]:, Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert. Lexikon zu Leben und Werk. Reinbek bei Hamburg 1993*Frauke Severit [Hg.]: Das alles war ich. Politikerinnen, Künstlerinnen, Exzentrikerinnen der Wiener Moderne. Wien 1998

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