Anschlussbewegung: Unterschied zwischen den Versionen

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Erstmals tauchen derartige Gedanken in der Zeit der Romantik auf, als man den mittelalterlichen Begriff des heiligen Römisch Reiches mit einem deutschen Nationalstaat gleichzusetzen versuchte. Ausgelöst durch die Revolution von 1848 wurde neuerlich eine Vereinigung diskutiert; die "Großdeutschen" im Frankfurter Parlament (1848/1849) strebten jedoch eine Vereinigung unter österreichischer Führung an. Durch den preußisch-österreichischen Krieg von 1866 kamen diese Gedanken zum Erliegen. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts griff [[Georg Schönerer|Schönerer]] den Gedanken in anderer Form wieder auf; er stützte sich vor allem auf Studenten, Intellektuelle und Teile des Bürgertums.  
 
Erstmals tauchen derartige Gedanken in der Zeit der Romantik auf, als man den mittelalterlichen Begriff des heiligen Römisch Reiches mit einem deutschen Nationalstaat gleichzusetzen versuchte. Ausgelöst durch die Revolution von 1848 wurde neuerlich eine Vereinigung diskutiert; die "Großdeutschen" im Frankfurter Parlament (1848/1849) strebten jedoch eine Vereinigung unter österreichischer Führung an. Durch den preußisch-österreichischen Krieg von 1866 kamen diese Gedanken zum Erliegen. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts griff [[Georg Schönerer|Schönerer]] den Gedanken in anderer Form wieder auf; er stützte sich vor allem auf Studenten, Intellektuelle und Teile des Bürgertums.  
  
Nach dem Ende des ersten Weltkriegs, als die Lebensfähigkeit Österreichs von vielen in Frage gestellt wurde, bezeichnete die Provisorische Nationalversammlung im Verfassungsgesetz von 12. November 1918 Österreich als einen Bestandteil der Deutschen Republik ("Deutsch-Österreich"); die politischen Parteien nahmen den "Anschluß" durchwegs in ihre Programme auf. Artikel 88 des Friedensvertrags von Saint Germain (1919) verbot Österreich die Bezeichnung "Deutsch-Österreich" und machte einen Verzicht auf die Unabhängigkeit von einer Genehmigung des Völkerbunds abhängig. (Bei Gewährung der Anleihe von 1922 wurde der Anschluß erneut untersagt.) Innerhalb der "Großdeutschen", aber auch in anderen politischen Lagern, spielte die Anschlussbewegung weiterhin eine Rolle. In den 20er Jahren verlor der Gedanke an Attraktivität, wurde jedoch seitens Deutschlands durch die Gründung verschiedener Verbände weiter gepflegt (unter anderem 1920 Wiener Ortsgruppe des "Österreichisch-Deutschen Volksbundes"; 1925 Gründung der „Österreichisch-Deutschen Arbeitsgemeinschaft" in Wien, Organ „Deutsche Einheit" 1926; Deutscher Schulverein). Unter [[Johannes Schober|Schober]] wurde der Versuch einer wirtschaftlichen Vereinigung geprüft (Zollunion, 1931), doch wurde eine solche Union durch das Haager Internationale Schiedsgericht als friedensvertragswidrig verboten. Nach der Machtübernahme Adolf Hitlers in Deutschland (30. Jänner 1933) kam es zu verschiedenen Maßnahmen, die einen Anschluß erzwingen sollten (Wirtschaftsboykott, "Tausend-Mark-Sperre" für Touristen, Sabotageakte, Attentate, illegale Unterwanderung, Unterstützung der österreichischen [[Nationalsozialisten]], in denen das ursprünglich "Nationale Lager" aufging). Auf ihrem letzten Parteitag (14.-16. Oktober 1933) strichen die Sozialdemokraten daraufhin den "Anschlußartikel" aus ihrem Parteiprogramm. Der Einmarsch deutscher Truppen am 12. März 1938 stellte die Welt vor die vollendete Tatsachen des so genannten Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich beziehungsweise der (historisch in keiner Weise begründeten) "Wiedervereinigung". Nach dem zweiten Weltkrieg konnte eine Anschlußbewegung nicht mehr entstehen.
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Nach dem Ende des ersten Weltkriegs, als die Lebensfähigkeit Österreichs von vielen in Frage gestellt wurde, bezeichnete die Provisorische Nationalversammlung im Verfassungsgesetz von 12. November 1918 Österreich als einen Bestandteil der Deutschen Republik ("Deutsch-Österreich"); die politischen Parteien nahmen den "Anschluß" durchwegs in ihre Programme auf. Artikel 88 des Friedensvertrags von Saint Germain (1919) verbot Österreich die Bezeichnung "Deutsch-Österreich" und machte einen Verzicht auf die Unabhängigkeit von einer Genehmigung des Völkerbunds abhängig. (Bei Gewährung der Anleihe von 1922 wurde der Anschluß erneut untersagt.) Innerhalb der "Großdeutschen", aber auch in anderen politischen Lagern, spielte die Anschlussbewegung weiterhin eine Rolle. In den 20er Jahren verlor der Gedanke an Attraktivität, wurde jedoch seitens Deutschlands durch die Gründung verschiedener Verbände weiter gepflegt (unter anderem 1920 Wiener Ortsgruppe des "Österreichisch-Deutschen Volksbundes"; 1925 Gründung der „Österreichisch-Deutschen Arbeitsgemeinschaft" in Wien, Organ „Deutsche Einheit" 1926; Deutscher Schulverein). Unter [[Johannes Schober|Schober]] wurde der Versuch einer wirtschaftlichen Vereinigung geprüft (Zollunion, 1931), doch wurde eine solche Union durch das Haager Internationale Schiedsgericht als friedensvertragswidrig verboten. Nach der Machtübernahme Adolf Hitlers in Deutschland (30. Jänner 1933) kam es zu verschiedenen Maßnahmen, die einen Anschluß erzwingen sollten (Wirtschaftsboykott, "Tausend-Mark-Sperre" für Touristen, Sabotageakte, Attentate, illegale Unterwanderung, Unterstützung der österreichischen [[Nationalsozialisumus|Nationalsozialisten]], in denen das ursprünglich "Nationale Lager" aufging). Auf ihrem letzten Parteitag (14.-16. Oktober 1933) strichen die Sozialdemokraten daraufhin den "Anschlußartikel" aus ihrem Parteiprogramm. Der Einmarsch deutscher Truppen am 12. März 1938 stellte die Welt vor die vollendete Tatsachen des so genannten Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich beziehungsweise der (historisch in keiner Weise begründeten) "Wiedervereinigung". Nach dem zweiten Weltkrieg konnte eine Anschlußbewegung nicht mehr entstehen.
  
 
== Literatur ==  
 
== Literatur ==  

Version vom 6. November 2013, 16:51 Uhr

Daten zum Eintrag
Datum von 1800
Datum bis 1945
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 6.11.2013 durch WIEN1.lanm08w14

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Anschlußbewegung. Unter dieser Bezeichnung verstand man Bestrebungen, die eine Vereinigung Österreichs mit Deutschland zum Ziel hatten.

Erstmals tauchen derartige Gedanken in der Zeit der Romantik auf, als man den mittelalterlichen Begriff des heiligen Römisch Reiches mit einem deutschen Nationalstaat gleichzusetzen versuchte. Ausgelöst durch die Revolution von 1848 wurde neuerlich eine Vereinigung diskutiert; die "Großdeutschen" im Frankfurter Parlament (1848/1849) strebten jedoch eine Vereinigung unter österreichischer Führung an. Durch den preußisch-österreichischen Krieg von 1866 kamen diese Gedanken zum Erliegen. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts griff Schönerer den Gedanken in anderer Form wieder auf; er stützte sich vor allem auf Studenten, Intellektuelle und Teile des Bürgertums.

Nach dem Ende des ersten Weltkriegs, als die Lebensfähigkeit Österreichs von vielen in Frage gestellt wurde, bezeichnete die Provisorische Nationalversammlung im Verfassungsgesetz von 12. November 1918 Österreich als einen Bestandteil der Deutschen Republik ("Deutsch-Österreich"); die politischen Parteien nahmen den "Anschluß" durchwegs in ihre Programme auf. Artikel 88 des Friedensvertrags von Saint Germain (1919) verbot Österreich die Bezeichnung "Deutsch-Österreich" und machte einen Verzicht auf die Unabhängigkeit von einer Genehmigung des Völkerbunds abhängig. (Bei Gewährung der Anleihe von 1922 wurde der Anschluß erneut untersagt.) Innerhalb der "Großdeutschen", aber auch in anderen politischen Lagern, spielte die Anschlussbewegung weiterhin eine Rolle. In den 20er Jahren verlor der Gedanke an Attraktivität, wurde jedoch seitens Deutschlands durch die Gründung verschiedener Verbände weiter gepflegt (unter anderem 1920 Wiener Ortsgruppe des "Österreichisch-Deutschen Volksbundes"; 1925 Gründung der „Österreichisch-Deutschen Arbeitsgemeinschaft" in Wien, Organ „Deutsche Einheit" 1926; Deutscher Schulverein). Unter Schober wurde der Versuch einer wirtschaftlichen Vereinigung geprüft (Zollunion, 1931), doch wurde eine solche Union durch das Haager Internationale Schiedsgericht als friedensvertragswidrig verboten. Nach der Machtübernahme Adolf Hitlers in Deutschland (30. Jänner 1933) kam es zu verschiedenen Maßnahmen, die einen Anschluß erzwingen sollten (Wirtschaftsboykott, "Tausend-Mark-Sperre" für Touristen, Sabotageakte, Attentate, illegale Unterwanderung, Unterstützung der österreichischen Nationalsozialisten, in denen das ursprünglich "Nationale Lager" aufging). Auf ihrem letzten Parteitag (14.-16. Oktober 1933) strichen die Sozialdemokraten daraufhin den "Anschlußartikel" aus ihrem Parteiprogramm. Der Einmarsch deutscher Truppen am 12. März 1938 stellte die Welt vor die vollendete Tatsachen des so genannten Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich beziehungsweise der (historisch in keiner Weise begründeten) "Wiedervereinigung". Nach dem zweiten Weltkrieg konnte eine Anschlußbewegung nicht mehr entstehen.

Literatur

  • Gerhard Jagschitz: NSDAP und „Anschluß" in Wien 1938. In: Wien 1938. [Hg.und für den Inhalt verantwortlich Felix Czeike.] Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1978 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 2), S. 147 ff.
  • Isabella Ackerl: Die Großdeutschland und der Anschluß. In: Wien 1938. [Hg.und für den Inhalt verantwortlich Felix Czeike.] Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1978 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 2), S. 158 ff.
  • Helene Maimann, Die Reaktionen der Auslandspresse auf den „Anschluß" Österreichs an das Deutsche Reich. In: Wien 1938. [Hg.und für den Inhalt verantwortlich Felix Czeike.] Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1978 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 2), S. 116 ff
  • Gerald Stourzh, Brigitta Zaar (Hgg.): Österreich, Deutschland und die Mächte. 1990