Dreifaltigkeitssäule (1)
48° 12' 31.36" N, 16° 22' 11.20" E zur Karte im Wien Kulturgut
Dreifaltigkeitssäule (1, Graben, "Pestsäule").
Die Pestsäule - ihre Entstehung anlässlich der Pestepidemie 1679
Sie verdankt ihr Entstehen einem Gelübde, das Leopold I. anlässlich der Pestepidemie 1679 abgelegt hatte, und war ursprünglich nur aus Holz gefertigt.
Die von Joseph Frühwirth entworfene Säule trug am Sockel neun Engelsfiguren und war von einer Dreifaltigkeitsgruppe bekrönt. Am 17. Juni 1680 fand das bekannte "Dankfest" vor der Säule statt. Von einer provisorischen Kanzel predigte 1680 Pater Abraham a Sancta Clara.
"Noch im Juli", erzählt Abraham a Sancta Clara, "stand die Stadt in höchster Glorie, die Burg war vom Kaiser bewohnt, der Adel in unzähliger Menge anwesend, der russische und der polnische Botschafter hielten mit großer Pracht ihren Einzug und klingende Trompeten und allseits erschallende Musik aus den adeligen Palästen und Höfen machte solches Getöse, dass man davor gehalten, der Himmel habe ein Loch bekommen, wodurch die Freute metzenweis in die Wiener Stadt gefallen."
Doch wenige Tage darauf steigerten sich die Pestfälle in solchem Maß, dass sie die größte Bestürzung hervorriefen. Der Kaiser zog sich mit dem Hof am 9. August auf den Kahlenberg (heute: Leopoldsberg) zurück. Später verlegte er seine Residenz nach Prag. Ihm folgten der Adel, die Gesandten, die Räte und reicheren Bürger. Die Straßen der Stadt und die Vorstädte waren öd und Verlassen. Handel und Gewerbe standen still und fast niemand getraute sich aus Furcht vor der Anstekung aus dem Hause. Bis zum 28. September standen 300 Häuser leer und man zählte 21.000 Tote.
Über die Gesamtzahl der Pestopfer des Jahres 1679 und außerhalb der Stadt schwanken die Berichte zwischen 76.921 und 140.516, doch mag die zweite Ziffer zu hoch gegriffen sein.
Überall in den Straßen, den Häusern, außer der Stadt in den Weingärten lagen Leichen, die rechtzeitig wegführten und zu bestatten, ein Ding der Unmöglichkeit war, da es allerorts an Arbeitskräften mangele. Der bürokratische Zopf, gegen den der berühmte Arzt dieser Zeit, Paul von Sorbait, vergeblich ankämpfte, machte das Übel noch ärger. "Oftmals" so schrieb er in einem Bericht vom 30. September 1679, "predigte ich vor tauben Ohren, besonders bei den Urhebern des bösen Rates, welcher lieber alle zugrunde richten wollten, als ihre Irrtümer einsehen und bessern."
Die Dreifaltigkeissäule - Ausführung und Programm
Die Dreifaltigkeitsgruppe, die sich auf der alten Holzsäule befand, kam vermutlich nach Zwölfaxing (Niederösterreich). 1682 erhielt Matthias Rauchmüller den Auftrag für eine Marmorsäule, zu der Leopold I. am 30. Juni 1687 den Grundstein legte und die am 29. Oktober 1693 (Dreifaltigkeitstag) geweiht wurde. 1687/1688 wurde der von Rauchmüller († 1686) begonnene Sockel von Johann Bernhard Fischer von Erlach verändert. Den Wolkenobelisk (der unter Leitung Paul Strudels von ihm selbst und anderen Bildhauern ausgeführt wurde) entwarf nach dem architektonischen Grundgedanken Fischers Lodovico Ottavio Burnacini. Die von Fischer begonnenen Reliefs am Sockel vollendete Johann Ignaz Bendl. Auf dem starken Sockel ruht ein in zwei Stockwerke geteilter Unterbau, über den sich eine aus Wolken aufsteigende dreiseitige Pyramide erhebt, die ihrerseits von der Heiligen Dreifaltigkeit (ausgeführt vom Augsburger Johann Kilian) bekrönt ist. An dieser Arbeit beteiligten sich die Bildhauer Joseph Frühwirth, Matthias Rauchmüller, Tobias Kracker und Matthias Gunst. Das komplizierte ikonographische Programm entwarf der Jesuit Pater Franciscus Menegatti (später Beichtvater Leopolds I.).
An den Seitenflächen des Sockels befinden sich je sechs Reliefs mit folgenden Darstellungen: Schöpfung, Pest, Passahfest, Letztes Abendmahl, Sintflut, Pfingstwunder (unten); Himmelskugel mit Tierkreis und Gestirnen, Erdkugel mit vier Winden, Lamm Gottes mit Osterfahne, Cherubim mit Kelch, Hand Gottes mit Gesetzestafeln, geflügeltes flammendes Herz (oben). An den Stirnflächen des Unterbaus Wappen Ostern, Ungarns und Böhmens. Vor der reliefgeschmückten Sockelzone an der Südseite Figurengruppe "Glaube besiegt die Pest" (von Paul Strudel), darüber betend Leopold I.
Das Denkmal wurde wiederholt restauriert, zuletzt 1980/1981 (offizielle Übergabe 28. November 1981). Die Dreifaltigkeitssäule ist ein hervorragendes Beispiel der architektonischen Bildhauerei des Hochbarock.
Literatur
- Felix Czeike: Der Graben. In: Felix Czeike: Der Graben. Wien [u.a.]: Zsolnay 1972 (Wiener Geschichtsbücher, 10), S. 105 ff.
- Gerhardt Kapner: Freiplastik in Wien. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1970, S. 140
- Heinrich Srbik / Reinhold Lorenz: Die geschichtliche Stellung Wiens 1740-1918. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien (Geschichte der Stadt Wien, Neue Reihe, 7/1), S. 100 f.
- Gerolf Coudenhove: Die Wiener Pestsäule. 1958
- Die Wiener Pestsäule. In: Restauratorenblätter. Band 6. 1982
- Tietze-Conrat: Die Pestsäule am Graben in Wien (Österreichische Kunstbücher 17)
- Alois Mauser: Die Dreifaltigkeitssäule am Graben in Wien. In: Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien. Band 21. Wien: Gerold 1882, S. 82 ff.
- Felix Czeike: I. Innere Stadt. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1983 (Wiener Bezirkskulturführer, 1), S. 55
- Felix Czeike: Wien. Kunst und Kultur-Lexikon. Stadtführer und Handbuch. München: Süddeutscher Verlag 1976, S. 74 f.
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 1, 1. Teil. Wien ²1953 (Manuskript im WStLA), S. 167 – 169