Wiedertäufer

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Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 23.03.2017 durch WIEN1.lanm09was

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religiös-sozialrevolutionäre Bewegung, die sich im 16. Jahrhundert im Heiligen Römischen Reich, in der Schweiz und in den Niederlanden ausbreitete. Hauptpunkte ihrer Lehre: die Taufe Neugeborener sei abzulehnen, sie habe erst bei Erwachsenen Gültigkeit (daher Erneuerung des Taufakts bei ihren Anhängern); neben der Heiligen Schrift sei auch die persönliche, innere Offenbarung Glaubensquelle; das Abendmahl diene nur dem Gedenken an den Tod Christi, dessen Leib und Blut seien dabei nicht zugegen; das Eigentum sei abzulehnen (daher Gütergemeinschaft), ebenso die weltliche Obrigkeit. Damit sonderten sich die Wiedertäufer von der damaligen Gesellschaftsordnung ab und wurden von Katholiken und Lutheranern gleichermaßen verfolgt.

Ausgangspunkte der um 1523 beginnenden Bewegung waren Thüringen (Thomas Münzer in Mühlhausen) und die Schweiz (Konrad Gnebel in Zürich), von wo aus sich die Wiedertäufer nach Tirol, Salzburg, Oberösterreich und Niederösterreich ausbreiteten; um 1530 ging eine Welle von den Niederlanden aus. Die Wiedertäufer hatten keine Gesamtorganisation, sondern lebten in einzelnen Gemeinschaften, manche, wie Münzer († 1525) und die Wiedertäufer in Münster/Westfalen (1533-1535), suchten ihr "Idealreich" mit Gewalt zu verwirklichen; die Mehrzahl der Wiedertäufer, denen Männer und Frauen aus allen Berufs- und Gesellschaftsschichten (vereinzelt sogar Adelige) angehörten, bekannte sich jedoch zur Gewaltlosigkeit und erduldete die Verfolgungen ohne Widerstand.

Der erste Wiedertäufer in Wien, Caspar Tauber (hingerichtet 1524), war ein Einzelgänger; eine Gemeinschaft entstand hier erst ab 1526 (Agitation des Hans Hut, hingerichtet in Augsburg 1527). Mit dem Generalmandat Erzherzog Ferdinands für die habsburgischen Erbländer 1528 begann die Verfolgung von Amts wegen (10. März 1528 Verbrennung des aus Nikolsburg überstellten Wiedertäufers Dr. Balthasar Hubmaier in Erdberg), wobei zunächst Bekehrung und Widerruf angestrebt wurden; erst bei Verweigerung schritt man zur Todesstrafe. 1536 gab es in Wien drei Hinrichtungen, 1545 eine, 1546 fünf, 1549 und 1550 je eine.

Zum stillschweigend geduldeten Refugium für die Wiedertäufer wurde Mähren, wo zahlreiche Wiedertäufer-Gemeinschaften sich auf bestimmte Handwerkssparten spezialisierten. Erst 1622 wurden sie auch dort ausgewiesen. Aus ihren Resten bildeten sich die noch heute bestehenden Religionsgemeinschaften der Mennoniten und der Hutterer.

Literatur

  • Johann Loserth: Die Wiedertaufe in Niederösterreich von ihren Anfängen bis zum Tode Balthasar Hubmaiers (1525-1528). In: Blätter für Landeskunde von Niederösterreich Neue Folge 23 (1899), S. 417 ff.
  • Ernst Tomek: Kirchengeschichte Österreichs. Innsbruck / Wien: Tyrolia 1949, S. 219, 240, 266, 282 ff., 289
  • Theodor Wiedemann: Geschichte der Reformation und Gegenreformation im Lande unter der Enns. Band l. Prag: Tempsky 1879, S. 38 f., 47 ff.
  • Theodor Wiedemann: Geschichte der Reformation und Gegenreformation im Lande unter der Enns. Band 2. Prag: Tempsky 1880, S. 59
  • Adolf Mais: Gefängnis und Tod der in Wien hingerichteten Wiedertäufer in ihren Briefen und Liedern. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 19/20 (1963/1964), S. 87 ff.
  • Gustav Reingrabner: Protestanten in Österreich. Geschichte und Dokumentation. Wien / Köln / Graz: Böhlau 1981, S. 25 ff.
  • Wiener Stadt- und Landesarchiv, Hauptarchivakt B 571 (1589)
  • Kurt Galling [Hg.]: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Band 1. Tübingen: J.C.B. Mohr 1986 (UTB für Wissenschaft: Große Reihe)