Raimund Titsch

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Daten zur Person
Personenname Titsch, Raimund
Abweichende Namensform
Titel
Geschlecht männlich
PageID 362591
GND
Wikidata
Geburtsdatum 23. April 1897
Geburtsort Wien
Sterbedatum 9. März 1968
Sterbeort Wien
Beruf Fabriksdirektor
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Gedenktage
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Recherche
Letzte Änderung am 5.12.2023 durch DYN.gzemann
Begräbnisdatum 14. März 1968
Friedhof Ober-St.-Veiter Friedhof
Grabstelle Gruppe T, Reihe 12, Nummer 19

Es wurden noch keine Adressen zu dieser Person erfasst!

Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Gerechter unter den Völkern (Verleihung: 18. Februar 1964)


Raimund Titsch, * 23. April 1897 Wien (Kauergasse 8), † 9. März 1968 Wien, Fabriksleiter.

Biografie

Als Leiter der Fabriken von Julius Madritsch wurde er dessen wichtigster Mitstreiter bei der Rettung von Jüdinnen und Juden im sogenannten Generalgouvernement, dem besetzten Polen. Hauptaufgabe von Titsch war es, sich um die Alltagsprobleme der jüdischen Arbeiter zu kümmern und den Kontakt zwischen den Zwangsarbeitern und der Außenwelt aufrecht zu erhalten.

1941 erhielt Madritsch die Erlaubnis, im Ghetto selbst eine weitere Fabrik einzurichten. Gemeinsam mit Titsch und in Zusammenarbeit mit dem Judenrat des Ghettos bemühte er sich, so viele jüdische Arbeitskräfte wie möglich anzustellen. Nur etwa 40 Prozent der rund 800 Arbeiter waren gelernte Kräfte; bis zu drei Personen arbeiteten an der selben Maschine.

Titsch und Madritsch kümmerten sich um menschliche Arbeitsbedingungen und zusätzliche Nahrungsmittel für die Zwangsarbeiter. Sie richteten sogar eine koschere Küche in der Fabrik ein. Durch die Herstellung von Nähmaterial für andere Werkstätten konnte tausenden weiteren Juden geholfen werden.Im Ghetto Tarnow eröffnete der Textilfachmann eine Filiale, in der abermals 800 Personen beschäftigt (und somit versorgt) werden konnten. Der Lieferwagen der Fabrik wurde mit Wissen von Madritsch und Titsch auch dazu genutzt, um Essen in das Ghetto zu schmuggeln. Gemeinsam mit dem für die Bewachung zuständigen Wiener Polizisten Oswald Bosko verhalfen sie wiederholt Juden zur Flucht. Bosko wurde deshalb 1944 verhaftet und hingerichtet.

Als Madritsch 1942 von der geplanten Deportation aller Kinder aus dem Krakauer Ghetto erfuhr, unterstützte ihn sein Fabrikleiter dabei, Kinder in die Fabriken zu schmuggeln, von wo aus sie bei polnischen Familien versteckt werden konnten. Anderen jüdischen Familien ermöglichte das Duo die Flucht über die Slowakei nach Ungarn. Auf die selbe Art und Weise konnten Jüdinnen und Juden nach Auflassung und Räumung des Gettos Krakau im März 1943 gerettet werden.

Die nach der Auflösung des Ghettos im Konzentrationslager Plaszow internierten jüdischen Arbeiter Madritschs konnten vorerst auf dessen Ansuchen noch zu Fuß in die Tarnower Fabrik kommen. Als dies verboten wurde, verlegte er die Fabrik auf das Lagergelände und verteilte zusätzliche Nahrungsmittel als angeblichen "Bonus für gute Leistungen" im Geheimen auch an andere Lagerinsassen. Titsch organisierte die Beschaffung und Verteilung der Lebensmittelpakete und überbrachte den Gefangenen auch Nachrichten des englischen "Feindsenders" über die aktuelle Kriegslage.

Im September 1944 wurde das Lager Plaszow aufgelöst. Um die Arbeiter vor der Deportion in Vernichtungslager zu retten, beantragte Madritsch vergeblich die Einstufung der Fabriken als "kriegswichtige Produktionsstätten" und deren Verlegung in ein anderes Gebiet. Ihm und Tritsch gelang es aber, ungefähr hundert ihrer Arbeiter in der Munitionsfabrik von Oskar Schindler unterzubringen und vor der Ermordung zu retten.

Yad Vashem verlieh ihm und Julius Madritsch im Februar 1964 die Auszeichnung "Gerechter unter den Völkern". Im Jänner 2022 strahlte der ORF im Rahmen der Reihe "Menschen und Mächte" eine Dokumentation über "Die drei Gerechten" (Madritsch, Titsch, Bouska) aus.

Literatur

  • Denise Blümel: Gerechte unter den Völkern. Judenretter in Österreich zur Zeit des Nationalsozialismus. Diplomarbeit, Univ. Graz 2019, S. 83-92
  • Erika Weinzierl: Zu wenig Gerechte. Österreicher und Judenverfolgung 1938 – 1945. 4., erw. Aufl. Graz/Wien/Köln: Styria 1997, S. 218-223
  • Daniel Fraenkel/Jakob Borut (Hg.): Lexikon der Gerechten unter den Völkern. Deutsche und Österreicher. Göttingen: Wallstein Verlag 2005, S. 364-366
  • ORF: Im Schatten von “Schindlers Liste”, 19.01.2022 [Stand: 12.05.2022]

Weblinks