Hansgraf

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Daten zum Begriff
Art des Begriffs Berufsbezeichnung
Andere Bezeichnung
Frühere Bezeichnung
Nachweisbar von
Nachweisbar bis
Objektbezug Mittelalter, Frühe Neuzeit
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 10.01.2020 durch WIEN1.lanm08son


Hansgraf (im 17. Jahrhundert verballhornt in Handgraf), ein Handelsrichter, der im Mittelalter die ausländischen Kaufleute unter Zugrundelegung der landesfürstlichen Privilegien zu überwachen hatte und etwa hinsichtlich der Respektierung des Wiener Stapelrechts oder bei der Kontrolle des Einfuhrverbots für ausländischen Wein beziehungsweise beim Rosshandel als oberste Instanz fungierte; ihm oblag die Überwachung der Einhaltung aller den Außenhandel betreffenden Bestimmungen.

Das (ursprünglich städtische, später landesfürstliche) Amt bestand kontinuierlich vom 13. Jahrhundert bis zu seiner Auflösung 1784, wenngleich sich die Aufgabenbereiche den jeweiligen Erfordernissen anpassten. Im 13. und 14. Jahrhundert gehörte der Hansgraf dem Stadtrat an; manchmal übte der Bürgermeister das Amt selbst mit aus (zum Beispiel 1365). Die Hansgrafenordnungen von Ladislaus Postumus (1453) und Friedrich III. (1480) sind vermutlich die ältesten, in denen die Hansgrafen als landesfürstliche Amtsträger bezeichnet werden. Zur Amtsführung verfügte der Hansgraf über eine Anzahl berittener Knechte (Überreuter, Überreiter), die den Dienstbereich zu kontrollieren und zu verhindern hatten, dass dem landesfürstlichen Gefälle Schaden erwuchs. Den Erlös konfiszierter Waren behielt er teils selbst, teils hatte er ihn an den Landesfürst abzuführen. Aus dem 16. und 17. Jahrhundert sind sowohl Ordnungen wie auch Instruktionen für die Beamten erhalten.

Im 18. Jahrhundert wurde der Behördenapparat komplizierter, und die Zahl der Beamten stieg an (Oberkollektanten, Überreiter, Revisoren, aber auch Zimenter, die für Maße und Gewichte verantwortlich waren); das Amt entwickelte sich zu einer Art Zollamt, das auch Strafen für Verstöße (Einfuhr unverzollter Waren) verfügte und einhob. Im Sinne einer von Maria Theresia angestrebten Zolleinheit der Erbländer erwies sich das Amt ab den Siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts als nicht mehr zeitgemäß und wurde schließlich von Joseph II. 1784 aufgelöst.


Literatur

  • Luschin von Ebengreuth: Münzwesen. In: Geschichte der Stadt Wien. Hg. vom Altertumsverein zu Wien. Band 2/2: Albert Starzer: Von der Zeit der Landesfürsten aus habsburgischem Hause bis zum Ausgange des Mittelalters. Wien: Holzhausen 1905, S. 829 f.
  • Jakob Ebner: Wörterbuch historischer Berufsbezeichnungen. Berlin / Boston: de Gruyter 2015, S. 283 (Handgraf)
  • Gerlinde Moeser-Mersky: Notizen über eine vergessene Behörde. Das Wiener Hansgrafamt und sein Beamter Ignaz Meser. In: Das Waldviertel 38 (1989), S. 235 ff.
  • Rudi Palla: Verschwundene Arbeit. Ein Thesaurus der untergegangenen Berufe. Reprint der limitierten Bleisatzausgabe. Frankfurt am Main: Eichborn 1994 (Die andere Bibliothek, 115), S. 132
  • Leopold Sailer: Die Wiener Ratsbürger des 14. Jahrhunderts. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1931 (Studien aus dem Archiv der Stadt Wien, 3/4), S. 25
  • Gerlinde Sanford: Wörterbuch von Berufsbezeichnungen aus dem siebzehnten Jahrhundert. Gesammelt aus den Wiener Totenprotokollen der Jahre 1648-1668 und einigen weiteren Quellen. Bern / Frankfurt am Main: Lang 1975 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur, 136), S. 43 (Handgraf)