Gedenktafel Zentrum der Wehrmachtsjustiz

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Gedenktafel (2023)
Daten zur Erinnerung
Art des Erinnerns Gedenktafel
Status existiert
Gewidmet
Datum von 2023
Datum bis
Stifter
Art des Stifters
Architekt
Standort Fassade
Ortsbezug
Bezirk 1
Historischer Bezug Nationalsozialismus
Thema der Erinnerung
Gruppe GegnerInnen, Alliierte und widerständige Soldaten
Geschlechtsspezifik Beide
PageID 365472
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle
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Letzte Änderung am 26.01.2023 durch WIEN1.lanm07lin
Bildname Zentrum der Wehrmachtsjustiz-Gedenktafel-Stubenring.jpg
Bildunterschrift Gedenktafel (2023)
  • Stubenring 1

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48° 12' 35.35" N, 16° 22' 58.21" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Am 23. Jänner 2023 wurde an der Fassade des Regierungsgebäudes am 1., Stubenring 1 eine Gedenktafel enthüllt, die an die Geschichte des Gebäudes in den Jahren 1938-1945 sowie an die Verfolgten der NS-Militärjustiz erinnert. Das heutige Regierungsgebäude war zentrale Schaltstelle der nationalsozialistischen Wehrmachtsjustiz und damit Teil des nationalsozialistischen Terror- und Unrechtssystems. Die Enthüllung der Gedenktafel fand im Rahmen einer Gedenkveranstaltung sowie eines Sympoisums statt, neben zahlreichen anderen sprach Bundesminister Johannes Rauch einleitende Worte.

Die Inschrift der Tafel lautet:

"Zentrum der
Wehrmachtsjustiz
Regierungsgebäude | 1010 Wien, Stubenring 1

Das Regierungsgebäude, heute Sitz mehrerer Ministerien, war von
1938 bis 1945 zentrale Schaltstelle der Wehrmachtsjustiz und
damit Teil des nationalsozialistischen Terror- und Unrechtssystems.

Geschichte des Gebäudes
Das Gebäude wurde als k. u. k. Reichskriegsministerium errichtet und 1913 fertiggestellt. Hier hatten zentrale Stellen des Heeres der Monarchie ihren Sitz, darunter der Generalstab. Maßgebliche Entscheidungen während des Ersten Weltkriegs wurden hier getroffen. Nach der Ausrufung der Ersten Republik im Herbst 1918 wurde hier der Aufbau des Bundesheeres administriert, am 12. November 1924 der erste Radiosender Österreichs (RAVAG) installiert. Das Haus war Schauplatz praktisch aller bedeutsamen innenpolitischen Ereignisse bis 1945, so bei der Etablierung des Austrofaschismus (1933), beim nationalsozialistischen Putschversuch (1934), beim 'Anschluss' (1938) und bei der Befreiung (1945). Seit 1945 beherbergt es durchwegs zivile Ministerien.

Zentrum der Wehrmachtsjustiz
Von diesem Gebäude aus vollzogen die Befehlshaber der deutschen Wehrmacht nach dem 'Anschluss' 1938 die Gleichschaltung und Integration des österreichischen Bundesheeres in die nationalsozialistischen Streitkräfte. Hier liefen alle Fäden der NS-Militärjustiz zusammen, bis zur Befreiung blieb der Ort Dreh- und Angelpunkt der militärischen Verfolgung. Die Juristen am Stubenring etablierten in kurzer Zeit eine politisch willfährige Justiz und schworen Richter, Justizpersonal und Offiziere auf die kommenden Eroberungskriege und den Vollzug der neuen Rechtsordnung ein. Allein in Wien wurde rund ein Dutzend Heeres- und Luftwaffengerichte installiert. Während des Zweiten Weltkriegs gerieten abertausende Soldaten und Offiziere, aber auch Zivilpersonen, die der Desertion, der 'Wehrkraftzersetzung', des Kriegsverrats und anderer Delikte verdächtig erschienen, in den Fokus der Militärgerichte. Die Richter und Ankläger der Wehrmacht ordneten Verhöre und Folter an, sprachen Zuchthaus- und Gefängnisstrafen aus, ließen die Verurteilten in Straflager oder sogenannte Bewährungseinheiten einweisen. Viele tausend Mal verhängten die Richter die Todesstrafe. Die Bestätigung der Urteile fiel den Kommandeuren und Befehlshabern in ihrer Eigenschaft als sogenannte Gerichtsherren zu; deren Büros befanden sich zum Teil im Haus am Stubenring. In Wien unterhielt die Wehrmacht zumindest sechs Gefängnisstandorte sowie zwei Hinrichtungsorte. Am Militärschießplatz Kagran (im heutigen Donaupark) wurden Todesurteile durch Erschießung vollstreckt, im Landesgericht I (dem heutigen Landesgericht für Strafsachen Wien) durch Enthauptung und Erhängen.

Gesetz und Denkmal
Der Prozess zur juristischen Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren und anderen Opfern der NS-Militärjustiz nahm erst in den späten 1990er Jahren seinen Anfang. Nach langen Auseinandersetzungen beschloss der österreichische Nationalrat im Herbst 2009 das Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz und hob dadurch, 64 Jahre nach Kriegsende, alle Urteile der Wehrmachtsjustiz pauschal auf. Auch im öffentlichen Raum fanden die Diskussionen um die 'ungehorsamen Soldaten' ihren Niederschlag. Seit Herbst 2014 erinnert das Denkmal am Wiener Ballhausplatz an die Verfolgten der NS-Militärjustiz und würdigt an diesem zentralen und symbolisch bedeutungsvollen Ort der Republik die Leiden und Leistungen jener Menschen, die auf individueller Ebene dazu beitrugen, der NS-Herrschaft und dem Krieg ein Ende zu setzen.

Im Gedenken an die Verfolgten.
2023