Carlo Balochino
Carlo Balochino, * 1770 Vercelli (Italien), † 15. Juni 1851 Mailand (Italien), Theaterdirektor.
Biografie
Herkunft und frühe Jahre
Carlo Balochino, dessen wirklicher Name Carlo Balocco war, wurde 1770 in Vercelli als Sohn eines Apothekers geboren. Balochino trat zunächst seinen Dienst im napoleonischen Militär an und war als Schneider tätig. Ab 1802 war er am Aufbau des Glücksspiels in Mailand beteiligt und übernahm gemeinsam mit Domenico Barbaja das Glücksspielmonopol. 1806 zog er nach Venedig und war gemeinsam mit Giuseppe Crivelli Inhaber von Spielbanklizenzen in Mailand, Laibach, Klagenfurt, Görz und Fiume. In den Jahren 1807, 1809/10, 1813, 1820/21 hatte er die Leitung des Teatro La Fenice in Venedig inne und von 1820 bis März 1821 gemeinsam mit Giuseppe Crivelli jene der Scala in Mailand. Im Herbst 1826 wurde er der Stellvertreter Domenico Barbajas, der die Mailänder Scala gepachtet hatte. 1835 war er Leiter in Florenz und von 1836 bis 1844 gemeinsam mit Bartolomeo Merelli erneut in der Scala in Mailand sowie Pächter des Kärntnertortheaters in Wien, wo sie Domenico Barbaja nachfolgten.
Leitung des Kärntnertortheaters
Balochino war überwiegend für die wirtschaftlichen Belange und Merelli für den künstlerischen Bereich verantwortlich. Im März jedes Jahres kündigten beide Pächter an, welche Künstler von ihnen engagiert worden waren und welche Opern am Programm standen. Balochinos Beliebtheit in der Wiener Gesellschaft war bereits von Anfang an nicht groß. Zu Beginn ihrer Führung hatten Balochino und Merelli verlautbaren lassen, dass ihre Leitung am 4. April 1836 mit italienischen Opern und Ballett anfangen würde und im Juli 1836 bis Ostern 1837 auch deutsche Opern und Ballett aufgeführt würden. Vor allem die angebliche und in der Presse propagierte Vernachlässigung deutscher und die Bevorzugung italienischer Opern sorgte für Missstimmung. Untersuchungen zum Aufführungsspiegel belegen einen ausgewogenen Spielplan und die Tatsache, dass die Führung Balochino/Merelli italienische Opern nicht mehr bevorzugte als ihre Vorgänger oder Nachfolger. Vielmehr war zum einen Balochinos italienische Herkunft im nationalistisch gestimmten Österreich des Vormärz verhasst, zum anderen wurde sein beruflicher Werdegang, der als Schneider begann, als unwürdig betrachtet, um an der Spitze des renommierten kaiserlichen Kulturinstitutes stehen zu können. 1844 ging sein Vertrag erstmals zu Ende und Balochino reichte, weil er mit der Bezahlung nicht zufrieden war, die Kündigung seines Pachtvertrags ein, die zunächst auch angenommen wurde. Schließlich wurde der Pachtvertrag mit einer höheren Unterstützung, die nun 100.000 Gulden statt 75.000 Gulden betrug, und unter der Voraussetzung, in Zukunft mehr deutsche Opern zu spielen, um weitere zwei Jahre verlängert.
1847 kam es zu einer erneuten Vertragsverlängerung um drei Jahre, allerdings war weiterhin die öffentliche Meinung vorherrschend, dass deutsche Opern missachtet würden und die Rufe nach einer österreichischen Führung des Kärntnertortheaters wurden immer lauter. Nach Ausbruch der Revolution am 13. März und der folgenden Kriegserklärung des Königs Carlo von Piemont verschärfte sich die anti-italienische Stimmung in Wien. Die Wiener wurden zum Boykott des Kärntnertortheaters aufgerufen, die italienische Saison wurde vom Innenminister Freiherr von Pillersdorf abgesagt und die Vorkommnisse in der Presse heftig diskutiert. Zudem waren Italiener Beschimpfungen und körperlichen Angriffen ausgesetzt. Balochino, der selbst anonyme Drohbriefe erhielt, beugte sich schließlich der öffentlichen Meinung und trat als Direktor des Kärntnertortheaters zurück. Merelli blieb alleine zurück und setzte sich die nächsten Jahre für eine Wiederaufnahme der italienischen Opernaufführungen ein, was erst 1851 wieder gelang. Balochino hingegen kehrte nach Italien zurück und starb am 15. Juni 1851 in Mailand.
Die Presse begrüßte seinen Abgang zwar mit großem Enthusiasmus, das Kärntnertortheater war in den Monaten nach Balochinos Abgang aber schlecht besucht. Auch wenn nicht alle Vorhaben der Ära Balochino/Merelli erfolgreich waren, gestaltete sich die Zeit ihrer Führung nicht ganz so unerfolgreich, wie es zeitgenössische Presseartikel glauben lassen. Kritiken und die negative, ablehnende Haltung gegenüber den italienischen Direktoren sollte vor dem Hintergrund einer nationalistisch geprägten und Italien-feindlichen Grundstimmung gesehen werden.
Ein 374 Inventarnummern umfassender Nachlass Balochinos, der vor allem sein berufliches Wirken in Wien dokumentiert, befindet sich in der Wienbibliothek im Rathaus. Exzerpte mit Übersetzungen zu den überwiegend in italienischer Sprache verfassten Briefen finden sich in einem Beschreibenden Verzeichnis, das 1919 von der Handschriftensammlung der damaligen Wiener Stadtbibliothek herausgegeben wurde.
Quellen
- Wienbibliothek im Rathaus: Nachlass Carlo Balochino
- Wienbibliothek Digital: Carlo Balochino
- ANNO: Allgemeiner Musikalischer Anzeiger, 07.04.1836, S. 56
- ANNO: Signale für die musikalische Welt, 1844, S. 133
- ANNO: Neue Zeitschrift für Musik, 08.08.1845, S. 48
- ANNO: Allgemeine musikalische Zeitung, 12.05.1847, S. 321
- ANNO: Berliner Musikzeitung, 29.12.1847, S. 434
- ANNO: Wiener allgemeine Musik-Zeitung, 06.04.1848, S. 165
- ANNO: Wiener Allgemeine Musik-Zeitung, 18.04.1848, S. 188
- ANNO: Wiener Allgemeine Zeitung, 28.03.1882, S. 2
- Beschreibendes Verzeichnis der Briefe. Herausgegeben von der Gemeinde Wien. 1 Band. Abegg bis Balochino. Wien: Gerlach & Weidling 1919
Literatur
- Michael Jahn [Hg.]: Die Wiener Hofoper von 1836 bis 1848: Die Ära Balochino/Merelli. Wien: Der Apfel 2004
- Weber Gesamtausgabe: Balochino, Carlo [Stand: 13.12.2023]
- Wikipedia: Carlo Balochino [Stand: 13.12.2023]
- Österreichisches Musiklexikon Online: Balocchino, Carlo [Stand: 13.12.2023]
- Österreichisches Musiklexikon Online: Kärntnertortheater [Stand: 13.12.2023]
- Verzeichnis der künstlerischen, wissenschaftlichen und kulturpolitischen Nachlässe in Österreich: Carlo Balochino [Stand: 19.12.2023]
Carlo Balochino im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.