Anna-Lülja Praun

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Daten zur Person
Personenname Praun, Anna-Lülja
Abweichende Namensform Simidoff, Anna-Lülja
Titel
Geschlecht weiblich
PageID 43086
GND 119377381
Wikidata Q559057
Geburtsdatum 29. Mai 1906
Geburtsort St. Petersburg
Sterbedatum 28. September 2004
Sterbeort Wien
Beruf Architektin, Designerin
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Gedenktage
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Recherche
Letzte Änderung am 18.10.2023 durch WIEN1.lanm09fri
Begräbnisdatum
Friedhof Friedhof Grinzing
Grabstelle Gruppe 4, Nummer 26
  • 8., Bennogasse 3 (Wirkungsadresse)
  • 8., Bennogasse 8 (Wirkungsadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Preis der Stadt Wien für Angewandte Kunst (Verleihung: 1981)
  • Ehrenmitgliedschaft der Österreichischen Gesellschaft für Architektur (Verleihung: 1987)
  • Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse (Verleihung: 2001)
  • Ehrendoktorat der Technischen Wissenschaften an der TU Graz (Verleihung: 2002)

Anna-Lülja Praun, * 29. Mai 1906 Sankt Petersburg, † 28. September 2004 Wien, Architektin, Designerin.

Biographie

Anna-Lülja Simidoff kam am 29. Mai 1906 in Sankt Petersburg als Tochter der russischen Gynäkologin Alexandra Baranoff (geboren 1872) und des bulgarischen Juristen und Verlegers Boris Simidoff (1876 bis 1925) zur Welt. Die Eltern hatten sich in russischen Exilantenkreisen in der Schweiz kennengelernt, wo Boris Simidoff in Genf Rechtswissenschaften studierte. Um ihr Studium anzuschließen, kehrte Alexandra Baranoff aus dem Exil nach St. Petersburg zurück. Dort wurde ihre Tochter Anna geboren. Die Schwester Natascha kam 1908 zur Welt und 1909 zog die Familie nach Sofia.

Anna-Lülja Simidoff wuchs mit den Sprachen Russisch, Bulgarisch und Deutsch auf und inskribierte sich 1924 an der Grazer Technischen Hochschule an der Fakultät für Architektur. Als einzige Frau ihres Jahrgangs − Studentinnen waren erst seit 1919 an der Hochschule zugelassen − studierte sie bei Ferry Zotter und Wunibald Deininger. Bereits während ihres Studiums arbeitete sie von 1930 bis 1936 im Atelier des steirischen Architekten Herbert Eichholzer, eines deklarierten Anhängers der internationalen Avantgarde und überzeugten Sozialisten, mit dem sie auch zusammenlebte. Beide wurden im Zusammenhang mit den Februarkämpfen 1934 kurz inhaftiert.

1937 war sie im Atelier von Clemens Holzmeister in Wien tätig, wo sie ihren späteren Ehemann Richard Praun kennenlernte – einen aus einer Tischlerdynastie stammenden Architekten. Sie war beteiligt an Projekten für das Parlament in Ankara und das Festspielhaus in Salzburg und beendete am 5. Juli 1939 ihr Studium in Graz.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1938 wurde Simidoff erneut verhaftet, aber noch am selben Tag wieder freigelassen. Über Berlin und Triest reiste sie nach Paris, wo ihre Mutter bei der jüngeren Tochter Natascha lebte. Vier Wochen nach ihrer Ankunft in Frankreich brach der Zweite Weltkrieg aus und Simidoff ließ sich in Bulgarien nieder, um die Mutter aufnehmen zu können, falls diese aus Frankreich ausgewiesen würde. Erst 1942 kam sie wieder nach Wien zurück. Dort heiratete sie Richard Praun und brachte im selben Jahr die Tochter Svila zur Welt. 1943 ging die Familie in die Steiermark, um sich in den Kriegsjahren ein Überleben zu sichern. In diesem Jahr wurde Anna-Lülja Prauns ehemaliger Lebensgefährte Herbert Eichholzer vom NS-Regime als "Kommunist" ermordet.

1947 kehrte Anna-Lülja Praun nach Wien zurück und arbeitete an der Wiederherstellung des im Krieg schwer beschädigten Schlosses Belvedere in Wien mit. Mit Richard Praun entwarf sie Möbel und verwirklichte gemeinsame Arbeiten. Nach der Trennung von Praun 1952 eröffnete sie ihr eigenes Atelier in Wien. Sie entwarf Häuser, Einrichtungen, Geschäfte, Möbel, Beleuchtungskörper und Keramik (diese gemeinsam mit Gudrun Baudisch). Von 1953 bis 1959 führte sie gemeinsam mit Leo Calice-Kalmar das 1925 von Josef Frank und Oskar Wlach gegründete Einrichtungshaus "Haus und Garten".

Nach der Schließung des Einrichtungshauses übersiedelte sie mit ihrem Atelier von der Bennogasse 3 in die Bennogasse 8. Fast alle Aufträge erledigte Praun ohne Hilfe von Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter. Ihre Atelierwohnung führte sie wie einen Salon, als kreatives Zentrum der Gastfreundschaft.

Anna-Lülja Praun starb am 28. September 2004 in ihrem Haus in der Josefstadt in Wien. Anlässlich ihres 100. Geburtstags wurde 2006 an ihrem langjährigen Wohn- und Arbeitshaus eine Gedenktafel angebracht.

Oliver Elser schrieb 2004 in seinem Nachruf für die Tageszeitung "Der Standard": "Wahrscheinlich war ihr Werk deswegen so lange nur wenigen bekannt, weil sie sich einem der Grundprinzipien der Moderne so strikt verweigerte. Anna-Lülja Praun hat niemals Möbel für die Massenproduktion entworfen. Während andere davon träumten, die Welt mit gut gestalteten Produkten vom Fließband zu verbessern, begann sie erst dann zu arbeiten, wenn sich zwischen ihr und den Auftraggebern ein Verhältnis etablieren ließ, das es ermöglichte, für einen so intimen Bereich wie die Wohnung maßgeschneiderte Einrichtungen zu gestalten". Sie selbst hatte als Motto: "Die Gültigkeit der Form muss so lange währen, wie das Material hält."


Literatur

Weblinks