Alltag in Wien in der Besatzungszeit

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Kinder beim Essen, 07. November 1945
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Der Alltag in Wien in der Nachkriegszeit war von den Notwendigkeiten zum Überleben geprägt. Dazu zählte die Besorgung von Nahrungsmitteln, beschädigte Wohnungen wieder bewohnbar zu machen und die Beschaffung von Informationen. Maßgeblich beeinflusst wurde der Alltag von der Alliierten Besatzung (1945 bis 1955). Die Ausnahmesituation der ersten Nachkriegsmonate kennzeichnete Gewalt gegen Personen und Plünderungen. Zudem übten die Besatzungsmächte durch ihre Autorität Einfluss auf die österreichische und Wiener Politik und somit auch auf die Bevölkerung aus (Alliierte und die Wiener Verwaltung). Der Alltag in der Nachkriegs-und Besatzungszeit war überdies stark von den Folgen des Zweiten Weltkriegs geprägt.

Alltagsprobleme

Der Alltag Wiener Bevölkerung in der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges war von den ersten Nachkriegswochen an bis in das Jahr 1947 vor allem durch den Mangel an allernotwendigsten Verbrauchsgütern gekennzeichnet. Neben zum Überleben nicht ausreichenden Lebensmittelrationen die durch Käufe am Schwarzmarkt oder Hamsterfahrten ergänzt werden mussten fehlte es an Kleidung, Schuhen, Seife. Es gab offizielle Eintauschstellen, wie Tauschhandel und illegalen Handel über den Schwarzmarkt. Der Mangel an Kohle oder Holz machte sich vor allem in den ersten beiden Nachkriehswintern bemerkbar (Energieversorgung im Nachkriegswien).

Eine zentrale Herausforderung in der Besatzungs- und Nachkriegszeit stellte der Wiederaufbau der Stadt dar. Schäden bei Gebäuden, Strom-, Gas- und Telefonleitungen sowie Kanälen mussten ebenso wie der zahlreiche Schutt und Müll beseitigt werden. Hier spielte auch der anfangs noch nicht voll funktionsfähige Verwaltungsapparat, der wieder errichtet werden musste, eine Rolle. Nach umfangreichen bereits Mitte April 1945 begonnenen Wiederinstandhaltungsarbeiten konnte im Jahr 1945 die Stromabgabe auf dem Niveau von etwa 50 Prozent des Jahres 1944 gehoben werden. Erhebliche Probleme verursachten die großen Schwankungen der Kohlen- und Erdgaslieferungen. Für die Bevölkerung bedeutete das Rationierungen in Form von Strom- und Gasabschaltungen.

Zu Kriegsende waren die städtischen Wasserwerke nur noch zu einem Drittel betriebsfähig. Über 4.300 Kriegsschäden bestanden am Rohrnetz. Es gelang jedoch durch den Einbau provisorischer Leitungen den Wasserzufluss nach Wien nie länger als 48 Stunden unterbrechen zu müssen. Bis Dezember 1945 waren die beiden Hauptzuleitungen wieder vollständig wiederhergestellt.

Die bald nach Kriegsende auftretenden Epidemien (Ruhr, Typhus, Fleckfieber) ließen die Sterblichkeit deutlich ansteigen. Die gesundheitlichen und sanitären Probleme ließen sich durch die teilweise beschädigte Spitalsinfrastruktur, den Mangel an Ärzten und Pflegepersonal und die schlechte Versorgung von Spitälern nur unzureichend bekämpfen. Von Seiten der Alliierten Besatzung kam einerseits Hilfe durch Medikamentenlieferungen, wie auch gesundheitliche Bedrohungen durch Morde, Vergewaltigungen und die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten vorrangig begangen durch sowjetische Soldaten.

Kulturbetrieb

In den ersten Nachkriegsmonaten prägte die alleinige Besatzungsmacht Sowjetunion den Kultubetrieb. Als erstes Kino eröffnete das Apollo-Kino mit dem russischen Film "Iwan der Vierte" am 27. April 1945. Der Kulturbetrieb der Nachkriegszeit stand auch später unter dem starkem Einfluss der Alliierten, besonders der westlichen Besatzungsmächte. US-amerikanische Filme, Musik und Freizeitkultur in Form von Jazz-Clubs, Country & Western-Darbietungen, aber auch Vernisagen im französischen Stil stellte Neuheiten dar.

Die heimische Kulturszene wurde bereits Ende April 1945 wieder aktiv. Das Burgtheaterensemble spielte im Ronacher Grillparzers "Sappho" und schon am 3. Mai wurde der Spielplan der Wiener Bühnen veröffentlicht. Die Aufführungen fanden aus Energiespargründen nachmittags statt. Am 29. Mai nahm die Universität Wien ihren Vorlesungsbetrieb wieder auf. Rasch entwickelte sich auch eine Kultur heimischer Kellertheater. Sportveranstalungen fanden bereits wieder im Sommer 1945 statt, unter anderem Freundschaftsspiele der österreichischen Fußballnationalmannschaft mit der französischen Mannschaft.

Siehe auch:

Literatur

  • Gustav Bihl, Gerhard Meißl, Lutz Musner: Vom Kriegsende 1945 bis zur Gegenwart. In: Wien. Geschichte einer Stadt. Bd. 3: Von 1790 bis zur Gegenwart. Hg. Von Peter Csendes, Ferdinand Opll. Wien / Köln / Weimar: Böhlau Verlag 2006, S. 545-815, hier: 551.
  • Angela Hareiter: "... man sollte Fleischfarben sein". Die Alltagskulisse bleibt, die Requisiten ändern sich. In: Liesbeth Waechter-Böhm (Hg.): Wien 1945 davor/danach. Wien: Verlag Christian Brandstätter 1985. S. 35-49.
  • Ela Hornung, Margit Sturm: Stadtleben. Alltag in Wien 1945 bis 1955. In: Österreich 1945-1955. Gesellschaft, Politik, Kultur. Hg. von Reinhard Sieder, Heinz Steinert, Emmerich Tálos.Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1995 (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik, 60), S. 54-67, hier: 54, 58 ff.
  • Manfried Rauchensteiner: Der Sonderfall. Die Besatzungszeit in Österreich 1945 bis 1955. Graz: Styria-Reprint 1995, S. 78.
  • Erika Thurner: Frauenleben 1945. In: Frauenleben 1945. Kriegsende in Wien. 205. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. Wien 1995. S. 10-24.