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− | Wien war im Heiligen Römischen Reich, das bis 1806 bestand, keine reichsunmittelbare Stadt, sondern war Teil des Herzogtums, später Erzherzogtums Österreich. Die Vertretung des Landes wurde im Mittelalter durch die [[Niederösterreichische Landstände|Landstände]] gebildet, in denen Wien einen Sitz in der Kurie der Städte und Märkte hatte. Der Landesfürst, also der (Erz-)Herzog von Österreich, war der Stadtherr. Von einem Stadtherrn kann man wohl erst ab dem Werden der Stadt sprechen, das mit dem ersten [[Stadtverfassung|Stadtrechtsprivileg 1221]] seinen Abschluss gefunden hat. Auch hat sich das ständische System erst im Lauf des 13. und 14. Jahrhunderts herausgebildet. | + | Wien war im [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]], das bis 1806 bestand, keine reichsunmittelbare Stadt, sondern war Teil des Herzogtums, später Erzherzogtums Österreich. Die Vertretung des Landes wurde im Mittelalter durch die [[Niederösterreichische Landstände|Landstände]] gebildet, in denen Wien einen Sitz in der Kurie der Städte und Märkte hatte. Der Landesfürst, also der (Erz-)Herzog von Österreich, war der Stadtherr. Von einem Stadtherrn kann man wohl erst ab dem Werden der Stadt sprechen, das mit dem ersten [[Stadtverfassung|Stadtrechtsprivileg 1221]] seinen Abschluss gefunden hat. Auch hat sich das ständische System erst im Lauf des 13. und 14. Jahrhunderts herausgebildet. |
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Der Stadtherr war oberster Gerichtsherr (siehe [[Stadtrichter]]) und garantierte für Sicherheit und Ordnung. In landesfürstlichen Privilegien wurde das Stadtrecht niedergelegt. Vertreter des Landesfürsten bei den Sitzungen des Stadtrates war der [[Stadtanwalt]]. Dieses Amt ist erstmals 1397 sicher nachweisbar. Darüber hinaus waren einige [[Mittelalterliche Ämter|landesfürstlichen Ämter]] für die Stadt von Bedeutung. | Der Stadtherr war oberster Gerichtsherr (siehe [[Stadtrichter]]) und garantierte für Sicherheit und Ordnung. In landesfürstlichen Privilegien wurde das Stadtrecht niedergelegt. Vertreter des Landesfürsten bei den Sitzungen des Stadtrates war der [[Stadtanwalt]]. Dieses Amt ist erstmals 1397 sicher nachweisbar. Darüber hinaus waren einige [[Mittelalterliche Ämter|landesfürstlichen Ämter]] für die Stadt von Bedeutung. | ||
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Weitere Eckpunkte dieses Übergangs sind das Gemeindestatut und die Aufhebung der Grundherrschaften im Gefolge der Revolution 1848 und schließlich die Auflösung der Stände 1861 (siehe dazu [[Stadtverfassung]] und [[Niederösterreichische Landstände]]). | Weitere Eckpunkte dieses Übergangs sind das Gemeindestatut und die Aufhebung der Grundherrschaften im Gefolge der Revolution 1848 und schließlich die Auflösung der Stände 1861 (siehe dazu [[Stadtverfassung]] und [[Niederösterreichische Landstände]]). | ||
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*Felix Czeike: Wien und seine Bürgermeister. Sieben Jahrhunderte Wiener Stadtgeschichte. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1974 | *Felix Czeike: Wien und seine Bürgermeister. Sieben Jahrhunderte Wiener Stadtgeschichte. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1974 | ||
*Klaus-Jürgen Matz: Wer regierte wann? Regententabellen zur Weltgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. München: dtv 62002 | *Klaus-Jürgen Matz: Wer regierte wann? Regententabellen zur Weltgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. München: dtv 62002 |
Aktuelle Version vom 26. Juni 2023, 09:22 Uhr
Wien war im Heiligen Römischen Reich, das bis 1806 bestand, keine reichsunmittelbare Stadt, sondern war Teil des Herzogtums, später Erzherzogtums Österreich. Die Vertretung des Landes wurde im Mittelalter durch die Landstände gebildet, in denen Wien einen Sitz in der Kurie der Städte und Märkte hatte. Der Landesfürst, also der (Erz-)Herzog von Österreich, war der Stadtherr. Von einem Stadtherrn kann man wohl erst ab dem Werden der Stadt sprechen, das mit dem ersten Stadtrechtsprivileg 1221 seinen Abschluss gefunden hat. Auch hat sich das ständische System erst im Lauf des 13. und 14. Jahrhunderts herausgebildet.
Der Stadtherr war oberster Gerichtsherr (siehe Stadtrichter) und garantierte für Sicherheit und Ordnung. In landesfürstlichen Privilegien wurde das Stadtrecht niedergelegt. Vertreter des Landesfürsten bei den Sitzungen des Stadtrates war der Stadtanwalt. Dieses Amt ist erstmals 1397 sicher nachweisbar. Darüber hinaus waren einige landesfürstlichen Ämter für die Stadt von Bedeutung.
Die ständische Ordnung und damit die Form der persönlichen Stadtherrschaft des Landesfürsten erodierte im 18. Jahrhundert. Stadtregierung und Stadtverwaltung wurden immer mehr in die bürokratischen Strukturen des Staates eingegliedert. Ein Meilenstein dabei war die Josephinische Magistratsreform, durch die die Stadt als bürgerliche Behörde eingerichtet wurde. Das Amt des Stadtanwaltes, der den Landesfürsten in den Ratssitzungen vertrat, wurde nach 1776 nicht mehr besetzt und im Zuge der Magistratsreform abgeschafft. Kaiser Franz wurden zwar zu seinem Regierungsantritt 1792 von der Stadt Wien ihre Freiheiten und Rechte zur Bestätigung vorgelegt, doch in der darauf vom Kaiser ausgestellten Urkunde wurde erklärt, dass viele der vorgelegten Rechte obsolet geworden seien beziehungsweise nicht mehr in die Gegenwart und das staatliche System passen würden.
Weitere Eckpunkte dieses Übergangs sind das Gemeindestatut und die Aufhebung der Grundherrschaften im Gefolge der Revolution 1848 und schließlich die Auflösung der Stände 1861 (siehe dazu Stadtverfassung und Niederösterreichische Landstände).
Albrecht I. verlieh Wien in seiner Eigenschaft als Stadtherr 1296 ein Stadtrecht. Es ist das älteste noch im original erhaltene Wiener Stadtrechtsprivileg
Im Eisenbuch wurden für Wien wichtige Rechtstexte eingetragen. Älteste Urkunde ist eine Verordnung des Stadtherren Friedrich I. von 1320. Die Eintragungen reichen kontinuierlich bis 1819.
Erste Seite der Pancarta mit angehängter Goldbulle des Kaisers und Stadtherren Friedrich III., ausgestellt am 5. Juli 1460
Schreiben des niederösterreichischen Appellationsgerichts über die Einführung der Magistratsreform vom 21. August 1783
Liste der Stadtherren
Stadtherr | Funktion | von | bis | Anmerkung | |
---|---|---|---|---|---|
Leopold VI. | Stadtherr | 1198 JL | 1230 JL | ||
Friedrich II. der Streitbare | Stadtherr | 1230 JL | 1246 JL | Aussterben der Babenberger im Mannesstamm. Nach seinem Tod kam es von 1246 bis 1251 zu einem Interregnum. | |
Ottokar II. Přemysl | Stadtherr | 1251 JL | 1276 JL | ||
Rudolf I. | Stadtherr | 1276 JL | 1282 JL | Herrschaftsübernahme durch die Habsburger | |
Albrecht I. (Österreich) | Stadtherr | 1282 JL | 1308 JL | Bereits 1281 als Reichsverweser eingesetzt. | |
Friedrich I. der Schöne | Stadtherr | 1308 JL | 1330 JL | ||
Albrecht II. (Österreich) | Stadtherr | 1330 JL | 1358 JL | ||
Rudolf IV. | Stadtherr | 1358 JL | 1365 JL | ||
Albrecht III. (Österreich) | Stadtherr | 1365 JL | 1395 JL | 1365-1379 gemeinsam mit Leopold III. | |
Albrecht IV. (Österreich) | Stadtherr | 1395 JL | 1404 JL | ||
Albrecht V. (Österreich) | Stadtherr | 1404 JL | 1439 JL | Als römisch-deutscher König 1438-1439 Albrecht II. 1404-1406 Vormundschaftsregierung durch Wilhelm 1406-1411 Vormundschaftsregierung durch Leopold IV., 1407-1409 Bruderzwist mit Ernst dem Eisernen | |
Ladislaus Postumus | Stadtherr | 1440 JL | 1457 JL | 1439/1440-1453 Vormundschaftsregierung durch Friedrich III. | |
Friedrich III. | Stadtherr | 1457 JL | 1493 JL | ||
Albrecht VI. (Österreich) | Stadtherr | 1462 JL | 1463 JL | Unterbricht die Herrschaft von Friedrich III., siehe Kampf um die Stadtherrschaft 1461-1463 | |
Matthias Corvinus | Stadtherr | 1485 JL | 1490 JL | Unterbricht die Herrschaft von Friedrich III. | |
Maximilian I. | Stadtherr | 1493 JL | 1519 JL | ||
Karl V. | Stadtherr | 1519 JL | 1521 JL | ||
Ferdinand I. (Heiliges Römisches Reich) | Stadtherr | 1521 JL | 1564 JL | ||
Maximilian II. | Stadtherr | 1564 JL | 1576 JL | ||
Rudolf II. | Stadtherr | 1576 JL | 1608 | ||
Matthias | Stadtherr | 1608 | 1619 | ||
Ferdinand II. (Heiliges Römisches Reich) | Stadtherr | 1619 | 1637 | ||
Ferdinand III. (Heiliges Römisches Reich) | Stadtherr | 1637 | 1657 | ||
Leopold I. | Stadtherr | 1657 | 1705 | ||
Joseph I. | Stadtherr | 1705 | 1711 | ||
Karl VI. | Stadtherr | 1711 | 1740 | Aussterben der Habsburger im Mannesstamm | |
Maria Theresia | Stadtherrin | 1740 | 1780 | ||
Joseph II. | Stadtherr | 1780 | 1790 | ||
Leopold II. | Stadtherr | 1790 | 1792 | ||
Franz II. (I.) | Stadtherr | 1792 | 1835 |
Literatur
- Felix Czeike: Wien und seine Bürgermeister. Sieben Jahrhunderte Wiener Stadtgeschichte. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1974
- Klaus-Jürgen Matz: Wer regierte wann? Regententabellen zur Weltgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. München: dtv 62002
- Richard Perger: Die Wiener Ratsbürger 1396 – 1526. Wien: Deuticke 1988 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 18)
- Herwig Wolfram [Hg.], Österreichische Geschichte. Wien: Ueberreuter 1995-2003
- Erich Zöllner: Geschichte Österreichs. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien / München: Österreichischer Bundesverlag [u.a.] 81990