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Paul Zifferer wurde als drittes Kind einer angesehenen jüdischen Familie in Nordmähren geboren. Seinem Vater Josef gehörte eine Branntweinbrauerei und Likörerzeugung in der Kleinstadt Bistritz am Holstein. Da Josef Zifferer schon 1897 starb, leitete die Mutter Julie Zifferer den Betrieb zusammen mit Pauls ältestem Bruder Bruno. Mutter und Bruder verstarben beide 1924 und ihrer beider Tod verstärkte nochmals das Gefühl des Heimatverlusts, den Zifferer schon seit dem Zerfall Österreich-Ungarns empfand. Pauls nur wenig jüngere Schwester Ida publizierte übrigens ebenfalls Novellen und Romane als Ida Zifferer, obgleich sie als Ehefrau des Oberstaatsbahnrats Dr. Karl Waldek unter seinem Namen in Wien lebte. In ihrem Hietzinger Haus etablierte sie einen künstlerischen Salon, in dem unter anderem Mitglieder der Wiener Künstlervereinigung Hagenbund zusammenkamen. Ihre Werk und Wirken sind heute gänzlich unbekannt; sie selbst wurde im [[Holocaust]] ermordet. | Paul Zifferer wurde als drittes Kind einer angesehenen jüdischen Familie in Nordmähren geboren. Seinem Vater Josef gehörte eine Branntweinbrauerei und Likörerzeugung in der Kleinstadt Bistritz am Holstein. Da Josef Zifferer schon 1897 starb, leitete die Mutter Julie Zifferer den Betrieb zusammen mit Pauls ältestem Bruder Bruno. Mutter und Bruder verstarben beide 1924 und ihrer beider Tod verstärkte nochmals das Gefühl des Heimatverlusts, den Zifferer schon seit dem Zerfall Österreich-Ungarns empfand. Pauls nur wenig jüngere Schwester Ida publizierte übrigens ebenfalls Novellen und Romane als Ida Zifferer, obgleich sie als Ehefrau des Oberstaatsbahnrats Dr. Karl Waldek unter seinem Namen in Wien lebte. In ihrem Hietzinger Haus etablierte sie einen künstlerischen Salon, in dem unter anderem Mitglieder der Wiener Künstlervereinigung Hagenbund zusammenkamen. Ihre Werk und Wirken sind heute gänzlich unbekannt; sie selbst wurde im [[Holocaust]] ermordet. | ||
− | Paul Zifferer selbst zog nach seiner Matura am Staatsgymnasium in Krumau (1897) nach Wien, um hier Rechtswissenschaften zu studieren. Studienaufenthalte führten ihn auch an die Pariser Sorbonne. | + | Paul Zifferer selbst zog nach seiner Matura am Staatsgymnasium in Krumau (1897) nach Wien, um hier Rechtswissenschaften - und womöglich auch Philosophie - zu studieren. Sein Onkel Donat Zifferer - Stadtbaumeister und als Vertreter der Liberalen seit 1895 im Wiener Gemeinderat - und seine Tante Rosa Zifferer - eine engagierte Feministin und Wohltäterin - standen dem Neffen aus der Provinz in seinen ersten Wiener Jahren zur Seite. Studienaufenthalte führten ihn später auch an die Pariser Sorbonne. In diesen Jahren begann Zifferer auch sein Netzwerk in der Welt des französischen und österreichischen Adels aufzubauen. Er war zuerst der Sekretär des Grafen Foucher de Careil in Wien und dann bei dem französischen Senator Baron de Caze. Den Grafen beschrieb Zifferer später als "Unikum" – dieser setzte seinen offenbar sprachbegabten österreichischen Sekretär ein, um Friedrich Schelling und Arthur Schopenhauer ins Französische zu übertragen. So arbeitete Paul Zifferer an deren ersten französischen Werkausgaben mit. Auch abseits davon zog es ihn zur Schriftstellerei - zu seinen ersten Texten gehörten "Das Märchen des Lebens" und "Der kleine Gott der Welt". 1905 promovierte Zifferer in Wien zum Doktor der Rechtswissenschaften und begann die Ausbildung zum Rechtsanwalt, entschied sich dann aber doch dafür, als Feuilletonist zur [[Neue Freie Presse|Neuen Freien Presse]] zu gehen. 1912 nahm Paul Zifferer etwa als Kriegsberichterstatter am Ersten Balkankrieg teil. Seine romantisierenden Schilderungen brachten ihm den Spott von [[Karl Kraus]] ein. |
− | + | In seinen Schriften setzte sich Zifferer wiederholt mit seiner jüdischen Herkunft und Familie auseinander. | |
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− | + | Während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] gab Zifferer die "Revue d'Autriche" heraus. Diese Zeitschrift hatte das Ziel, im Ausland über Österreich zu informieren. Nach dem Krieg berichtete er von den Verhandlungen zu den Pariser Vorortverträgen. Von Oktober 1919 bis zu seinem frühen Tod durch Krebs im Februar 1929 wirkte er als Presseattaché an der österreichischen Botschaft in Paris. Dabei nahm er auch Kulturagenden wahr und bemühte sich insbesondere um die Salzburger Festspiele. Der Literat vertrat Österreich auf kulturellen Großveranstaltungen wie dem "Weltkongress der dramatischen Schriftsteller und Komponisten" 1926 in Paris. | |
1955 wurde in Wien-[[Essling]] die [[Zifferergasse]] nach dem in Frankreich mehrfach geehrten Schriftsteller benannt. | 1955 wurde in Wien-[[Essling]] die [[Zifferergasse]] nach dem in Frankreich mehrfach geehrten Schriftsteller benannt. |
Version vom 26. Januar 2023, 15:21 Uhr
- Presseattaché der Österreichischen Gesandtschaft in Paris )
- Ehefrau Wanda Boral
- Vater Josef Zifferer
- Mutter Julie Zifferer
- Bruder Alfred Zifferer
- Bruder Bruno Zifferer
- Schwester Ida Waldek (Zifferer)
- Onkel Donat Zifferer
- Tante Rosa Zifferer
Paul Zifferer, * 9. März 1879 Bystritz am Hostein (Bystřice pod Hostýnem, Tschechische Republik), † 14. Februar 1929 Wien, Journalist, Schriftsteller, Dramatiker.
Biografie
Paul Zifferer wurde als drittes Kind einer angesehenen jüdischen Familie in Nordmähren geboren. Seinem Vater Josef gehörte eine Branntweinbrauerei und Likörerzeugung in der Kleinstadt Bistritz am Holstein. Da Josef Zifferer schon 1897 starb, leitete die Mutter Julie Zifferer den Betrieb zusammen mit Pauls ältestem Bruder Bruno. Mutter und Bruder verstarben beide 1924 und ihrer beider Tod verstärkte nochmals das Gefühl des Heimatverlusts, den Zifferer schon seit dem Zerfall Österreich-Ungarns empfand. Pauls nur wenig jüngere Schwester Ida publizierte übrigens ebenfalls Novellen und Romane als Ida Zifferer, obgleich sie als Ehefrau des Oberstaatsbahnrats Dr. Karl Waldek unter seinem Namen in Wien lebte. In ihrem Hietzinger Haus etablierte sie einen künstlerischen Salon, in dem unter anderem Mitglieder der Wiener Künstlervereinigung Hagenbund zusammenkamen. Ihre Werk und Wirken sind heute gänzlich unbekannt; sie selbst wurde im Holocaust ermordet.
Paul Zifferer selbst zog nach seiner Matura am Staatsgymnasium in Krumau (1897) nach Wien, um hier Rechtswissenschaften - und womöglich auch Philosophie - zu studieren. Sein Onkel Donat Zifferer - Stadtbaumeister und als Vertreter der Liberalen seit 1895 im Wiener Gemeinderat - und seine Tante Rosa Zifferer - eine engagierte Feministin und Wohltäterin - standen dem Neffen aus der Provinz in seinen ersten Wiener Jahren zur Seite. Studienaufenthalte führten ihn später auch an die Pariser Sorbonne. In diesen Jahren begann Zifferer auch sein Netzwerk in der Welt des französischen und österreichischen Adels aufzubauen. Er war zuerst der Sekretär des Grafen Foucher de Careil in Wien und dann bei dem französischen Senator Baron de Caze. Den Grafen beschrieb Zifferer später als "Unikum" – dieser setzte seinen offenbar sprachbegabten österreichischen Sekretär ein, um Friedrich Schelling und Arthur Schopenhauer ins Französische zu übertragen. So arbeitete Paul Zifferer an deren ersten französischen Werkausgaben mit. Auch abseits davon zog es ihn zur Schriftstellerei - zu seinen ersten Texten gehörten "Das Märchen des Lebens" und "Der kleine Gott der Welt". 1905 promovierte Zifferer in Wien zum Doktor der Rechtswissenschaften und begann die Ausbildung zum Rechtsanwalt, entschied sich dann aber doch dafür, als Feuilletonist zur Neuen Freien Presse zu gehen. 1912 nahm Paul Zifferer etwa als Kriegsberichterstatter am Ersten Balkankrieg teil. Seine romantisierenden Schilderungen brachten ihm den Spott von Karl Kraus ein.
In seinen Schriften setzte sich Zifferer wiederholt mit seiner jüdischen Herkunft und Familie auseinander.
Außerdem übersetzte er die Werke Gustave Flauberts und eine Novelle von Rachilde ins Deutsche. Enge Freundschaften verbanden ihn mit Raoul Auernheimer und Hugo von Hofmannsthal. Auch Arthur Schnitzler zählte zu Paul Zifferers Bekannten.
Während des Ersten Weltkriegs gab Zifferer die "Revue d'Autriche" heraus. Diese Zeitschrift hatte das Ziel, im Ausland über Österreich zu informieren. Nach dem Krieg berichtete er von den Verhandlungen zu den Pariser Vorortverträgen. Von Oktober 1919 bis zu seinem frühen Tod durch Krebs im Februar 1929 wirkte er als Presseattaché an der österreichischen Botschaft in Paris. Dabei nahm er auch Kulturagenden wahr und bemühte sich insbesondere um die Salzburger Festspiele. Der Literat vertrat Österreich auf kulturellen Großveranstaltungen wie dem "Weltkongress der dramatischen Schriftsteller und Komponisten" 1926 in Paris.
1955 wurde in Wien-Essling die Zifferergasse nach dem in Frankreich mehrfach geehrten Schriftsteller benannt.
Werke
- Paul Zifferer: Zwei Märchen aus dem Böhmerwalde, Dresden 1898
- Paul Zifferer: Der kleine Gott der Welt, Leipzig 1902
- Paul Zifferer: Pariser Kantilenen, Leipzig 1904
- Paul Zifferer: Das Kleid des Gauklers, Berlin 1911
- Paul Zifferer: Die helle Nacht. Ein Gedicht, Berlin 1912
- Paul Zifferer: Napoleon. Mit Illustrationen von Felician Myrbach, Wien 1913
- Paul Zifferer: Die fremde Frau. Roman, Berlin 1916
- Paul Zifferer: Das Feuerwerk. Eine Rahmenerzählung, Berlin 1919
- Paul Zifferer: Die Kaiserstadt, Berlin 1923
- Paul Zifferer: Der Sprung ins Ungewisse, Berlin 1927
Quellen
Literatur
Literatur von und über Paul Zifferer im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus