Handwerker: Unterschied zwischen den Versionen

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Unter „Handwerk" verstand man im Mittelalter nicht nur manuell-technisches Gewerbe, sondern man erfaßte mit diesem Begriff auch Dienstleistungsgewerbe und den Kleinhandel. Die Handwerker bildeten in Wien, wie auch in allen anderen mittelalterlichen Städten, den weitaus überwiegenden Teil der bürgerlichen Bevölkerung und traten daher oft auch als politischer Faktor in Erscheinung. 1396 erhielten sie durch das [[Ratswahlprivileg]] das Recht, ein Drittel der Ratsmitglieder zu stellen. Die
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Unter „Handwerk“ verstand man im Mittelalter nicht nur manuell-technisches Gewerbe, sondern auch Dienstleistungsgewerbe und den Kleinhandel. Die Handwerker bildeten in Wien, wie auch in allen anderen mittelalterlichen Städten, den weitaus überwiegenden Teil der bürgerlichen Bevölkerung und traten daher oft auch als politischer Faktor in Erscheinung. Schon im 13. Jahrhundert sind vereinzelt Handwerker im seit 1221 belegten [[Innerer Rat|Inneren Rat]] nachweisbar. Vor allem Vertreter des Luxusgewerbes wie Kürschner oder Goldschmiede waren immer wieder Mitglieder des Rats. Am 1356 erstmals urkundlich erwähnten [[Äußerer Rat|Äußeren Rat]] waren sie ebenfalls beteiligt – hier sogar zahlreicher als im Inneren Rat. 1396 erhielten sie durch das [[Ratswahlprivileg]] das Recht, neben [[Erbbürger|Erbbürgern]] und Kaufleuten ein Drittel der Ratsmitglieder zu stellen. Dies führte in den unmittelbar darauffolgenden Jahren zu einer deutlichen Zunahme des Anteils der Handwerker im Rat. In den überlieferten Listen der Jahre 1396/97, 1400/01, 1401/02 und 1402/03 stellen die Handwerker sogar die absolute Mehrheit an Ratsmitgliedern, von 1403 bis 1412 waren sie ungefähr jeweils zu einem Drittel im Rat vertreten und erfüllten so die im Privileg vorgesehene Parität zwischen den drei genannten Gruppen. In den folgenden Jahrzehnten erreichten sie aber – trotz der Bestimmungen des Ratswahlprivilegs – nie mehr diesen hohen direkten Einfluss im Rat.
Ausübung eines Handwerks war naturgemäß von Angebot und Nachfrage bestimmt. Darüber hinaus mußten der [[Stadtherr]] (in Wien also der Landesfürst) und die Bürgergemeinde (vertreten durch den gewählten [[Innerer Rat|Rat]]) auf ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Bedarfsgütern, Sicherung des bürgerlichen Wohlstands und Wahrung der Warenqualität bedacht sein. Es galt also, die wirtschaftlichen Interessen der Handwerker, die sich zu Verbänden ([[Bruderschaften]], [[Zechen]]) zusammenschlossen, mit dem öffentlichen Interesse in Einklang zu bringen. Zu diesem Zweck wurden [[Handwerksordnung | Handwerksordnungen]] erlassen. Der politische Einfluß der Handwerker wurde durch Ferdinand I. gebrochen. Er entzog ihnen mit der [[Stadtordnung]] vom 12. März 1526 das Recht der Wahl in den
 
Stadtrat und beschnitt auch ihre übrigen politischen Rechte. Ab dem 16. Jahrhundert gab es in Wien neben den bürgerlichen Handwerkern noch andere Kategorien: 1. Hofhandwerker (die zum Hofstaat des Landesherrn gehörten, ausschließlich für diesen arbeiteten und hiefür ein Gehalt bezogen), 2. Soldaten der (bis 1741 bestehenden) [[Stadtguardia]] (die ihren geringen Sold durch Einkünfte aus handwerklicher Tätigkeit aufbessern durften) und 3. [[Hofbefreite Handwerker]].
 
  
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Die Ausübung eines Handwerks war naturgemäß von Angebot und Nachfrage bestimmt. Darüber hinaus mußten der [[Stadtherr]] (in Wien also der Landesfürst) und die Bürgergemeinde (vertreten durch den gewählten Rat) auf ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Bedarfsgütern, Sicherung des bürgerlichen Wohlstands und Wahrung der Warenqualität bedacht sein. Es galt also, die wirtschaftlichen Interessen der Handwerker, die sich zu Verbänden ([[Bruderschaften]], [[Zechen]]) zusammenschlossen, mit dem öffentlichen Interesse in Einklang zu bringen. Zu diesem Zweck wurden [[Handwerksordnung| Handwerksordnungen]] erlassen. Gesammelt wurden diese Ordnungen im durch den Wiener [[Stadtschreiber]] [[Ulrich Hirssauer]] im Jahr 1430 angelegten [[Handwerksordnungsbuch]], welches heute eine unschätzbare Quelle für die Vielfalt der im spätmittelalterlichen Wien vertretenen Handwerksbranchen darstellt. Für das 15. Jahrhundert ist von deutlich über 100 verschiedenen [[Gewerbe|Gewerben]] auszugehen.
  
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Dem politischen Einfluss der Handwerker wurde durch Ferdinand I. schließlich auch formal ein Ende gesetzt. Er entzog ihnen mit der [[Stadtordnung]] vom 12. März 1526 das Recht der Wahl in den Stadtrat und beschnitt auch ihre übrigen politischen Rechte (siehe auch unter [[Handwerksordnung]]). Ab dem 16. Jahrhundert gab es in Wien neben den bürgerlichen Handwerkern noch andere Kategorien: 1. Hofhandwerker (die zum Hofstaat des Landesherrn gehörten, ausschließlich für diesen arbeiteten und hiefür ein Gehalt bezogen), 2. Soldaten der (bis 1741 bestehenden) [[Stadtguardia]] (die ihren geringen Sold durch Einkünfte aus handwerklicher Tätigkeit aufbessern durften) und 3. [[Hofbefreite Handwerker]].
  
 
== Literatur ==
 
== Literatur ==
* Joseph Feil: Beiträge zur älteren Geschichte der Kunst- und Gewerbs-Thätigkeit in Wien. In: Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien. Wien: Gerold, 3, 1859, S. 20 4ff.
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* [http://www.boehlau-verlag.com/download/164760/978-3-205-20418-3_OpenAccess.pdf Markus Gneiß: Das Wiener Handwerksordnungsbuch (1364 bis 1555). Edition und Kommentar. Wien: Böhlau Verlag 2017 (Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, 16)]
* Hans Lentze: Die rechtliche Struktur des mittelalterlichen Zunftwesens in Wien und den österreichischen Städten. In: Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Stadt Wien. Wien: Verlag des Vereines 1920 - 1938, 15.1920, S. 15 ff.
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* Richard Perger: Die politische Rolle der Wiener Handwerker im Spätmittelalter. In: Wiener Geschichtsblätter 38 (1983), S. 1-36
*Heinz Zatschek: Die Ordnungen für das Wiener Handwerk. Wien 1958/1959 (maschinenschriftliches Manuskript) [Auflistung aller bekannten Wiener Handwerksordnungen. WStLA, Archivbibliothek: W 184]
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* Heinz Zatschek: Handwerk und Gewerbe in Wien. Von den Anfängen bis zur Erteilung der Gewerbefreiheit im Jahre 1859. Wien: Österreichischer Gewerbeverlag 1949
*Heinz Zatschek: Handwerk und Gewerbe in Wien. Von den Anfängen bis zur Erteilung der Gewerbefreiheit im Jahre 1859. Wien: Österreichischer Gewerbeverl. 1949
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* Hans Lentze: Die rechtliche Struktur des mittelalterlichen Zunftwesens in Wien und den österreichischen Städten. In: Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Stadt Wien. 15 (1920), S. 15-41
* Günther Chaloupek / Peter Eigner / Michael Wagner: Wiens Wirtschaftsgeschichte 1740-1938. Wien: Jugend und Volk 1991 (Geschichte der Stadt Wien. Band 4,1, Teil 1)
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* Joseph Feil: Beiträge zur älteren Geschichte der Kunst- und Gewerbs-Thätigkeit in Wien. In: Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien 3 (1859), S. 204-307
* Viktor Thiel: Die Handwerksordnung Ferdinands I. für die fünf niederösterreichischen Lande (1527). In: Jahrbuch Landeskunde Niederösterreich. Hg. vom Verein f. Landeskunde v. Niederösterr.. Wien: Verein 1902-1996, NF 8,1909, S. 27 ff.
 

Version vom 15. Oktober 2018, 16:05 Uhr

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Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 15.10.2018 durch DYN.markus gneiss

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Unter „Handwerk“ verstand man im Mittelalter nicht nur manuell-technisches Gewerbe, sondern auch Dienstleistungsgewerbe und den Kleinhandel. Die Handwerker bildeten in Wien, wie auch in allen anderen mittelalterlichen Städten, den weitaus überwiegenden Teil der bürgerlichen Bevölkerung und traten daher oft auch als politischer Faktor in Erscheinung. Schon im 13. Jahrhundert sind vereinzelt Handwerker im seit 1221 belegten Inneren Rat nachweisbar. Vor allem Vertreter des Luxusgewerbes wie Kürschner oder Goldschmiede waren immer wieder Mitglieder des Rats. Am 1356 erstmals urkundlich erwähnten Äußeren Rat waren sie ebenfalls beteiligt – hier sogar zahlreicher als im Inneren Rat. 1396 erhielten sie durch das Ratswahlprivileg das Recht, neben Erbbürgern und Kaufleuten ein Drittel der Ratsmitglieder zu stellen. Dies führte in den unmittelbar darauffolgenden Jahren zu einer deutlichen Zunahme des Anteils der Handwerker im Rat. In den überlieferten Listen der Jahre 1396/97, 1400/01, 1401/02 und 1402/03 stellen die Handwerker sogar die absolute Mehrheit an Ratsmitgliedern, von 1403 bis 1412 waren sie ungefähr jeweils zu einem Drittel im Rat vertreten und erfüllten so die im Privileg vorgesehene Parität zwischen den drei genannten Gruppen. In den folgenden Jahrzehnten erreichten sie aber – trotz der Bestimmungen des Ratswahlprivilegs – nie mehr diesen hohen direkten Einfluss im Rat.

Die Ausübung eines Handwerks war naturgemäß von Angebot und Nachfrage bestimmt. Darüber hinaus mußten der Stadtherr (in Wien also der Landesfürst) und die Bürgergemeinde (vertreten durch den gewählten Rat) auf ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Bedarfsgütern, Sicherung des bürgerlichen Wohlstands und Wahrung der Warenqualität bedacht sein. Es galt also, die wirtschaftlichen Interessen der Handwerker, die sich zu Verbänden (Bruderschaften, Zechen) zusammenschlossen, mit dem öffentlichen Interesse in Einklang zu bringen. Zu diesem Zweck wurden Handwerksordnungen erlassen. Gesammelt wurden diese Ordnungen im durch den Wiener Stadtschreiber Ulrich Hirssauer im Jahr 1430 angelegten Handwerksordnungsbuch, welches heute eine unschätzbare Quelle für die Vielfalt der im spätmittelalterlichen Wien vertretenen Handwerksbranchen darstellt. Für das 15. Jahrhundert ist von deutlich über 100 verschiedenen Gewerben auszugehen.

Dem politischen Einfluss der Handwerker wurde durch Ferdinand I. schließlich auch formal ein Ende gesetzt. Er entzog ihnen mit der Stadtordnung vom 12. März 1526 das Recht der Wahl in den Stadtrat und beschnitt auch ihre übrigen politischen Rechte (siehe auch unter Handwerksordnung). Ab dem 16. Jahrhundert gab es in Wien neben den bürgerlichen Handwerkern noch andere Kategorien: 1. Hofhandwerker (die zum Hofstaat des Landesherrn gehörten, ausschließlich für diesen arbeiteten und hiefür ein Gehalt bezogen), 2. Soldaten der (bis 1741 bestehenden) Stadtguardia (die ihren geringen Sold durch Einkünfte aus handwerklicher Tätigkeit aufbessern durften) und 3. Hofbefreite Handwerker.

Literatur