Handwerksordnung

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Ordnung der Zaumstricker aus dem Jahr 1364, die älteste im Handwerksordnungsbuch enthaltene Handwerksordnung
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Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 20.12.2023 durch WIEN1.lanm08swa
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Bildunterschrift Ordnung der Zaumstricker aus dem Jahr 1364, die älteste im Handwerksordnungsbuch enthaltene Handwerksordnung

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Anfangs vom Landesfürsten, ab den 1360er Jahren häufig durch den Rat für die einzelnen Handwerksbranchen erlassene Ordnungen, in welchen die verschiedensten gewerblichen Belange (Erwerb des Meisterrechts, Betriebsstandorte, Verkaufsplätze, Lehrlings- und Gesellenausbildung, Prüfung der Warenqualität, redlicher Wettbewerb, ...) geregelt wurden. Für die Einhaltung der Handwerksordnungen waren im Allgemeinen die von gewählten Organen (Zunft- bzw. Zechmeister) vertretenen Handwerkerverbände zuständig. Nur bei Misständen und Nichteinhaltung von konkreten Bestimmungen griffen Landesfürst und Rat ein – und auch hier oft nur auf explizites Ansuchen der Handerwerkerorganisationen.


Die Urkunden Herzog Rudolfs IV. von 1361/1364 und die Folgen

Schon in den Jahren 1361 und 1364 traf Herzog Rudolf IV. einige wichtige Bestimmungen, die für die weitere Entwicklung der Wiener Handwerksgeschichte von zentraler Bedeutung waren. So hob er 1361 unter anderem alle existierenden Zechen und Einungen (Preisabsprachen zwischen den Meistern, willkürliche Beschränkung der Zahl der zugelassenen Meister) auf. Offenbar hatte sich die Wiener Gewerbe- und vor allem Zechlandschaft also in den Jahrzehnten vor Rudolfs Eingreifen gut entwickelt, was so manche Missstände nach sich zog, gegen die der Herzog nun vorging. Nur drei Jahre später untersagte Rudolf erneut alle existierenden Zechen und Einungen in Wien [1] Wichtiger jedoch war die Bestimmung, mit der Rudolf dem Bürgermeister und dem Rat von Wien das alleinige Recht verlieh, Handwerksordnungen auszustellen. Damit sollte es dem Wiener Rat ermöglicht werden, einheitliche Ordnungen zu erlassen und autonome Rechtssatzungen der Handwerker zu unterbinden.

Die Verordnungen Rudolfs waren durchaus zukunftsträchtig. Die Zahl der durch den Wiener Rat erlassenen Handwerksordnungen nahm in den folgenden Jahrzehnten stetig zu, sodass sich im Jahr 1430 der Stadtschreiber Ulrich Hirssauer dazu veranlasst sah, diese in einem eigenen Stadtbuch zusammenzutragen – dem Wiener Handwerksordnungsbuch. Noch aus demselben Jahr wie die Urkunde Rudolfs IV. von 1364 stammt die älteste im Handwerksordnungsbuch überlieferte Ordnung, nämlich jene der Zaumstricker (Hersteller von Pferdegeschirr, siehe Abbildung). Ganz den Absichten des Herzogs entsprechend wurde diese Ordnung vom Wiener Rat ausgestellt. Doch schon drei Jahre später ist mit der Ordnung der Wiener Goldschmiede erneut ein autonom – also ohne Zutun des Rats – erlassenes Statut erhalten (siehe Abbildung).

Die Genanntentafel enthält neben einer Genanntenliste verschiedene Handwerksordnungen. 1461/1464

Die Ordnungen Ferdinands I.

Eine wesentliche Änderung brachte die Gesetzgebung Erzherzog Ferdinands. Mit der Stadtordnung vom 12. März 1526 schloss er Handwerker, denen ab 1396 formal ein Drittel der Mandate im (inneren) Rat reserviert war (Ratswahlprivileg), von der Wahl in dieses oberste politische Gremium der Gemeinde aus und beschnitt ihren politischen Einfluss.

Mit der Handwerksordnung vom 1. April 1527 (die für die Länder Österreich unter und ob der Enns, Steiermark, Kärnten und Krain galt) wurde die Befugnis zur Wahrung der Handwerksordnungen auf den jeweiligen Rat konzentriert und die Funktion der Handwerkerverbände auf soziale, karitative und religiöse Belange reduziert. Der Landesfürst verfügte die Aufhebung der Zechen und Zünfte sämtlicher Handwerker mit allen ihren Satzungen und Ordnungen sowie den darüber erteilten Bestätigungen; künftige Anordnungen sollten von der Regierung erlassen werden. In Ermangelung von Durchführungsbestimmungen blieben die Verfügungen jedoch weitgehend theoretisch, sodass auch in der Folge die Bürgermeister weitere Handwerksordnungen ausstellten. Das ursprüngliche Ziel war ein Eingriff in die Organisation der Handwerker, zu der die Stände gedrängt hatten und die im Zusammenhang mit dem Blutgericht von Wiener Neustadt (1522), das zu einer Stärkung der landesfürstlichen Gewalt geführt hatte, und der Stadtordnung von 1526 zu verstehen ist. Am 5. Dezember 1527 erließ Ferdinand weiters eine gesonderte Ordnung für Wien, die jedoch mit der älteren Ordnung vom 1. April nahezu identisch ist.

Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert kam es durch Befreiung einzelner Handwerker, die für den kaiserlichen Hof arbeiteten, von den Bestimmungen der Ordnungen und der Mitgliedschaft bei Verbänden zu einer weiteren Minderung des Einflusses der Handwerkerverbände. Die heutige Struktur des Handwerkswesens in Wien und im übrigen Österreich geht auf die Gewerbeordnung 1859 (gültig ab 1. Mai 1860) zurück.

Handwerksordnungsbuch


Literatur

  • Günther Chaloupek / Peter Eigner / Michael Wagner: Wiens Wirtschaftsgeschichte 1740-1938. Wien: Jugend und Volk 1991 (Geschichte der Stadt Wien. Band 4,1, Teil 1)
  • Joseph Feil: Beiträge zur älteren Geschichte der Kunst- und Gewerbs-Thätigkeit in Wien. In: Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien 3 (1859), S. 204-307
  • Markus Gneiß: Das Wiener Handwerksordnungsbuch (1364 bis 1555). Edition und Kommentar. Wien: Böhlau Verlag 2017 (Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, 16) (FWF-E-Book-Library)
  • Hans Lentze: Die rechtliche Struktur des mittelalterlichen Zunftwesens in Wien und den österreichischen Städten. In: Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 15 (1920), S. 15-41
  • Viktor Thiel: Die Handwerksordnung Ferdinands I. für die fünf niederösterreichischen Lande (1527). In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich NF 8 (1909), S. 27-66
  • Heinz Zatschek: Die Ordnungen für das Wiener Handwerk. Wien 1958/1959 (maschinenschriftliches Manuskript) [Auflistung aller bekannten Wiener Handwerksordnungen. WStLA, Archivbibliothek: W 184]
  • Heinz Zatschek: Handwerk und Gewerbe in Wien. Von den Anfängen bis zur Erteilung der Gewerbefreiheit im Jahre 1859. Wien: Österreichischer Gewerbeverlag 1949

Referenzen