Verlag der Wiener Graphischen Werkstätte

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Daten zur Organisation
Art der Organisation Verlag
Datum von 1918
Datum bis 1930
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 69264
GND
WikidataID
Objektbezug Verlagsgeschichte
Quelle Murray G. Hall: Österr. Verlagsgeschichte
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Letzte Änderung am 7.11.2023 durch WIEN1.lanm09fri
  • 7., Kaiserstraße 45

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48° 12' 4.71" N, 16° 20' 24.15" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Die "Druck- und Verlagsgesellschaft Wiener graphische Werkstätte" - so der amtliche Wortlaut - galt als eine der ehrgeizigsten Neugründungen der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg mit Schwergewicht auf moderner österreichischer Literatur. Ihre nur kurz währende Existenz hängt mit der An- und Verkaufspolitik des Finanzmagnaten Richard Kola zusammen, der damit zahlreiche Verlage in große Schwierigkeiten brachte, so etwa den Rikola-Verlag, den Verlag Neuer Graphik, Elbemühl, Waldheim-Eberle , die Gesellschaft für graphische Industrie und viele andere.

Die Gründung des Unternehmens geht auf den Verlagskonzessionsinhaber und Kaufmann Adolf Platzer und Hans Jordan, Mitinhaber der renommierten Buch- und Kunstdruckerei "Jordan & Kalkus" zurück, die im Dezember 1918 einen Gesellschaftsvertrag mit dem Ziel "Druck und Verlag von literarischen und artistischen Erzeugnissen" abschlossen. Mehrere weitere Personen brachten als Sacheinlage eine bis dahin gemeinsam betriebene Druckerei in Wien-Innere Stadt, Biberstraße 26 in das Unternehmen ein. Der erste Firmensitz befand sich in Wien-Neubau, Kaiserstraße 45. Als Geschäftsführer fungierte Adolf Platzer.

Anfangs bildete die graphische Erzeugung von Ansichtskarten den Hauptzweig des Betriebs. Diese Ansichtskarten sollten ebenso wie die anderen graphischen Erzeugnisse die Wiener Eigenart und den Wiener Geschmack in der graphischen Darstellung zum Ausdruck bringen. Als Absatzmarkt waren die Schweiz und skandinavische Ländern vorgesehen. Dies führte zu mehrmonatigen Problemen mit der ungleich bekannteren "Wiener Werkstätte", die auf gleichem Gebiet tätig war und eine Verwechslung befürchtete.

Die Geschäftsjahre 1919 und 1920 schlossen mit beträchtlichen Verlusten ab und der Mitbegründer Jordan schied aus dem Unternehmen aus. Aufgrund der Schulden übertrug Platzer kurz später seine zu diesem Zeitpunkt über 90 Prozent liegenden Anteile dem Wiener Großindustriellen Rudolf Thorn, der auch Vorstands- und Verwaltungsratsmitglied des Elbemühl-Konzerns war. 1921 wurde der Verlag der Wiener Graphischen Werkstätte in den Konzern Richard Kolas aufgenommen, dessen Geschäftsbereich von Schnittholz über Papier und Zeitungen bis zum Buch reichte. Rudolf Rosenbaum, Direktor der Gesellschaft für graphische Industrie in Wien, avancierte zum neuen Geschäftsführer des Verlags. Ab diesem Zeitpunkt wurden die meisten Veröffentlichungen des Verlags der Wiener Graphischen Werkstätte bei Waldheim-Eberle, gedruckt. Manche Erscheinungen trugen auf der Titelseite bzw. auf dem Umschlag nicht nur unterschiedliche Untertitel, sondern auch verschiedene Angaben über den Verlag. Anfang 1929 wurde das Unternehmen wegen Nichtanmeldung der sogenannten Golderöffnungsbilanz amzlich aufgelöst.

Die eigentliche Verlagstätigkeit erstreckte sich aber auf die Jahre1920 bis 1923. Innerhalb dieser vier Jahre produzierte der Verlag aber auf dem Gebiet der Druckkunst künstlerisch besonders schön gefertigte Bücher.Die literarische Leitung der Produktion lag in den Händen des jungen Wiener Schriftstellers Fritz Karpfen, die künstlerische Leitung bei Bernhard Steiner, ursprünglich ein Plakatkünstler, der sich im buchkünstlerischen Bereich bei mehreren Verlagen verdient machte.

Der Verlag gab fünf Publikationsreihen heraus, die zahlenmäßig etwa ein Drittel der Gesamtproduktion ausmachten.

  1. "Novellenbücher" mit Werken junger österreichischer Autoren wie Hans Steiger, Karl F. Kocmata und Friedrich Wallisch. Es erschienen in dieser Reihe nur drei Bücher, ein angekündigter vierter Band, Franz Theodor Csokors "Zwischen Zwanzig und Dreißig" mit Buchschmuck von Carry Hauser wurde zwar mehrmals angekündigt, erschien aber nie. erschienen. Für Satzordnung und Buchschmuck jedes dieser in Reclamheft-Format aufgelegten Bändchen zeichnete Bernd Steiner verantwortlich. Die Werke erschienen in einer Auflage von je 3.000 Exemplaren, wobei auch eine auf 50 Ex. beschränkte, nummerierte und vom Dichter signierte Liebhaberausgabe produziert wurde.
  2. "Bücher des Gewissens zum Ausdruck" wiesen eine sozialpolitische Note auf. Es erschien etwa ein Werk von Bruno Frei, das Elendsschilderungen und Elendsbilder aus Wien in einem Buch zusammenfasste und mit einer Vielzahl fotografischer Aufnahmen des Wiener Elends ausgestattet war. Autor des zweiten Bands dieser Reihe war Johann Ferch mit "Der Umsturz der Ehe. Eine radikale Studie". Das dritte erschienene Werk von Bernhard Boyneburg hieß "Despotie der Mittel".
  3. "Bücher der Zeit" mit Werken junger Österreicher, beispielsweise "Die Wiedergeburt in Kain. Drei Revolutionsakte" von Carl Julius Haidvogel oder "Auferstehung. Eine dramatische Legende" von Friedrich Schreyvogl . Auch Franz Theodor Csokors "Gedanken zum Gegenwartsdrama" sollte in dieser Serie erscheinen. Statt dessen editierte der Verlag aber Csokors Übersetzung "Die Kulissen der Seele. Monodrama" von Nikolaj Nikolajewitsch Evreinoff. Die auffällige Einbandzeichnung (Dreifarbenlithographie) stammt von Bernhard Steiner.
  4. "Phalanx. Bibliothek für die Internationale des Geistes" wurde vom Verlagsangestellten Josef Kalmer betreut, herausgegeben und gelegentlich übersetzt. Es erschienen Werke von Maxim Gorki, Leo N. Tolstoi sowie Georg F. Nicolai.
  5. "Irgendwo und Irgendwann. Märchen aus allen Ländern" für ein jüngeres Lesepublikum. Es entstanden sieben Bände, für die Arthur Stadler die farbige Schutzhülle und buntgezeichnetes in jedem Band verschiedenes Vorsatzpapier kreierte. Die Illustrationen wurden von Franz Wacik, Arthur Stadler und Axl Leskoschek angefertigt. Nach 1923, als der Verlag aufhörte, Bücher zu produzieren, ging die unvollständige Reihe an den auf Kinderbücher spezialisierten Wiener "Sesam-Verlag" über, der die Reihe unter dem Titel "Sesam-Volksbücher" vertrieb.


Das restliche Verlagsproduktion bestand aus Übersetzungen aus dem Englischen bzw. dem Russischen sowie aus Werken großteils jüngerer österreichischer Autorinnen und Autoren, wobei die Palette von Romanen über Kurzgeschichten, Essays und Skizzen zu Lyrik, Schauspiel und Kunstgeschichte reichte. So erschienen unter anderem Egon Friedells Buch "Steinbruch. Vermischte Meinungen und Sprüche" (1922) und "Das Altenbergbuch" (1922), das von Fritz Karpfen herausgegeben "Egon Schiele-Buch" (1921), von Alfred Grünwald vier Werke, von Friedrich Wallisch und Friedrich Schreyvogl erschienen Romane. Humoristisches von Alexander Max Vallas erschien 1920 unter dem Titel "Wie ich seziert wurde", ebenso Erich Singer bald verbotenes Werk "Die rote Laterne. Die schönsten Bordellgeschichten der Weltliteratur" mit Zeichnungen und Umschlag von Arthur Stadler. Anton Kuh gab eine Auswahl der Schriften Ludwig Börnes unter dem Titel "Börne der Zeitgenosse" heraus. 1922 gestaltete der Verlag einen bibliophilen Druck von Goethes "Natur", für den Sascha Kronburg, Ehefrau des Verlagsmitarbeiters Max Hayek, die Rahmen zeichnete.

Auch die meisten bildenden Künstlerinnen und Künstler, die dem Verlag Buchschmuck, Umschlagzeichnungen usw. lieferten, gehörten der jüngeren Generation an, neben den bereits erwähnten etwa Gustav Marisch, Franz Plachy, Arthur Paunzen, Hans Neumann, Franz Wacik, Viktor Leyrer und Franz Wimmer.

Quellen

Weblinks