Müller

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"Müllerinn", Kupferstich 1775
Daten zum Begriff
Art des Begriffs Berufsbezeichnung
Andere Bezeichnung
Frühere Bezeichnung
Nachweisbar von
Nachweisbar bis
Objektbezug Schiffsmühlen
Quelle
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Letzte Änderung am 3.11.2023 durch WIEN1.lanm09fri
Bildname Müllerinn.jpg
Bildunterschrift "Müllerinn", Kupferstich 1775

Wappen der Schiffmüller von Hugo Ströhl 1904/1910.

Handwerker, der mit der Herstellung von Mehl oder anderen Materialien (Öl, Pulver, Papier usw.) zu tun hatte; daneben Bezeichnung für den Besitzer und/oder Betreiber einer Mühle.

In Wien befanden sich die meisten Mühlen – fast ausschließlich Wassermühlen – im Besitz von adeligen oder geistlichen Grundherren sowie von Wiener Bürgern. Bewirtschaftet wurden sie von Müllermeistern mit ihren Familien, Gesellen und Lehrlingen. Der enge Zusammenhang zwischen der Nutzung der Wasserkraft und der Vermahlung von Getreide spiegelt sich auch in einer Vermischung dieser beiden Bereiche in den Handwerksordnungen.

Die erste für Wien bekannte rechtliche Regelung des Mühlwesens stellt der am 13. Oktober 1429 von Albrecht V. ausgestellte brief uber das mülwerch auf der Wienn dar. Darin war die unter den Müllern gemeinschaftlich organisierte Nutzung der Flüsse zum Antrieb der Mühlen geregelt. Technische Überprüfungen und Wartungen der Mühlen am Wienfluss wurden festgelegt und sollten verhindern, dass anderen Müllern oder den Anrainern durch die Mühlanlagen Schäden entstanden. Eine Aufsichtsbehörde, die "Vierer", wachte über die Ausführung der kollektiven Instandhaltungsarbeiten und die Einhaltung der Wassernutzungsrechte durch die Müller. Die Treffen der Müller fanden jeden ersten Sonntag im Quartal in der Heiligengeistmühle (vor dem Kärntnertor) statt.[1] Diese Regelung stärkte den grundherrschaftlichen Einfluss, während die Stadt Wien sowie der Landesherr kaum Eingriffsmöglichkeiten hatten.

Etwa 50 Jahre später beklagten die Müller das Fehlen einer umfassenden Müllerordnung und einer Zeche. Daraufhin stellte König Matthias Corvinus am 14. April 1488 eine Handwerksordnung für die Müller am Wienfluss und an der Donau im Burgfriedensbereich aus. An der Spitze der Zunft standen zwei Zechmeister, die gemeinsam mit dem Rat der "Vierer" und dem Rat der Stadt Wien Entscheidungen trafen. 1553 erhielt die Müllerzeche ein neues Privileg und die Wiener "Haubt-Mühlner-Zunft" entstand. Ihr Wirkungsbereich wurde vermutlich im Zusammenhang mit den städtischen Interessen räumlich rasch ausgedehnt. Neben den Müllern am Wienfluss waren auch Müller im Unterlauf der Schwechat, am nördlichen Teil des Kaltengangs, am Liesingbach, Petersbach sowie an den kleineren Bächen in Klosterneuburg, Nußdorf, Heiligenstadt, Dornbach und Hernals vertreten.[2] Für die größeren Gewässer wurden jeweils eigene Zechmeister bestellt. Die Müllerordnung von 1672, von Leopold I. erlassen, bestätigte die vorhergehende und legte fest, dass aus dem Kreis der fünf Zechmeister jener des Wienflusses als Oberzechmeister der Wiener Zeche vorstand. Eine entsprechende Wahl erfolgte alle zwei Jahre. Das Niederösterreichische Mühlenbuch von 1661[3] führt 102 Mitglieder der Zeche an. Die Schiffsmüller waren bereits in einer eigenen Zunft, der Asperner Zeche, organisiert. Neue Mühlen durften, mit Ausnahme der Haus- oder Hofmühlen, die nur für den eigenen Bedarf mahlen durften, nur mit Bewilligung der Niederösterreichischen Landesregierung errichtet werden. Dies bedeutete für den Wiener Raum, dass kaum neue Mühlen entstanden. Neben den wasserbaulichen Aspekten waren aber auch die Rechte und Pflichten der "Lehr-Jungen", "Mühl-Knecht und Junger", "Meister" und "Mühl-Herren" detailliert geregelt. In der "Verordnung zur Sauberkeit in Mühlen und zur Verhinderung, dass Getreide und Mehl verloren geht" von 1755 finden sich Anordnungen zur Qualitätssicherung der Mahlprodukte, etwa betreffend der Reinhaltung und Schärfung der Mahlsteine und der "Nezung" (Anfeuchtung) des Getreides.[4]

Bereits im 18. Jahrhundert kamen die Müller immer öfter in Konflikt mit anderen Wasser- und Gewässernutzungen. Maria Theresia reagierte auf die dadurch entstehende administrative Herausforderung, indem sie die regionalen Kreisämter für die Schlichtung von Konflikten verantwortlich machte. Ab 1788 übernahmen regionale Baudirektionen diese Aufgabe. Die Müller erhielten mit den auf polytechnischen Schulen ausgebildeten Wasserbauexperten neue administrative Gegenüber. Joseph II. öffnete das Gewerbe indem er den Mühlenzwang abschaffte und es Mahlkunden ermöglichte, an jeder Mühle mahlen zu lassen. Die Mühlenordnung von 1814 begrüßte den Bau neuer Mühlen ausdrücklich. Wo eine neue Wassermühle keiner bestehenden die zum Antrieb notwendigen Ressourcen entzog, durfte ein neuer Betrieb entstehen.[5] Die Mühlenordnung von 1814 galt erstmals für alle österreichischen Länder und war ein bedeutender Schritt zur einheitlichen Gestaltung des Wasserrechts.

Der zunehmende Einsatz von Dampfkraft für den Betrieb von Mühlen, neue Transport- und Lagermöglichkeiten und die Einführung der Gewerbefreiheit veränderten das Mühlenwesen und damit auch den Beruf der Müller tiefgreifend. An die Stelle der Lohnmüllerei, in der Bauern Getreide zur Mühle lieferten, den Müller für die Vermahlung bezahlten und das erhaltene Mehl für den Eigenbedarf und Verkauf verwendeten, entstanden Handelsmühlen. Die Müller kauften Getreide an, verarbeiteten es zu Mehl und anderen Mahlprodukten und verkauften diese selbst weiter. Es entstanden immer größere Betriebe, oft im Eigentum von Investoren(gruppen). 1860 entstand mit Kaiserlichem Patent eine neue Gewerbe-Ordnung, in der auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen für das Gewerbe der Müller neu geregelt wurden. Das erste umfassende Wasserrecht, das 1870 in Kraft trat, führte endgültig zu einer Trennung der Wasserkraftnutzung von der Getreideverarbeitung in der Legislative.

Quellen

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Transkribiert bei Klaus Lohrmann: Die alten Mühlen an der Wien. Wien: Jugend & Volk 1980 (Wiener Bezirkskulturführer, 26), S. 42-43.
  2. Franz Anton von Guarient und Raal [Hg.: Codicis Austriaci ordine alphabetico compilati pars secunda. Das ist: Eigentlicher Begriff und Innhalt, Aller [.] der Regierung Leopoldi I. außgangenen und publicirten Generalien, Patenten, Ordnungen, Rescripten, Resolutionen, Edicten, Decreten, und Mandaten. Wien 1704, S. 18.]
  3. Niederösterreichisches Landesarchiv, Handschriftensammlungen: HS StA 1005/1: Endtwurff der Mühlen, Gäng, Bestandtgelts vnd Malters nach der Herrschafft vndt Müllerzunfften eingeraichten Attestationen, VOWW und VUWW, 1661.
  4. Franz X. Weckebrad: Vollständige Sammlung, aller seit dem Jahre 1729 bis gegenwärtig ergangenen Generalien und Verordnungen für sämmentliche Innungen und Zünfte. In systematisch–chronologischer Ordnung. Brünn: Gastl 1793, S. 385-417.
  5. Johann Ludwig Ehrenreich Graf von Barth-Barthenheim: Besondere Oesterreichische Gewerbs- und Handelsgesetzeskunde mit vorzüglicher Rücksicht auf das Erzherzogtum Oesterreich unter der Enns. I. Theil, I. Band. Wien: Mösle 1819, S. 255-288.