Lustgarten (Hofburg)

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Der Lustgarten der Hofburg erstreckte sich nordöstlich der Alten Burg zur Michaelerkirche hin. Links das Ballhaus und der Schatzkammertrakt, rechts der Vorgängerbau der heutigen Redoutensäle, oben rechts die Stallburg, 1684
Daten zum Objekt
Art des Objekts Grünfläche
Datum von 1357
Datum bis 1775
Name seit
Andere Bezeichnung Hofgarten
Frühere Bezeichnung
Benannt nach
Bezirk 1
Prominente Bewohner
Besondere Bauwerke Ballhaus (Hofburg, Lustgarten), Kunstkammer (Hofburg), Redoutensäle
PageID 60348
GND
WikidataID
Objektbezug Hofburg, Frühe Neuzeit
Quelle
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Letzte Änderung am 15.03.2023 durch WIEN1.lanm08swa
Bildname Lustgarten Hofburg.jpg
Bildunterschrift Der Lustgarten der Hofburg erstreckte sich nordöstlich der Alten Burg zur Michaelerkirche hin. Links das Ballhaus und der Schatzkammertrakt, rechts der Vorgängerbau der heutigen Redoutensäle, oben rechts die Stallburg, 1684

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48° 12' 25.92" N, 16° 21' 59.03" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Lustgarten (Hofburg) am Steinhausen-Plan (1710)

Ehemaliger Lustgarten (1.), der Hofburg. Für das Mittelalter liegen nur punktuell Quellen zu Gärten bei der Burg vor. Der älteste Nachweis eines Burggartens stammt aus dem Jahr 1357. Der dort genannte "Baumgarten der Königin" lag wahrscheinlich vor der Stadtmauer, nämlich im Bereich des heutigen Heldenplatzes. Kurz nach der Mitte des 15. Jahrhunderts ist ein baumbestandener Tiergarten (Wildgehege) im Burggraben belegt, 1458 innerhalb der Stadtmauer östlich der Burg, gegen das Augustinerkloster hin, ein Garten.

Spätmittelalterlicher Ausbau der Gärten um die Burg

Ein repräsentativer Ausbau, der durch Ankäufe von Privathäusern an der Herrengasse möglich wurde, geschah wahrscheinlich erst ab 1480, als Friedrich III. länger in Wien residieren wollte. In diesem Jahr ist auch der früheste Gärtner der Hofburg dokumentiert. Gegen die Michaelerkirche hin wurde eine Altane errichtet. Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um die bis zur Errichtung der Winterreitschule bestehende Terrasse (die eventuell um 1534 erneuert wurde). Die massive Ausgestaltung dieses später sogenannten Oberen Lustgartens (Paradeisgarten) hatte wahrscheinlich auch eine fortifikatorische Funktion. Die Belagerung der Burg 1462, bei der die Burg von einem Standort innerhalb der Stadtmauer massiv beschossen wurde, könnte hier entsprechende Planungen bedingt haben. In einer nicht genau datierbaren Quelle aus der späten Regierungszeit Maximilians I. werden die Gärten bei der Wiener Burg unter allen Gärten des Herrschers besonders hervorgehoben. Laut der Beschreibung bestanden sie aus mehreren Teilen, deren genaue Lokalisierungen nicht ganz sicher sind: Zunächst ist Altane mit Obstbäumen, Obstgehölzen und Rosen genannt, bei der es sich wahrscheinlich um eine Terrasse bei der Stadtmauer handelte, die im Wolmuet-Plan 1547 noch eingezeichnet ist. Der Fürstengarten mit Fischteich lag vermutlich darunter (heute Josefsplatz). Mit dem Herzogingarten ist wohl der Garten neben der Burg gemeint, der zwischen der Burg (Schweizerhof) und der Altane zum Michaelerplatz plaziert war. Ein Fürstingarten ist nicht näher zu lokalisieren. Altes, Neues und Schönes Paradeis waren wahrscheinlich Teile eines Tiergartens im Burggraben.

Zitruskultur, Ballspiel und Kunstsammlungen im Residenzgarten

Zu Beginn der Herrschaft Ferdinands I. wurden die Gärten bei der Burg durch den Stadtbrand 1525, die Osmanenbelagerung 1529 und meuternde Söldner des Reichsheeres 1532 in arge Mitleidenschaft gezogen. In der Folge bemühte sich der Herrscher um eine zeitgemäße Wiederherstellung und Ausgestaltung. Die Gärten sind wohl gemeinsam mit den darin errichteten Bade- und Sportstätten sowie Sammlungsräumen als Einheit zu betrachten. Dass für den Lustgarten bei der Burg 1542 eine der frühesten Kultivierung von Zitrusgewächsen im Heiligen Römischen Reich nachgewiesen werden kann, unterstreicht den Rang dieser Anlage. (Die bisher einzige früher nachweisbare Zitruskultur im Reich betrifft die Gärten der Prager Burg 1538, also ebenfalls eine Residenz Ferdinands I.) Um 1534 wurde die Altane zum Michaelerplatz hin, also der Obere Lustgarten, erneuert. Im Zuge dessen wurde an der Außenmauer zum Burgplatz hin ein Brunnen angelegt, den eine 1536 datierte Wappentafel zierte, die 1894/1895 an ihren heutigen Ort versetzt wurde. Am nordwestlichen Rand des Lustgartens erfolgte 1540-1543 der Bau eines Ballhauses mit einer Schneckenstiege, die Unteren und Oberen Lustgarten verband. Für den im 16. Jahrhundert besonders beliebten, dem Tennis ähnliche Sport stand damit eine prächtig ausgestattete Spielstätte zur Verfügung. Ab 1558 wurde zwischen Ballhaus und Burg eine Kunstkammer errichtet. Den beiden wurde durch Rudolf II. ein dreigeschossiger Galerietrakt vorgelagert. Kunsthaus und Galerie nahmen die Kunst- beziehungsweise Schatzkammer auf. Um 1626 wurde der Trakt um einen Badeturm für das kaiserliche Leibbad erweitert. Vom Oberen Lustgarten scheint ein Teil durch eine Mauer abgetrennt zu sein (nachweisbar ab 1640). Dafür ist ab circa 1700 der Name Paradeisgarten belegt. Wahrscheinlich um 1662 wurde der Untere Lustgarten modernisiert.

Um 1590 hat der Rosstummelplatz (heutiger Josefsplatz) den Lustgarten bereits erheblich verkleinert. Die Hofburg um 1590 bis 1609, Rekonstruktion 2013

Zwischen Herrengasse und der Altane bei der Stadtmauer lag ein weiterer Gartenteil. Ab 1534 ließ Ferdinand I. hier einen Irrgarten anlegen, der ikonologisch auf Jason und damit den Orden vom Goldenen Vlies anspielen könnte. Hier befanden sich eine Badestube und eine Schießstätte. Der Irrgarten wurde durch den 1550 bis 1554 errichteten Augustinergang, der eine Verbindung zwischen Burg und Augustinerkirche schaffte, an zwei Seiten eingerahmt. Ab 1551 wich der Irrgarten dem Neuen Lustgarten, der aber schon ab 1565 als Rosstummelplatz genutzt wurde. Der Neue Lustgarten wurde dabei nicht gleich ganz aufgegeben. Von kurzer Dauer war ein in diesem Gartenteil gelegener Kräutergarten, den der berühmte, 1573 von Maximilian II. an den Wiener Hof berufene Botaniker und Arzt Carolus Clusius hier anlegte. Dessen Kräuter sollten die Krankheiten des Kaisers lindern. Reitschulbau (1592 erstmals belegter Vorgängerbau des Prunksaales) und ein Tanzsaaltrakt (erbaut 1629 bis 1631) verkleinerten die Fläche der Gärten.

Das Ensemble um Oberen und Unteren Lustgarten musste ab 1729 dem Bau der Winterreitschule weichen. Für den Abriss der Mauern des Oberen Lustgartens war Sprengstoff nötig, da diese so massiv gebaut waren. Als Rest blieb eine Fläche des ehemaligen Unteren Lustgartens übrig, die gärtnerisch gestaltet wurde. 1775 stark vereinfacht, verschwand das Grün bald zur Gänze. Um 1752 wurde auf den Befestigungsanlagen bei der Löwelbastei ein neuer Hofgarten eingerichtet, für den offenbar nach dem 1729 zerstörten Gartenteil der Name Paradeisgartel gebräuchlich war. Die verbliebene freie Fläches des Hofes wird seit 1775 als Sommerreitschule verwendet.


Literatur

  • Renate Leggatt-Hofer [bis 2015 Holzschuh-Hofer] / Reinhold Sahl [Hg.]: Die Wiener Hofburg. Sechs Jahrhunderte Machtzentrum in Europa, Wien: Brandstätter Verlag 2018
  • Hellmut Lorenz / Anna Mader-Kratky [Hg.]: Die Wiener Hofburg 1705–1835. Die kaiserliche Residenz vom Barock bis zum Klassizismus. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2016 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 3)
  • Mario Schwarz [Hg.]: Die Wiener Hofburg im Mittelalter. Von der Kastellburg bis zu den Anfängen der Kaiserresidenz. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2015 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 1; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 12; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse, 443), besonders 381-391
  • Herbert Karner [Hg.]: Die Wiener Hofburg 1521–1705. Baugeschichte, Funktion und Etablierung als Kaiserresidenz. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2014 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 2), besonders 188-197,428 f., 564-571
  • Christine Ranseder (u.a.): Michaelerplatz. Die archäologischen Ausgrabungen. Wien: MA 7 - Stadtarchäologie ²2011 (Karin Fischer-Ausserer (Hg.): Wien archäologisch 1)