Lida Winiewicz

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Daten zur Person
Personenname Winiewicz, Lida
Abweichende Namensform Winiewicz-Lefèvre, Lida
Titel a.o.Prof.
Geschlecht weiblich
PageID 39881
GND 104622849
Wikidata Q2756481
Geburtsdatum 17. März 1928
Geburtsort Wien 4066009-6
Sterbedatum 7. Oktober 2020
Sterbeort Wien 4066009-6
Beruf Schriftstellerin, Übersetzerin
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Wienbibliothek im Rathaus
Objektbezug
Quelle Gedenktage
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Recherche
Letzte Änderung am 1.03.2024 durch WIEN1.lanm08trj
Begräbnisdatum
Friedhof Zentralfriedhof
Grabstelle Gruppe 40, Nummer 208
Ehrengrab ehrenhalber gewidmetes Grab
  • 1., Johannesgasse 14 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Fernsehpreis der Österreichischen Volksbildung (Übernahme: 14. März 1974)
  • Grimme-Preis (Verleihung: 1976)
  • Romy, Beste Dokumentation (Verleihung: 1990)
  • Goldenes Verdienstzeichen des Landes Wien (Verleihung: 16. September 2008, Übernahme: 25. März 2009)
  • Dramatikerpreis des Theaters Courage (Verleihung: 1960)
  • Wilhelmine-Lüpke-Preis (Verleihung: 1979)
  • Deutscher Industriefilmpreis (Verleihung: 1979)
  • Publikumspreis Telfs (Verleihung: 1997)
  • Preis der Stadt Wien für Literatur (Verleihung: 2017)


Lida Winiewicz, * 17. März 1928 Wien, † 7. Oktober 2020 Wien, Schriftstellerin, Übersetzerin.

Biografie

Lida Winiewicz-Lefèvre war die jüngere zweier Töchter von Karl Siegmund Winiewicz (geb. 24.02.1888) und seiner Frau Maria Stieböck (geb. um 1893), die aus einem wohlhabenden Hietzinger Elternhaus stammte: Ihr Vater war Jurist, die Mutter – auch ihr Name lautete Maria Stieböck – stand einem in der Spiegelgasse 9 gelegenen Betrieb für "Kunstblumenerzeugung, Federnschmuck und Modistengewerbe" vor, der zwar 1906 mit dem Titel des Hoflieferanten ausgezeichnet wurde und beide k. k. Hoftheater belieferte, jedoch noch vor dem Ersten Weltkrieg in Konkurs ging. Maria Stieböck – die Tochter – war ausgebildete Konzertpianistin, die laut Auskunft des autobiographischen Bandes "Der verlorene Ton" auch den kaiserlichen Kindern Unterricht erteilt haben soll. Sie verstarb am 29. April 1929 an Nierenversagen. Karl Winiewicz war ein promovierter Jurist der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft, in deren Dienste er um 1913 eingetreten war. Dessen Vater Henryk Winiewicz, ein Eisenbahner, hatte 1882 seine jüdische Frau Wilhelmine Adolph geheiratet, ein Umstand, der mit Inkrafttreten der NS-Rassengesetze in der "Ostmark" am 20. Mai 1938 bedeutsam wurde, weil sein Sohn Karl nunmehr – laut Diktion der "Nürnberger Gesetze" – als "Halbjude" galt. Durch die zweite Ehe, die Winiewicz um 1931 mit Anna Hollitscher (* 24.05.1905) schloss, mutierte er nach Auslegung dieser Gesetzgebung zum "Volljuden"; seine beiden Töchter aus erster Ehe blieben indessen "Vierteljuden", wie Lida Winiewicz in dem Band "Die Kinder gehen in die Oper" ausführt. Anna Hollitscher, die mit einer Arbeit über den römischen Philosophen Boethius promoviert hatte, stammte ebenfalls aus einem wohlhabenden Haus. Ein Onkel mütterlicherseits war Otto Fuchs, Prokurist des Bankhauses Rothschild. Winiewicz dürfte seine zweite Frau im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit kennengelernt haben, denn ein Onkel väterlicherseits war Wilhelm Hollitscher (1873–1943), Chefingenieur der DDSG und Präsident der Wiener Singakademie. Karl Winiewicz war laut Auskunft des "Neuen Wiener Tagblatts" (07.07.1935, S. 8) Pressechef der DDSG. Er machte sich darüber hinaus auch mit Vorträgen sowie als Herausgeber zweier Ausgaben des "Handbuchs für Donaureisen" einen Namen und kümmerte sich um das Historische Archiv der DDSG, die ihm 1938 fristlos kündigte. Die Kündigung dürfte dadurch beschleunigt worden sein, dass er Gewerkschafter war und seit jeher den Sozialisten nahestand, ohne Parteimitglied zu werden. Dem Ehepaar Winiewicz gelang im September 1938 die Flucht nach Paris, die letzte Wiener Wohnadresse lautete Johannesgasse 14. Die beiden Töchter aus erster Ehe blieben bei einer Tante in Wien zurück.

Für Karl und Anna Winiewicz folgte nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs eine wahre Odyssee durch zahlreiche französische Internierungslager, in denen "feindliche Ausländer" eingesperrt wurden. Die Auswanderung in die USA via Marseille scheiterte an fehlenden Papieren zur Erlangung eines Visums. Sich der Flucht anderer Internierter über die Pyrenäen nach Spanien anzuschließen, wurde von Karl Winiewicz verworfen. Am 26. August 1942 wurden sie mit drei anderen jüdischen Familien, die in Auvillar, einem Dorf im heutigen Département Tarn-et-Garonne, während einer nächtlichen Aktion verhaftet und ins Lager Septfonds verschleppt, das 1939 ursprünglich für Reste der spanischen republikanischen Volksarmee errichtet und im Herbst 1941 geschlossen worden war – bevor man es im August 1942 wieder reaktivierte. Von dort wurde das Ehepaar über Caussade und das berüchtigte Sammel- und Durchgangslager Drancy nördlich von Paris direkt nach Auschwitz deportiert, wo Karl Winiewicz vermutlich am 11. September 1942 sein Leben verlor. Das Datum, an dem seine Frau ermordet wurde, ist unbekannt. Aus der Zeit des Exils ist ein Tagebuch des Vaters überliefert, das er für seine Töchter zu führen begann, als er realisierte, dass seine über einen Kontakt in der Schweiz laufenden Briefe nicht mehr nach Wien durchkamen. Das Diarium, das Lida Winiewicz als wichtige Quelle in ihrem Buch "Die Kinder gehen in die Oper" nutzt, fand sich beim Gepäck des deportierten Ehepaars, das die Töchter Winiewicz 1947 beim Bürgermeister in Auvillar abholten – dort hatte es nach der Verschleppung von Vater und Stiefmutter für fünf Jahre gelegen.

Lida Winiewicz studierte Gesang an der Hochschule für Musik sowie Englisch, Französisch und Italienisch. Ihre literarische Karriere begann sie als Übersetzerin so bekannter Autorinnen und Autoren wie Graham Greene ("Unser Mann in Havanna"), Colette oder Alberto Moravia u.v.a.m. 1960 wurde sie im Rahmen des Dramatikerwettbewerbs des Theaters der Courage für ihr Stück "Das Leben meines Bruders" von Stella Kadmon mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Seither war Winiewicz bekannt als erfolgreiche Bühnenautorin, eine Tätigkeit, der sie seit 1965 im Hauptberuf nachging. Zu den wichtigsten Stücken zählen "Die Wohnung" (1964), "Die Flucht" (1965) und "Späte Gegend" (1993). Umfänglich war ihr Schaffen auch im Fernsehbereich, stammen von ihr doch laut Auskunft des Drehbuchforums Wien knapp 30 Fernsehfilme und 15 TV-Serien, die im Auftrag von in- und ausländischen Sendeanstalten entstanden. So etwa "Der Fall Bohr" (1966) mit Ernst Deutsch und Helmut Qualtinger, "Augenblicke" (1979) mit Paula Wessely, "Diener und andere Herren" (1977) mit Heinz Rühmann, "Blaue Blüten" (1970) mit Walter Schmidinger, "Damenwahl" (1985) mit Ernst Schröder oder auch die Serie "Hofrat Geiger" (1996) mit Peter Weck und Christiane Hörbiger. Besonders erwähnenswert sind ihre gemeinsamen Arbeiten mit dem Regisseur Wolfgang Glück wie "Elternschule" (1975–1977), "Reden und reden lassen" (1975–1977), "Hans und Lene" (1978) und "Unsere Schule" (1983) sowie ihr Drehbuch für den Film "38" nach dem Roman "Auch das war Wien" von Friedrich Torberg. Die Literaturverfilmung wurde 1987 für den Oscar in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film" nominiert, ging jedoch leer aus. Winiewicz legte zudem die deutschsprachigen Libretti für die erfolgreichen Musicals "Anything goes" und "Freudiana" vor.

Seit 2023 befindet sich der Nachlass Lida Winiewiczs an der Wienbibliothek im Rathaus.

Werke (Auswahl)

  • Lida Winiewicz: Achterbahn. Vom Schreiben leben. Wien: Braumüller 2019
  • Lida Winiewicz: Ist die schwarze Köchin da? Kein Kinderspiel. Wien: Braumüller 2018
  • Lida Winiewicz: Der verlorene Ton. Roman. Wien: Braumüller 2016
  • Lida Winiewicz: "Herbert, kauf das!" Als der Kunde noch König war. Wien: Amalthea 2011
  • Lida Winiewicz: Katzentisch. Kulinarische Abenteuer. Wien: Amalthea 2009
  • Lida Winiewicz: Die Kinder gehen in die Oper. Roman. Wien: Amalthea 2007
  • Lida Winiewicz: Geisterbahn. Eine Wiener Weltreise. Wien: Amalthea 2006
  • Lida Winiewicz: Alte Dame, grauer Hund. Eine Österreicherin erlebt Amerika. Wien: Amalthea 2005
  • Archibald J. Cronin: Der spanische Gärtner. Roman. Übers. von Lida Winiewicz. Frankfurt am Main: Fischer 1994
  • Lida Winiewicz: Späte Gegend. Protokoll eines Lebens. Wien/München: Zsolnay 1986
  • Alberto Moravia: Inzest. Roman. Übers. von Lida Winiewicz. München: Desch 1966
  • Thomas Armstrong: König Cotton. Roman. Übers. von Lida Winiewicz. Wien/Hamburg: Zsolnay 1960
  • Andras Laszlo: Die Mutter meines Sohnes. Roman. Übers. von Lida Winiewic. Wien/Hamburg: Zsolnay 1958

Quellen

Weblinks