Hertha

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Daten zur Organisation
Art der Organisation Verein
Datum von 1904
Datum bis 1931
Benannt nach
Prominente Personen Josef Bican, Karl Ostricek, Roman Schramseis, Matthias Sindelar
PageID 12367
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 27.09.2017 durch DYN.krabina

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Hertha (Vereinsfarben: blau-weiß) war ein Sportklub aus Favoriten, der von 1904 bis 1931 bestand. Die Fußballsektion des Vereins gehörte 17 Saisonen lang der obersten österreichischen Liga an und blieb vor allem für ihre Nachwuchsabteilung im Gedächtnis, in der spätere Weltklassespieler wie Matthias Sindelar und Josef Bican ausgebildet wurden.

Gründung, Aufstieg und Erstklassigkeit

Der Verein wurde 1904 von Fußballern, die aus der Jungmannschaft des SC Rudolfshügel ausgetreten waren, als „Allgemeiner Sport-Verein Hertha“, kurz ASV Hertha, gegründet. Ob die Berliner Hertha, welche seit 1901 in der obersten Berliner Spielklasse mitwirkte, als Vorbild für die Wiener Herthaner diente, ist nicht bekannt. Jedenfalls waren die Berliner 1904 vermutlich in Wien zu sehen, zumindest kündigte das „Neue Wiener Tagblatt“ für den 1. November 1904 ein Freundschaftsspiel der Cricketer gegen dieses Team an. Auch berichteten Wiener Zeitungen damals regelmäßig über die Berliner Meisterschaft, die Hertha 1906 erstmals gewinnen konnte.

Die erste Spielstätte des ASV Hertha (in dem Fall ist nur von der Fußballsektion die Rede) befand sich zwischen Favoritenstraße und Laaer-Berg-Straße, nahe dem heutigen Alfred-Böhm-Park. Nachweisbar ist eine Spieltätigkeit ab 1909, als die Herthaner im Mai und September am Cupbewerb für die 2. Klasse teilnahmen, und sich erst im Finale den Cricketern (II) geschlagen geben mussten. Aus dieser Zeit datiert auch eine geringfügige Namensänderung in „Sport Club Hertha“. Ab Juli 1911 wurde Hertha als Klub der 1. Klasse geführt. 1911/1912 nahmen die Blau-Weißen an der ersten regulären Meisterschaft teil und hielten sich mit Ausnahme der Saison 1924/1925 bis 1929/1930 durchgehend im Bewerb. Ihre beste Platzierung war ein 5. Rang (bei 13 Teams) in der Saison 1920/1921.

Stadionspekulation, Abstieg und Auflösung

Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Juli 1914 wurde der Hertha-Platz vom K.u.k. Militär requiriert. Die Blau-Weißen mussten ausgerechnet beim Bezirksrivalen auf dem Rudolfshügel-Platz um vorübergehende Aufnahme bitten. Schon 1917 konnten sie allerdings auf einem von der Gemeinde Wien gepachteten Grundstück in der Quellenstraße 24a einen neuen Sportplatz errichten. Ab 1919 entwickelte sich der Wiener Fußball zum popularen Massenspektakel, die Zuschauerzahlen stiegen sprunghaft. Davon inspiriert und als beliebter Verein im bevölkerungsreichen und fußballbegeisterten Favoriten auf großen Zuspruch hoffend, ging die Vereinsführung von Hertha ein großes finanzielles Wagnis ein und baute den Platz bis 1923 schrittweise zu einem Stadion aus, das bis zu 30.000 Zuschauer fasste. Allein die überdachte Haupttribüne bot 2.800 Sitzplätze. Auch schuf man auf dem Gelände Anlagen für Leichtathletik-Bewerbe und einen Ring für die Boxriege der Blau-Weißen. Im Winter wurde der Platz von der 1925 ins Leben gerufenen Eishockey-Sektion des Vereins verwendet. Die Spekulation ging nie auf. Hertha blieb sportlicher Durchschnitt und die Ränge deshalb schwach gefüllt, auch weil die besten Spieler stets verkauft werden mussten, wie z.B. im Sommer 1924 Matthias Sindelar an die Austria und Teamgoalie Karl Ostricek an die Vienna. Teils, um die horrenden Schulden, die der Stadionbau verursacht hatte, zu tilgen. Teils, weil man sich dem Professionalismus verschrieben hatte und die darob anfallenden Spielergehälter nicht bezahlt werden konnten. Denn obschon Hertha als im Arbeiterbezirk Favoriten angesiedelter Verein auch Mitglied des sozialistischen „Verbands der Arbeiter- und Soldatensportvereine“ (VAS) war, bestritt der Klub in dieser Notsituation nicht den Weg der Nachbarn vom Rudolfshügel, wo dem Profibetrieb mit dem Übertritt zum VAFÖ, dem Nachfolger des VAS, im Jahr 1928 entsagt worden war. Ein weiterer Grund für schwindende Einnahmen war, dass es im Favoriten dieser Jahre ein wöchentliches Überangebot an Profifußball gab. In der Saison 1925/1926 etwa stellte der 10. Bezirk allein drei (von 13) Teams (Hertha, Rudolfshügel, Slovan) bzw. 2 (von 13) Mannschaften (Nicholson, Vorwärts 06) der beiden höchsten Spielklassen.

Abstieg, Nachfolgeverein und Auflösung

Im Viertelfinale des Wiener Cups 1927/1928 besiegten die Mannen von Hertha Rekordmeister Rapid mit 3:1, ein letztes, kurzes sportliches Aufflackern, das im Halbfinale mit einem 0:2 gegen den WAC aber wieder rasch erlosch. Nachdem die Gemeinde Wien schon im Dezember 1927 den Pachtvertrag gekündigt hatte, musste Hertha im Herbst 1928 auch sein Stadiongelände räumen. Das letzte Spiel in der Quellenstraße 24a fand am 8. September 1928 vor nur 3.000 Zuschauern statt, Hertha unterlag dem FC Wacker in der Meisterschaft mit 0:1. Das Stadion wurde geschliffen, stattdessen eine städtische Wohnhausanlage gebaut, die schon 1929 bezugsfertig war. Hertha musste seine Heimspiele von nun an auf dem Platz des Bezirksnachbarn FC Nicholson austragen, man mietete sich aber auch auf anderen Spielstätten, wie dem Wacker-Platz in Meidling, ein.

Im Sommer 1930 stieg Hertha ab und spielte 1930/1931 noch ein letztes Mal in der zweithöchsten Klasse, ehe der Verein im Mai 1931 in Konkurs ging und den Spielbetrieb endgültig einstellen musste. Das letzte Spiel der Blau-Weißen datiert mit dem 17. Mai 1931 und endete mit einem 2:3 gegen die Hakoah. Ein Großteil der Herthaner wechselte zum Favoritner SC, der von Hertha-Mitgliedern ins Leben gerufen worden war. Auch dieser Nachfolgeverein löste sich im Sommer 1936 auf, nachdem er von der 3. Klasse durchmarschiert war und in der Saison 1934/1935 wieder in der obersten Spielklasse gastiert hatte.

Talenteschwemme Hertha

Die nachhaltigste Wirkung entfaltete Hertha aber in der Nachwuchsarbeit. Wie kein anderer Verein verstanden es die Herthaner zahlreiche talentierte, meist aus tschechischen Zuwandererfamilien des Bezirks stammende Buben der Gassen, Parks und Brachen rundum an die Blau-Weißen zu binden und in der so genannten „Jungmannschaft“ (ab 14 Jahren) auszubilden. Dabei legte man vor allem auf balltechnisches Können wert, ganz im Gegensatz zu der meist rustikalen Spielweise anderer Vorstadtklubs. Die später wohl berühmtesten unter diesen Talenten waren: Matthias Sindelar, legendärer Mittelstürmer und Kapitän des Wunderteams und der Austria, der zwischen 1918 und 1924 für die Hertha auflief. Und Josef Bican, späterer Starstürmer unter anderem des SK Rapid und retrospektiv geehrt als „weltbester Torjäger des 20. Jahrhunderts“, der 1927 und 1928 für Hertha spielte. Schon Bicans Vater František hatte in den 1910er-Jahren für Hertha gestürmt, wurde bei einem Spiel aber so schwer verletzt, dass er 1922 an den Folgen dieser Verletzung verstarb. Zwei weitere der vielen bekannten Spieler aus der Talenteschwemme von Hertha waren Wunderteam-Verteidiger Roman Schramseis (1922-1925), der mit Rapid 1930 den Mitropacup gewann und der spätere Teamtorhüter Karl Ostricek.

Literatur

  • Wolfgang Maderthaner, Roman Horak: Mehr als nur ein Spiel. Fußball und populare Kulturen im Wien der Moderne. Wien: Löcker 1997
  • Leo Schidrowitz: Geschichte des Fußballsportes in Österreich. Wien / Wels [u.a.]: Traunau 1951
  • Werner Schubert: Favoriten. Wien: Mohl 1980
  • Wolfgang Slapansky: Hertha-Stadion. In: Andreas Tröscher, Matthias Marschik, Edgar Schütz: Das große Buch der österreichischen Fußballstadien. Göttingen: Werkstatt 2007, S. 86-88
  • Wolfgang Slapansky: Kornkammer des Wiener Fußballs. In: Peter Eppel et al., Hg.: Wo die Wuchtel fliegt. Wien: Löcker 2008, S. 88-92
  • Neues Wiener Tagblatt, 02.09.1904, S. 33
  • Österreichische Fußballdatenbank Austria Soccer: URL: http://www.austriasoccer.at/ [Stand 04.06.2016]