Gymnasium

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Daten zum Begriff
Art des Begriffs Begriffsklärung
Andere Bezeichnung
Frühere Bezeichnung
Nachweisbar von
Nachweisbar bis
Objektbezug Schule
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 10.01.2024 durch WIEN1.lanm08uns


Das Gymnasium ist eine Allgemeinbildende Höhere Schule.

Das humanistische Gymnasium ging aus der Lateinschule des Mittelalters und der Schule der Humanisten hervor. Der Begriff Gymnasium erinnert an die antiken Pflegestellen der Wissenschaften und der körperlichen Übungen. Gymnasien waren und sind auch gegenwärtig durch die Pflege der alten klassischen Sprachen gekennzeichnet; sie dienen hauptsächlich der Vorbildung für das Universitätsstudium. Während der Gegenreformation befanden sich die Gymnasien in den Händen der Jesuiten, die (unter Pater Petrus Canisius) 1552 ein Jesuitenkolleg im Dominikanerkloster gründeten (Akademisches Gymnasium) und bald nach 1600 in allen größeren Städten der Erblande Lateinschulen unterhielten.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gewannen die Piaristen größeren Einfluss; neben Latein standen auch Deutsch, Geschichte, Geographie, Mathematik und Physik auf dem Lehrplan. Mit dem Patent vom 16. November 1735 wurde die Wirksamkeit der Gymnasien unter die Kontrolle des Staats gestellt ("Über die Ordnung und Einrichtung der Schulen"). Mit der Aufhebung des Jesuitenordens (1773) und der Reorganisation der Studienhofkommission (1775) trat die Einflussnahme des Staats stärker in Erscheinung: das Hauptgewicht lag zwar weiterhin auf dem Lateinunterricht, doch wurden Realien verstärkt berücksichtigt (Griechisch war Freigegenstand). Zugelassen wurden nur Knaben nach Vollendung des zehnten Lebensjahrs nach Ablegen einer Aufnahmsprüfung. Durch den Lehrplan 1805 wurden die Gymnasien an Universitäten angegliedert (sechsjährig; "akademische Gymnasien"); alle übrigen Anstalten waren fünfjährig. 1808 erschien der "Gymnasialkodex", eine Sammlung von Vorschriften und Verordnungen, die durch Jahrzehnte das Gymnasialwesen beherrschte (sechsklassige Gymnasien, daran anschließend zwei Jahre Philosophie).

Das am 23. März 1848 errichtete Ministerium des öffentlichen Unterrichts vereinigte die zwei obligaten philosophischen Jahrgänge mit den sechs Klassen des Gymnasiums; somit wurde auch an Orten, an denen bisher diese zwei Jahrgänge nicht bestanden hatten, eine siebte und achte Gymnasialklasse eingeführt (Teilung des Gynmnasiums in Unter- und Obergymnasium mit je vier Klassen, Übergang vom Klassenlehrer- zum Fachlehrersystem). Durch den 1849 von Franz Serafin Exner und Hermann Bonitz verfassten "Entwurf der Organisation der Gymnasien und Realschulen in Oesterreich" wurde ein vollständiger mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht im Gleichgewicht mit den philosophisch-historischen Fächern aufgenommen. Als Abschluss des Studiums wurde die "Maturitätsprüfung" (Matura) eingeführt. Nach fünfjähriger Probezeit erlangte der "Entwurf"' am 9. Dezember 1853 die definitive kaiserliche Sanktion. 1864 wurde das vierklassige Realgymnasium eingerichtet.

Die Staatsgrundgesetze von 1867 unterstellten die Gymnasien der staatlichen Aufsicht. 1878 wurden erstmals Mädchen zur Matura an Gymnasien und zu den philosophischen Studien an der Universität zugelassen. Gemäß Erlass vom 21. Juli 1919 (Bundesgesetzblatt Nummer 44) konnten an Orten, in welchen noch keine eigenen Mädchenmittelschulen bestanden, Mädchen unter bestimmten Aufnahmebedingungen als öffentliche Schülerinnen in die erste Klasse von Knabenmittelschulen aufgenommen werden. Durch das Mittelschulgesetz vom 2. August 1927 (Bundesgesetzblatt Nummer 244) hat das höhere Schulwesen in Österreich erstmals in seiner Gesamtheit eine einheitliche gesetzliche Regelung erfahren: Gymnasium (achtklassig), drei Varianten von Realgymnasien (achtklassig), Realschule (achtklassig), Frauenoberschule (achtklassig). Die erste Klasse ist ident (ohne Fremdsprachenunterricht); von der zweiten bis vierten Klasse unterscheidet sich der Lehrplan nur durch die Fremdsprache. Die nach dem Zweiten Weltkrieg erlassenen "Provisorischen Lehrpläne" fußten auf dem Gedankengut der Schulgesetze von 1927. Sie sollten den Schülern eine umfassende und vertiefte Allgemeinbildung vermitteln und sie zugleich zur Hochschulreife führen. Vor dem Schulgesetzwerk von 1962 besuchten von 100 Mittelschülern 15 das Gymnasium (mit Latein und Griechisch). 1962 wurde die Studiendauer an den allgemeinbildenden höheren Schulen auf neun Jahre erhöht. Der Lateinunterricht beginnt im Gymnasium in der dritten Klasse. Die einzelnen gymnasialen Zweige unterscheiden sich in folgenden Unterrichtsgegenständen: Humanistisches Gymnasium: Griechisch (fünfte bis neunte Klasse); Neusprachliches Gymnasium: zweite lebende Fremdsprache (fünfte bis neunte Klasse); Realistisches Gymnasium: Darstellende Geometrie. Im Schuljahr 1968/1969 waren von den 51 allgemeinbildenden höheren Schulen des Bundes in Wien 38 Gymnasien (Humanistisches Gymnasium elf, Neusprachliches Gymnasium 28, Realistisches Gymnasium 19). 1969 wurde vom Nationalrat die Sistierung des neunten Jahrgangs der allgemeinbildenden höheren Schule zunächst auf fünf Jahre beschlossen.

Literatur

  • Peter Mosser / Theodor Reitterer [Hg.]: Die Mittelschulen in Österreich. Ein Handbuch für Schule und Schulverwaltung. Wien [u.a.]: Österreichischer Bundesverlag 1929
  • Franz Burgstaller / Leo Leitner: Pädagogische Markierungen. Probleme, Prozesse, Perspektiven. 25 Jahre österreichische Schulgeschichte (1962 - 1987). Wien: Österreichischer Bundesverlag 1987
  • Hermann Schnell: Die österreichische Schule im Umbruch. Wien [u.a.]: Jugend und Volk 1974 (Pädagogik der Gegenwart, 113)