Gloriette-Verlag

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Daten zur Organisation
Art der Organisation Verlag
Datum von 30. Dezember 1920
Datum bis 15. Februar 1929
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 71049
GND
WikidataID
Objektbezug Verlagsgeschichte
Quelle Murray G. Hall: Österr. Verlagsgeschichte
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  • 1., Lugeck 7

Frühere Adressierung

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48° 12' 35.61" N, 16° 22' 27.81" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Gloriette-Verlag. Zu den zahlreichen Neugründungen der jungen Republik gehörte auch der Gloriette-Verlag. Am 27. November 1920 beantragten Leo Schidrowitz und Martha Mussotter die Eintragung der "Gloriette-Verlags-Ges.m.b.H." ins Wiener Handelsregister, beide fungierten als Geschäftsführer. Der Gesellschaftsvertrag war mit 20. Dezember 1920 datiert.

Als Gegenstand des Unternehmens führte der Gesellschaftsvertrag die Verlegung, Herstellung und den Vertrieb literarischer und bibliophiler Werke, periodischer und nicht periodischer Druckschriften aller Art an, außerdem die Beteiligung an anderen Unternehmungen des gleichen Geschäftszweigs sowie die Erwerbung solcher Unternehmungen und Vornahme aller mit diesen Tätigkeiten im Zusammenhang stehenden Handelsgeschäfte. Das Stammkapital in Höhe von 50.000 Kronen wurde von den Gesellschaftern Leo Schidrowitz, Martha Mussotter, Simon Jolles und Schulim Vorschirm eingebracht. Der Eintrag ins Wiener Handelsregister erfolgte am 30. Dezember 1920.

Anfang 1922 schied Martha Mussotter als Geschäftsführerin aus der Firma aus, an ihre Stelle trat der Kaufmann Otto Klement. Kurz darauf wurden die Geschäftsanteile und Stammeinlagen sämtlicher Gesellschafter mittels Abtretungsverträgen an Klement übertragen. Leo Schidrowitz, der 1924 den Leo Schidrowitz Verlag gründete und 1925 Gesellschafter des Verlags für Kulturforschung sowie 1932 des Zinnen-Verlags werden sollte, blieb weiterhin kollektivzeichnungsberechtigter Geschäftsführer. Bei der außerordentlichen Generalversammlung am 19. Mai 1923 legte Schidrowitz dann aber seine Stelle als Geschäftsführer zurück. Alleiniger Geschäftsführer war nun Otto Klement.

Im Laufe des Jahres 1924 stellte der Verlag seine Tätigkeit auf einmal ein. Die Ursache hierfür ist vermutlich in den Folgen von Inflation, Börsenkrach und rückläufigem Buchabsatz ebenso zu suchen wie in persönlichen Unstimmigkeiten. Später unterließ Klement die Anmeldung für die Eintragung des Unternehmens in das Handelsregister, die aufgrund des im Juni 1925 eingeführten Goldbilanzengesetzes notwendig geworden wäre. Im Mai 1927 meldete er sich außerdem mit unbekanntem Wohnort ab. Vor diesem Hintergrund erfolgte am 15. Februar 1929 die Löschung der "Gloriette-Verlags-Ges.m.b.H." aus dem Handelsregister.

Ein Teil der schmalen Verlagsproduktion ging an die Hanns Grass Verlagsbuchhandlung in Berlin, weitere Titel wurden von den Wiener Unternehmen Rich. Löwit Verlag und Paul Knepler Verlag übernommen.

Produktion

Die Produktion des Gloriette-Verlags umfasste in den Jahren 1921 bis 1924 etwa ein Dutzend Publikationen, eine einheitliche Linie lässt sich allerdings nur schwer erkennen. Auf dem Gebiet der Belletristik gehörte zu den erfolgreichsten Autoren zweifelsohne der 1925 durch ein Revolverattentat verstorbene Wiener Journalist und Schriftsteller Hugo Bettauer. Von ihm erschienen im Gloriette-Verlag die fünf Romane "Der Frauenmörder" (1922), "Der Herr auf der Galgenleiter" (1923), "Das blaue Mal" (1922) sowie zwei seiner erfolgreichsten Titel "Die Stadt ohne Juden" (1922) und "Die freudlose Gasse" (1924). Neben Bettauer verlegte der Gloriette-Verlag mit Lina Loos, Ewald Gerhard Seeliger und Leo Feigl drei weitere Autorinnen und Autoren.

Die unklare Verlagslinie dokumentieren zwei andere Publikationen, nämlich eine von Anna Nussbaum und Else Feldmann herausgegebene Sammlung von Briefen, Aufsätzen und Zeichnungen der Wiener Schulkinder im Ausland unter dem Titel "Das Reisebuch des Wiener Kindes" (1921) sowie die Schrift "Der Aebtissin St. Hildegadis myst. Tier- u. Artzeneyen-Buch" (1923) von Sancta Hildegard.

Am ehesten kann man einen Schwerpunkt des Verlags auf bibliophilen Werken und Luxusdrucken mit oft ausgefallenen Themen erkennen. Dazu zählten beispielsweise "Die Tänze des Lasters, des Grauens und der Ekstase" (1923) von Anita Berber und Sebastian Droste oder die von Leo Schidrowitz herausgegebene Sammlung erotischer Volkslieder "Das schamlose Volkslied". Letztere erschien im Frühjahr 1921 in drei Ausgaben in Leder, Halbleder und Halbleinen, der Buchschmuck wurde von Viktor Leyrer, H. W. Braun, Mario Petrucci und Robert Kracher besorgt.

Der Gloriette-Verlag versuchte auch, sich auf grafischem Gebiet zu profilieren. So zeichnete die Malerin und Illustratorin Martha von Wagner-Schidrowitz die Umschlagentwürfe aller Bettauer-Bücher. Erwähnenswert ist auch Otto Wolfgangs "Porzellanpagode. Altchinesische Lyrik in Nachdichtungen" (1921) mit Original-Lithografien von Viktor Leyrer. Von Leyrer stammen auch die 1921 im Gloriette-Verlag erschienenen "Phantasien zu Wedekinds 'Frühlings Erwachen'". Sonstige Illustrationen im Gloriette-Verlag wurden von Franz Plachy gefertigt.

Bibliophile Werke, Vorzugsausgaben, Luxusdrucke und dergleichen ließ der Verlag in der Kunstdruckerei Frisch & Co. herstellen. Immer wieder wurden auch Signets entworfen, etwa für die genannte Volksliedersammlung, Lina Loos' Schauspiel "Mutter" oder eine Strichzeichnung der Gloriette als Verlagsemblem.


Literatur