Überschwemmungen in Verordnungen

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Mit diesem Holzstich nach einer Skizze von Gustav Imlauer bebilderte die „Illustrirte Zeitung“ einen Artikel über die Schrecken des Eisstoßhochwassers im Februar 1871 in den Wiener Donauauen.
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Bildname Eisstoss Illustrirte Zeitung 1871 WGW.jpg
Bildunterschrift Mit diesem Holzstich nach einer Skizze von Gustav Imlauer bebilderte die „Illustrirte Zeitung“ einen Artikel über die Schrecken des Eisstoßhochwassers im Februar 1871 in den Wiener Donauauen.

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Zahlreiche kleinere und große Hochwässer sind für die Donau und ihre Zubringer im Wiener Raum – Wienfluss, Liesingbach und die kleineren Wienerwaldbäche – dokumentiert. Obwohl die besiedelte Fläche und die Zahl der Einwohner im Augebiet bis in das 19. Jahrhundert begrenzt war, kam es immer wieder zur Überschwemmung von Siedlungen. Gebäude wurden beschädigt, Besitztümer weggerissen, Menschen ertranken und Ortschaften oder Stadtteile wurden von der Versorgung mit Lebensmitteln und Hilfe abgeschnitten. Baulicher Hochwasserschutz war von der umfassenden Regulierung der Fließgewässer ab der Mitte des 19. Jahrhunderts auf einzelne Gebäude (zum Beispiel Schloss Schönbrunn) und Verkehrsinfrastrukturen wie Brücken und Straßen beschränkt. Dämme und "Wasserwerke" wurden allerdings bereits im Regierungs-Dekret vom 24. Mai 1830 als "das beste Schutzmittel gegen Ueberschwemmungen"[1] in den Vorstädten gesehen. Vorhandene Dämme und Ufersicherungen wurden regelmäßig instand gehalten und jedes Jahr im April sowie nach jeder Überschwemmung einer allgemeinen Überprüfung unterzogen. Neue Ufersicherungen, auch an den kleinen Bächen, mussten von der Niederösterreichischen Landesregierung und Baudirektion genehmigt werden. Zusätzlich existierten zahlreiche "passive" Maßnahmen zum Schutz vor Hochwässern, zur Minimierung von Schäden und zur Vorbereitung von Hilfsleistungen. Eine Sammlung von Vorschriften zum Verhalten vor, während und nach Überschwemmungen wurde nach dem Donau-Hochwasser von 1784 publiziert und beispielsweise im Regierungs-Dekret vom 24. Mai 1830 detailliert wiedergegeben.

Vorschriften zum Verhalten vor und während Überschwemmungen

Häuser und andere Bauwerke mussten mindestens 10 Klafter (circa 19 Meter) Abstand von der Donau einhalten. Das Flussbett der kleineren Bäche, insbesondere Wienfluss, Als, Ottakringer und Währinger Bach, durfte nicht durch Einbauten oder das Abladen von Schutt blockiert werden. Bei Hochwassergefahr waren Müller dazu verpflichtet, alle Ablässe an den Wehren und Mühlbächen zu öffnen. Während der Wintermonate, wenn Eisstoß-Hochwässer zu erwarten waren, mussten alle Schiffe, Flöße und kleineren Fahrzeuge aus dem Donaukanal und Wienfluss entfernt werden. Die Zillen wurden nach Anweisung des Polizei-Bezirks-Commissär in den hochwassergefährdeten Gassen positioniert, mit Rudern und Hacken ausgestattet, mit roten und weißen Fahnen gekennzeichnet und eine Besatzung aus Schiffknechten zugewiesen, die zum Dienst während des Hochwassers verpflichtet war. Die Verweigerung dieses Dienstes wurde mit körperlicher Züchtigung bestraft. Die Gemeinde und Hauseigentümer mussten Zillen, Holzblöcke und Latten zur Errichtung von Notstegen und zur Sicherung der Gebäude bereithalten.
Während des Hochwassers sperrte das Brücken- und Wasserbauamt die Brücken für schwere Wägen und Fußgänger. Schiffe zum Eisschneiden und für die Überfahrt während der Sperre der Brücken beziehungsweise bei deren Einsturz sollten zur Verfügung stehen. In jedem Bezirk sollte ein Rettungshaus eingerichtet werden, in dem polizeiliche und magistratische Commissäre, ein Arzt, eine Hebamme, Rauchfangkehrer, Zimmerleute und die Polizeimannschaft anzutreffen waren. Kranke und Arme sollten bei Überschwemmungen bei Polizeiarzt und Wundarzt beziehungsweise in Krankenhäusern und Armenquartieren Aufnahme finden und die transportfähigen Kranken rechtzeitig an sichere Orte geschafft werden. Die Hausbesitzer sollten dafür Sorge tragen, dass sich alle Einwohner in den oberen Stockwerken aufhielten. Reichte das nicht aus, so wurden die Betroffenen in vom Hochwasser nicht betroffenen Häusern und Haushalten einquartiert. Das Vieh musste ebenfalls rechtzeitig an sichere Orte gebracht werden. Wenn die Zeit wegen des plötzlichen Auftreten des Hochwassers dafür nicht ausreichte, so konnte das Vieh stattdessen an folgende Plätze gebracht werden: in der Leopoldstadt auf das Glacis bei den Hauptmaut-Magazinen und für die Brigittenau das Glacis zwischen dem Schotten- und dem Neutor, für die Roßau das Glacis vor dem roten Haus, und für die Landstraße der Platz vor der Augustinerkirche.
Bäcker und Fleischhacker mussten Sorge tragen, genügend Vorräte für mindestens drei Wochen anzulegen. Alle anderen Lebensmittelhändler mussten Vorräte für mindestens 14 Tage bereithalten. Ein Mehlvorrat wurde bei den Barmherzigen Brüdern, ein Brennholzvorrat im Leopoldstädter Brauhaus angelegt. Der Backofen der Barmherzigen Brüder diente als Aushilfe solange die anderen Backöfen überschwemmt waren. Der Magistrat hatte für ausreichende Trinkwasservorräte vorzusorgen. Polizeisoldaten überwachten den Wasserspiegel und den Zustand der Gebäude und zeigten das Ansteigen und Abschwellen des Wassers mit Warnschüssen an.

Vorschriften für die Zeit nach Überschwemmungen

Nach den Überschwemmungen wurde unverzüglich mit den Aufräumarbeiten begonnen, um die Verkehrswege wieder passierbar und die Häuser wieder bewohnbar zu machen. Die Baudirektion setzte Dämme und Uferschutzbauwerke wieder instand. Bausachverständige beurteilten den Zustand der Gebäude. Feuchte Wohnungen durften wegen des Gesundheitsrisikos nicht sofort wieder bezogen werden. Das Regierungs-Circulare vom 20. März 1823 beschrieb detailliert wie feuchte Wohnungen wieder trockengelegt werden sollten. Möbel, Fußböden und Wände mussten vom Schlamm gereinigt werden. Die Beheizung der Räume mit mobilen Öfen, am besten aus Eisenblech, in Kombination mit regelmäßigem Lüften sollte das Austrocknen befördern. Wenn die Bewohner notgedrungen wieder einziehen mussten, bevor die Räume ausgetrocknet waren, wurde ihnen zu warmer Kleidung, dem Verzehr von warmer Kost sowie einer "mäßigen Gabe von Wein oder Branntwein nach Verschiedenheit des Alters und der vorigen Lebensweise"[2] geraten. Die Räume sollten dann unter Tags weiter geheizt und belüftet werden, Einrichtungsgegenstände von den Mauern abgerückt werden. Auch die Wiederherstellung der Brunnen durch Abschöpfung von Schlamm und Verunreinigungen verdiente besondere Aufmerksamkeit. Die Versorgung mit Trinkwasser durch den Magistrat musste so lange aufrecht erhalten bleiben, bis die Brunnen wieder genutzt werden konnten.

Bauordnungen

Die Bauordnungen enthielten Sonderbestimmungen für das Bauen in Überschwemmungsgebieten. In der ersten Bauordnung von 1829 heißt es in Paragraf 22: "In den der Überschwemmung ausgesetzten Vorstadtgründen wird die Erbauung neuer Häuser nur unter der Bedingung gestattet, daß die Hausflur, mit Rücksicht auf den Wasserstand bei Ueberschwemmungen und mit Beachtung der Local-Verhältnisse, nach den Bestimmungen der Behörden angemessen erhöhet werde."[3] Der Erhöhungsantrag sowie das Niveau des höchsten Wasserstandes waren in den Einreichunterlagen anzugeben. Ab 1835 galt der Wasserstand des Eisstoß-Hochwassers von 1830 als verbindlicher Richtwert. Die Bauordnung von 1883 konkretisierte diese Vorgaben in Paragraf 2: "Bei Umbauten im Ueberschwemmungsrayon sind die Fußböden der ebenerdigen Geschoße 6 Zoll (das sind 15,8 cm) über den Nullpunkt des Pegels im Donaucanale […] zu legen."[4] Die vorgeschriebene Niveauhöhe musste für die Kontrolle durch das Stadtbauamt entweder am Nachbarhaus oder an einem anderen"„stabilen Körper" bezeichnet werden und "zur Hintanhaltung von Fälschungen derselben mit einer Namenschiffre" versehen sein.
Die Bauordnung von 1868 setzte fest, dass ebenerdige Wohnungen in Überschwemmungsgebieten nicht zulässig seien. Im Gemeinderatsbeschluss vom 5. September 1882 wurde festgehalten, dass Souterrainwohnungen im 2. Bezirk und am Erdberger Maiß unzulässig sind. In anderen tiefgelegenen und damit hochwassergefährdeten Bezirksteilen in der Inneren Stadt sowie den ehemaligen Vorstädten Erdberg, Weißgerber, Roßau, Lichtental, Thury und Althan musste für die Bewohnung von Souterrainwohnungen ein Gutachten beim Stadtbauamt und beim Stadtphysikat eingeholt werden. Dafür mussten die Fußböden der betroffenen Wohnungen mindestens vier Meter und alle mit dem Hauskanal in Verbindung stehenden Öffnungen mindestens 4,5 Meter über dem örtlichen Nullwasserspiegel liegen. Der Hauskanal durfte nicht unter der Souterrainwohnung hindurchführen und das Gebäude musste soweit vom Fluss entfernt sein, dass ein Aufsteigen des Grundwassers bis in die Nähe des Fußbodens ausgeschlossen war.

Literatur

  • Anna Hagen: Wiener Bauordnungen und Planungsinstrumente im 19. Jahrhundert. In: Materialien zur Umweltgeschichte Österreichs Nr. 6. Wien: Zentrum für Umweltgeschichte 2015
  • Gertrud Haidvogl / Marianna Guthyne-Horvath / Sylvia Gierlinger / Severin Hohensinner / Christoph Sonnlechner: Urban land for a growing city at the banks of a moving river: Vienna’s spread into the Danube island Unterer Werd from the late 17th to the beginning of the 20th century. In: Water History 5 (2013), S. 195-217
  • Vorschriften vor, während und nach einer Ueberschwemmung der Vorstädte Wiens, und Erneuerung der Vorschriften zur Austrocknung und Bewohnbarmachung überschwemmt gewesener Wohnungen. Regierungs-Dekret vom 24. Mai 1830. Z. 67700. In: Sammlung der Gesetze für das Erzherzogthum Oesterreich unter der Ens. Zwölfter Theil, 1830. Wien 1835: K. k. Hof- und Staats-Aerarial-Druckerei, S. 347-382
  • Vorschriften zur Austrocknung und Bewohnbarmachung überschwemmt gewesener Wohnungen. Circulare der k.k. Landesregierung in dem Erzherzogthume Oesterreich unter der Enns vom 20. Februar 1823, Z. 4891. In: Sammlung der Gesetze für das Erzherzogthum Oesterreich unter der Ens. Zwölfter Theil, 1830. Wien 1835: K. k. Hof- und Staats-Aerarial-Druckerei, S. 383-387
  • Bauordnung für die kaiserl. königl. Haupt- und Residenzstadt Wien. Landesgesetz vom 13. December 1829 (307), Verlautbarung der für Wien und seine Vorstädte entworfenen Bauordnung. Regierungs-Circulare vom 13. December 1829, Zahl 67.863, S. 6
  • Regierungs-Circulare vom 26. September 1838. In: Wiener Bau-Vorschriften. Wien: k. k. Hof- und Staatsdruckerei 1845, S. 12
  • Bauordnung für die k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien. Landesgesetz vom 2. December 1868. Wien 1868: k. k. Hof- und Staatsdruckerei, S. 17-18
  • Bauordnung für die k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien, Landesgesetz- und Verordnungsblatt für das Erzherzogthum unter der Enns Nr. 35 vom 17. Jänner 1883. Wien: Manz’sche k. u. k. Verlags- u. Univ.-Buchhandlung 31893, S. 3-4 und 42-46

Einzelnachweise

  1. Vorschriften vor, während und nach einer Ueberschwemmung der Vorstädte Wiens, und Erneuerung der Vorschriften zur Austrocknung und Bewohnbarmachung überschwemmt gewesener Wohnungen. Regierungs-Dekret vom 24. Mai 1830. Z. 67700. In: Sammlung der Gesetze für das Erzherzogthum Oesterreich unter der Ens. Zwölfter Theil, 1830. K. k. Hof- und Staats-Aerarial-Druckerei, Wien 1835, S. 347.
  2. Vorschriften zur Austrocknung und Bewohnbarmachung überschwemmt gewesener Wohnungen. Circulare der k.k. Landesregierung in dem Erzherzogthume Oesterreich unter der Enns vom 20. Februar 1823, Z. 4891. In: Sammlung der Gesetze für das Erzherzogthum Oesterreich unter der Ens. Zwölfter Theil, 1830. K. k. Hof- und Staats-Aerarial-Druckerei, Wien 1835, S. 386.
  3. Bauordnung für die kaiserl. königl. Haupt- und Residenzstadt Wien. Landesgesetz vom 13. December 1829 (307), Verlautbarung der für Wien und seine Vorstädte entworfenen Bauordnung. Regierungs-Circulare vom 13. December 1829, Zahl 67.863, S. 6, Zweiter Abschnitt, §. 22.
  4. Bauordnung für die k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien, Landesgesetz- und Verordnungsblatt für das Erzherzogthum unter der Enns Nr. 35 vom 17. Jänner 1883. Manz’sche k. u. k. Verlags- u. Univ.-Buchhandlung, 3. Auflage, Wien 1893, S. 3-4, §. 2.