Vindobona

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Vindobona, in antiken Quellen mehrmals überlieferter Name für ein Legionslager an der Donau und den Standort der zehnten Legion.

Da seit alters in der Wiener Innenstadt massenweise gestempelte Ziegel der zehnten Legion gefunden wurden und seit 1870 dort die Überreste eines Legionslagers zu erkennen sind, ist die Identifizierung des Namens Vindobona mit Wien über jeden Zweifel erhaben. Dazu kommt noch, daß die Ziegelstempel eines M. Ant[onius oder ... oninus] Tiberianus, der Vindobona auf den Stempeln als Standort seiner Ziegelbrennerei angibt, nur im Wiener Stadtgebiet, mit Schwerpunkt Zivilstadt, gefunden werden.

Der Name ist eine typisch römischer Komposition, setzt sich aus dem keltischen Personenamen Vindos und dem Substantiv Bona (Gutes dörfliches Anwesen, identisch mit Bolonia, lateinisch Bononia) zusammen und dürfte von den Römern vergeben worden sein. Es ist anzunehmen, daß der Name Vindobona nicht von der keltischen Siedlung auf dem Leopoldsberg, sondern von einem näher beim Legionslager liegenden keltischen Landsitz genommen wurde. Der Name galt wahrscheinlich für folgende Bereiche:

Legionslager, Lagerdorf (canabae) und Friedhöfe

Neueste Ausgrabungen im Bereich Freyung-Schottenkloster-Harrachpalais-Porciapalais haben Hinweise ergeben, daß sich anscheinend dort ein erster Militärstützpunkt befunden hat, dessen Achse der Straßenzug Schottengasse-Herrengasse gewesen sein dürfte. Denkbar wäre, daß dort die Ala I Britannica miliaria gelegen ist, von der im Bereich der Stallburg drei Grabsteine gefunden wurden. Das zeitlich darauffolgende Legionslager wurde jedenfalls nicht an seiner Stelle errichtet, sondern nach Niederösterreich an den Donausteilrand verschoben. Ob zu diesem Zeitpunkt das ältere, im Bereich der Freyung vermutbare Lager aufgegeben wurde oder ob es noch eine Zeitlang bestanden hat, ist bis jetzt nicht zu erkennen. Dagegen sind durch die bisher innerhalb des Legionslagers durchgeführten archäologischen Untersuchungen keine älteren Schichten (auch keine urgeschichtlichen) belegt.

Die bisher schichtenmäßig ergrabenen Reste von Kasernenbauten haben ergeben, daß es nach der Gründungsphase noch zwei Umbauphasen gegeben hat, deren ältere (um 200 nach Christus?) die Grundrisse beibehält, wogegen die jüngere, wohl spätantike und von der Bauqualität her schlechter, neue Grundrisse kennt. Die unter dem Hohen Mark freigelegten Offiziershäuser sind dagegen mindestens viermal umgebaut worden. Eine Zerstörung durch die Markomannenkriege ist im Lagerinneren bisher nicht nachweisbar.

In den Ausgrabungen ist das Ende des Legionslagers gut an den eingestürzten Dächern der Kasernen zu erkennen, über denen eine Schicht liegt, in der zwar keine Bauten mehr nachzuweisen sind, aber noch spätantike Funde begegnen. Darüber folgt eine fundleere Schicht, die übergangslos zu den Fundhorizonten des Hochmittelalters überleitet. Das heißt, daß zwischen Römerzeit und Mittelalter rund sieben Jahrhunderte liegen, die durch Bodenfunde aus dem Bereich des Legionslagers nicht überbrückt werden können. Für eine Weiterbesiedlung während der sogenannten Dunklen Jahrhunderte käme einzig die Umgebung der Ruprechtskirche in Frage, wo sich bisher keine Chance für wissenschaftliche Ausgrabungen geboten hat. Dem bisher festgestellten Loch in der Wiener Frühgeschichte entspricht auch, daß innerhalb der römischen Lagermauer alle mittelalterlichen Baulinien von den römischen abweichen.

Wegen ihrer soliden Bauweise hat die Lagermauer selbst das Ende der Römerzeit überstanden und als Mauerring für die erste mittelalterliche Stadt Verwendung gefunden. Deshalb ist an der Ost-Süd- und Westseite ihr Umriß auch heute im Weichbild der Innenstadt zu erkennen, wogegen die Donauseite entweder abgestürzt oder nachmittelalterliche Terrassierungen zum Opfer gefallen ist.

Topographie im Inneren des Legionslagers

Durch Fundbeobachtungen und Ausgrabungen seit 1870 ist die Innengliederung des Legionslagers in großen Zügen rekonstruierbar: Das Achsenkreuz des Lagers muß im Bereich der Jordangasse gesucht werden, die West-Ost-Achse wurde von der via principalis gebildet, die zwischen den beiden seitlichen Lagertoren an der Wipplingerstraße und in der Ertlgasse verlief. Südlich von ihr befanden sich die Häuser der Stabsoffiziere, nachgewiesen und als Museum eingerichtet im Bereich des Hohen Markts (Römische Ruinen, 1, Hoher Markt 3); südlich der Ruprechtskirche befand sich ein großes Badegebäude (Therme), die Ruprechtskirche selbst scheint auf Kasernen zu stehen. Im Artiskino (Jordangasse) wurden das Pflaster und im Hof von Tuchlauben 17 die westliche Räume des Lagerforums gefunden, vom dahinterliegenden Kommandantenpalast ist dagegen noch nichts ans Tageslicht gekommen. An der Innenseite der Lagermauer verlief die via sagularis (nachweisbar Am Hof 9 [Feuerwehrzentrale]), und an diese legten sich von innen die für rund 5.000 Soldaten bestimmten Kasernen des Legionslagers, die an etlichen Stellen nachgewiesen sind: Am Hof 2, beim Bau der Tiefgarage, bei der Ausgrabung der mittelalterlichen Synagoge auf dem Judenplatz, auf dem Ruprechtsplatz und in der Zone Wildpretmarkt-Brandstätte.

Lagerdorf, lateinisch canabae

Südlich des Legionslagers ist am Michaelerplatz ein Teil des Lagerdorfs freigelegt worden, der durch zwei Straßen geschnitten wird: die eine kommt vom Lagertor Ecke Tuchlauben-Graben und setzt sich durch die Hofburg in Richtung Gumpendorfer Straße, wo ein Meilenstein gefunden wurde, fort; die andere ist der Straßenzug Herrengasse-Augustinerstraße, der die Achse des älteren Militärlagers gewesen ist. Parallel zu dieser scheinen sich Fachwerkhäuser aufgereiht zu haben, von denen am Michaelerplatz, im Hof von Herrengasse 9, des Palais Porcia und des Palais Harrach Reste gefunden wurden. An der Kreuzung dieser Römerstraßen am Michaelerplatz fand sich das Fundament zu einem mindestens zehn m hohen Denkmal, dessen Charakter leider unsicher bleiben muß (Grabpfeiler Ehrenmal?). Auf der Freyung wurden die Reste einer Handwerkersiedlung ergraben, in der am ehesten lederverarbeitende Betriebe ansässig gewesen sein dürften.

Im Lager und vor Allem in den canabae sind einige Töpferöfen (das heißt Töpfereien) nachgewiesen. Auf eine unbekannte Art sind die Gräberfelder des Legionslagers mit den canabae verflochten. Am Neuen Markt, im Bereich des Dorotheums, am Ballhausplatz und am Reischmarkt sind zum Teil sehr fundreiche Soldatengräber gefunden worden, allerdings kein einziger Grabstein.

Zivilstadt

Im Abstand einer Leuge (keltischen Entfernungsmaß von rund zwei km) liegt, wegen der Ausdehnung des militärischen Territoriums um das Legionslager unter dem dritten Bez. eine zivile Siedlung, die Zivilstadt von Vindobona.

Im Gegensatz zu den Zivilstädten bei den anderen Legionslagern der Donauarmee hat die vindobonensische Zivilstadt nie ein Stadtrecht besessen. Ihre Hauptachse scheint in Fortsetzung des Zugs Herrengasse-Augustinerstraße der Rennweg gewesen zu sein, doch ist es durchaus möglich, daß es noch einen weiteren, sich nach der Ausfallstraße aus dem Legionslager orientierenden Straßenzug gegeben hat (die Landstraße Hauptstraße ist es allerdings, wie Ausgrabungen ergeben haben, nicht gewesen).

Von der Siedlung sind an folgenden Stellen Überreste gefunden worden: Häuser im Bereich des Botanischen Gartens und Rennweg 44, ein spätkeltischer Töpferofen an der Ecke Engelsberggasse-Riesgasse und eine große Thermenanlage in der Oberzellergasse; Gräber fanden sich zum Aspangbahnhof hin und außerhalb der Schlachthausgasse. Bisher rätselhaft sind die zueinander parallel verlaufenden Spitzgräben in der Klinisch- und Hohlweggasse geblieben; wahrscheinlich stammen sie von einem unbekannten Hilfstruppenkastell.

Wegen ihrer besonders reichen Funde nimmt die Zivilstadt von Vindobona eine Sonderstellung ein: drei Münzschätze, die zu den größten gehören, die der österreichische Boden je freigegeben hat, die Statuette eines altägyptischen Priesters, die offensichtlich schon in der Römerzeit als Antiquität nach Vindobona gekommen ist, und die Reste von großen Stein- und Bronzeplastiken.

Landbezirk

Über die Ausdehnung des Landbezirkss (ager Vindobonensis) herrscht noch immer Unklarheit. Gesichert erscheinen seine Grenzen lediglich entlang der Donau bis Schwechat (der Grenze des Rom. Reichs) und am Wienerwaldkamm wohl bis Greifenstein (der Provinzgrenze zwischen Noricum und Pannonien), nicht aber im Süden. Hier kommen entweder die Liesing in Frage oder die Schwechat bis Baden (lateinisch Aquae). An Militärbauten gehörte sicher das Hilfstruppenlager von Klosterneuburg dazu (antiker Name verschollen), ein spätantiker Wachtturm im Wertheimsteinpark und eine kleine Siedlung am Pfarrplatz in Heiligenstadt, deren militärischer Charakter allerdings unsicher ist. Im Nahgebiet von Legionslager und Zivilstadt liegen viele Siedlungen, die Villen von Unterlaa (die größte, die auf österreichischen Boden freigelegt wurde), Rothneusiedl, Lainzer Straße, Lainzer Tiergarten, Mauerbach und so weiter sowie die Brückenkopfsiedlung Inzersdorf (Übergang der Fernstraße Vindobona-Scarabantia/Ödenburg). Eine Wasserleitung die wahrscheinlich das Legionslager versorgte, ist von Liesing her über einige km zu verfolgen.

Siedlungen jenseits der Donau

Obwohl die Gebiete nördlich der Donau nicht mehr zum Römischen Reich gehörten, waren sie dennoch dem römischen Einfluß unterworfen. Wegen des intensiven Handels ist auf jeden Fall gegenüber von Vindobona ein germanischer Handelsplatz nachzuweisen (Leopoldau), zu dem noch einige weitere Siedlungen gehört haben dürften, die alle lediglich durch die Aufsammlung von Bodenfunden nachgewiesen sind. In der Leopoldau befand sich ein römischen Militärstützpunkt, der mit Sicherheit als Ausgangsort für militär. Unternehmungen im „Barbarenland" diente.

Vergleiche auch: Am Hof, Hoher Markt (Römische Ruinen), Michaelerplatz (Ausgrabungen).

Literatur

  • Richard Pittioni: Jahrbuch Landeskunde von Niederösterreich 28 (1939-1943), S. l ff.
  • Alfred Neumann: Vindobona - Die römische Vergangenheit Wiens. Wien-Köln-Graz 1972
  • Alfred Neumann: Inschriften aus Vindobona. In: Jahrbuch 69 (1969-1962), S. 27 f.
  • Ortlof Harl: Vindobona. In: Vindobona - Die Römer im Wiener Raum. Kat. HM 52 (1977/1978), S. 84 ff.
  • Ortlof Harl: Vindobona - Das römische Wien. 1979
  • Ortolf Harl: Vindobona, das römische Wien. Wien [u.a.]: Zsolnay 1979 (Wiener Geschichtsbücher, 21/22), S. 252 ff., Abb. 7
  • I. Piso, Municipium Vindobonense. In: Tyche 6 (1991), S. 171 ff.
  • I. Weber-Hiden: Die reliefverzierte Terrasigillata aus Vindobona. In: Wien archäologisches Studium, Teil 1 Legionslager und canabae 1996
  • Die Römer an der Donau. Noricum und Pannonien (Katalog Niederösterreichische Landesausstellung 1972)