Trümmerfrauen: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Truemmerfrauen.jpg|390px|thumb|right|Ansuchen einer ehemaligen Nationalsozialistin um Entschädigung für geleistete Notstandsarbeit im September und Oktober 1945]]
 
[[Datei:Truemmerfrauen.jpg|390px|thumb|right|Ansuchen einer ehemaligen Nationalsozialistin um Entschädigung für geleistete Notstandsarbeit im September und Oktober 1945]]
 
==Trümmerfrauen in Wien und ihre Entschädigung 1951/52 und 2005==
 
==Trümmerfrauen in Wien und ihre Entschädigung 1951/52 und 2005==
Auch für Wien ist Quellenmaterial zu Zwangsverpflichtung von Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten für Notstandsarbeiten erhalten.<ref>[http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Ser+++++00001299ma8Invent#Ser_____00001299ma8Invent Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 202, A2 - Notstandsarbeiten | 1951-1953]; [http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Ser+++++00001300ma8Invent#Ser_____00001300ma8Invent Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 202, A3 - Aufräumungs- und Bergungstrupps | 1945-1946]</ref> Daraus geht hervor, dass ehemalige Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten 1945 und 1946 unter dem Titel „Sühnemaßnahmen“ zu Aufräumungsarbeiten zwangsverpflichtet wurden. Eine große Zahl dieser tausenden von Zwangsverpflichteten klagte die Stadt Wien nach einem oberstgerichtlichen Urteil von 1951, wonach derartige Leistungen zu entschädigen sind,<ref>[https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?ResultFunctionToken=23846e1d-99ba-4122-88c2-9eb88e1be164&Position=1&Abfrage=Justiz&Gericht=&Rechtssatznummer=&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=True&GZ=4+Ob+88%2f54&VonDatum=&BisDatum=18.09.2018&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Dokumentnummer=JJR_19510220_OGH0002_0040OB00021_5100000_001 RIS: OGH, 4Ob21/51 vom 20.02.1951]; weitere Entscheide [https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?ResultFunctionToken=23846e1d-99ba-4122-88c2-9eb88e1be164&Position=1&Abfrage=Justiz&Gericht=&Rechtssatznummer=&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=True&GZ=4+Ob+88%2f54&VonDatum=&BisDatum=18.09.2018&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Dokumentnummer=JJR_19530915_OGH0002_0040OB00115_5300000_001 RIS: OGH, 4Ob115/53; 4Ob88/54; 4Ob67/54; 4Ob62/54 ]</ref> auf Entgelt. Die folgenden arbeitsgerichtlichen Entscheide fielen zu Lasten der Stadt Wien aus. Die Stadt musste die geleisteten Notstandsarbeiten vergüten. In den arbeitsgerichtlichen Akten und Ansuchen deklarierten sich die Frauen und Männer als ehemalige Nationalsozialisten und schilderten die Umstände des Einsatzes, wie etwa Margarete H.: „Im Jahre 1945 wurde ich als ehemalige Nationalsozialistin vom Polizeikommissariat Wien VI. zu den Aufräumungsarbeiten des VI. Gemeindebezirkes herangezogen und mußte täglich von früh bis abends arbeiten. […] Die Nationalsozialisten des Bezirkes mußten sich täglich früh beim Polizeikommissariat  melden und wurde dann die Arbeitseinteilung vorgenommen und verschieden Arbeitspartien zusammengestellt.“<ref>[http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Ser+++++00001299ma8Invent#Ser_____00001299ma8Invent Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 202, A2 - Notstandsarbeiten | 1951-1953, H 1606/1951]
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Auch für Wien ist Quellenmaterial zu Zwangsverpflichtung von Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten für Notstandsarbeiten erhalten.<ref>[http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Ser+++++00001299ma8Invent#Ser_____00001299ma8Invent Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 202, A2 - Notstandsarbeiten | 1951-1953]; [http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Ser+++++00001300ma8Invent#Ser_____00001300ma8Invent Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 202, A3 - Aufräumungs- und Bergungstrupps | 1945-1946]</ref> Daraus geht hervor, dass ehemalige Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten 1945 und 1946 unter dem Titel „Sühnemaßnahmen“ zu Aufräumungsarbeiten zwangsverpflichtet wurden. Eine große Zahl dieser tausenden von Zwangsverpflichteten klagte die Stadt Wien nach einem oberstgerichtlichen Urteil von 1951, wonach derartige Leistungen zu entschädigen sind,<ref>[https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?ResultFunctionToken=23846e1d-99ba-4122-88c2-9eb88e1be164&Position=1&Abfrage=Justiz&Gericht=&Rechtssatznummer=&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=True&GZ=4+Ob+88%2f54&VonDatum=&BisDatum=18.09.2018&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Dokumentnummer=JJR_19510220_OGH0002_0040OB00021_5100000_001 RIS: OGH, 4Ob21/51 vom 20.02.1951]; weitere Entscheide [https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?ResultFunctionToken=23846e1d-99ba-4122-88c2-9eb88e1be164&Position=1&Abfrage=Justiz&Gericht=&Rechtssatznummer=&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=True&GZ=4+Ob+88%2f54&VonDatum=&BisDatum=18.09.2018&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Dokumentnummer=JJR_19530915_OGH0002_0040OB00115_5300000_001 RIS: OGH, 4Ob115/53; 4Ob88/54; 4Ob67/54; 4Ob62/54 ]</ref> auf Entgelt. Die folgenden arbeitsgerichtlichen Entscheide fielen zu Lasten der Stadt Wien aus. Die Stadt musste die geleisteten Notstandsarbeiten vergüten. In den arbeitsgerichtlichen Akten und Ansuchen deklarierten sich die Frauen und Männer als ehemalige Nationalsozialisten und schilderten die Umstände des Einsatzes, wie etwa Margarete H.: „Im Jahre 1945 wurde ich als ehemalige Nationalsozialistin vom Polizeikommissariat Wien VI. zu den Aufräumungsarbeiten des VI. Gemeindebezirkes herangezogen und mußte täglich von früh bis abends arbeiten. […] Die Nationalsozialisten des Bezirkes mußten sich täglich früh beim Polizeikommissariat  melden und wurde dann die Arbeitseinteilung vorgenommen und verschieden Arbeitspartien zusammengestellt.“<ref>[http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Ser+++++00001299ma8Invent#Ser_____00001299ma8Invent Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 202, A2 - Notstandsarbeiten | 1951-1953, H 1606/1951]</ref>
  
 
Im Jahr 2005 beschloss der österreichische Nationalrat auf Initiative von [[FPÖ]] und [[ÖVP]] ein Gesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich geschaffen wurde.<ref>[http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2005_I_89/BGBLA_2005_I_89.pdfsig RIS: BGBl I Nr. 89/2005]; siehe auch: [http://www.ns-quellen.at/gesetz_anzeigen_detail.php?gesetz_id=10084510 ns-quellen.at - Materialien zum Nationalsozialismus Vermögensentzug, Rückstellung und Entschädigung in Österreich]</ref> Damit erhielten auch die zwangsverpflichteten Nationalsozialistinnen nach der 1951/52 gerichtlich erstrittenen Vergütung ihrer Arbeitsleistung durch die Stadt Wien, die samt Verzinsung erfolgte, noch eine Anerkennungszahlung von der Republik.
 
Im Jahr 2005 beschloss der österreichische Nationalrat auf Initiative von [[FPÖ]] und [[ÖVP]] ein Gesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich geschaffen wurde.<ref>[http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2005_I_89/BGBLA_2005_I_89.pdfsig RIS: BGBl I Nr. 89/2005]; siehe auch: [http://www.ns-quellen.at/gesetz_anzeigen_detail.php?gesetz_id=10084510 ns-quellen.at - Materialien zum Nationalsozialismus Vermögensentzug, Rückstellung und Entschädigung in Österreich]</ref> Damit erhielten auch die zwangsverpflichteten Nationalsozialistinnen nach der 1951/52 gerichtlich erstrittenen Vergütung ihrer Arbeitsleistung durch die Stadt Wien, die samt Verzinsung erfolgte, noch eine Anerkennungszahlung von der Republik.
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==Quellen==
 
==Quellen==
* [http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Ser+++++00001299ma8Invent#Ser_____00001299ma8Invent Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 202, A2 - Notstandsarbeiten | 1951-1953]
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* [http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Ser+++++00001299ma8Invent#Ser_____00001299ma8Invent Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 202, A2 - Notstandsarbeiten | 1951-1953]. Diese Aktenserie umfasst 30 Schachteln mit tausenden Einzelfällen.
 
* [http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Ser+++++00001300ma8Invent#Ser_____00001300ma8Invent Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 202, A3 - Aufräumungs- und Bergungstrupps | 1945-1946]
 
* [http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Ser+++++00001300ma8Invent#Ser_____00001300ma8Invent Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 202, A3 - Aufräumungs- und Bergungstrupps | 1945-1946]
 
* [https://www.youtube.com/watch?v=OH11fAJiJQc Mauthausen Komitee Österreich: Interview mit der Widerstandskämpferin und KZ-Überlebenden Käthe Sasso: "Trümmerfrauen in Wien" (veröffentlicht am 1.2.2017)]
 
* [https://www.youtube.com/watch?v=OH11fAJiJQc Mauthausen Komitee Österreich: Interview mit der Widerstandskämpferin und KZ-Überlebenden Käthe Sasso: "Trümmerfrauen in Wien" (veröffentlicht am 1.2.2017)]

Version vom 2. Oktober 2018, 10:19 Uhr

Sogenannte Trümmerfauen bei Aufräumungsarbeiten im Oktober 1946
Daten zum Eintrag
Datum von 1945
Datum bis 1947
Objektbezug Zweiter Weltkrieg
Quelle
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 2.10.2018 durch WIEN1.lanm08son
Bildname Truemmerfrauen1.jpg
Bildunterschrift Sogenannte Trümmerfauen bei Aufräumungsarbeiten im Oktober 1946

Es wurden noch keine Bezeichnungen erfasst!


Definition und neue Studien

Als Trümmerfrauen werden jene Frauen bezeichnet, die nach dem Zweiten Weltkrieg in vielen deutschen und österreichischen Städten beteiligt waren, die durch den Krieg angerichteten Schäden zu beseitigen. Sie waren gemeinsam mit bezahlten Aufräumarbeitern, Kriegsgefangenen und zwangsverpflichteten ehemaligen Nationalsozialisten eine an den Aufräumarbeiten beteiligte Gruppe.

Auf der Basis von Studien in Deutschland, aber auch in Österreich hat sich das Bild zu den Trümmerfrauen nach 2010 gewandelt. Es wurden verschiedene Nachkriegsnarrative in der Bundesrepublik Deutschland (BRD), der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und Österreich herausgearbeitet. Als identitätsstiftendes Element traten die Trümmerfrauen in Österreich erst in den 1960er und 1970er Jahren in Erscheinung.

Insbesondere Untersuchungen des Stadtarchivs München für die eigene Stadt, aber auch Forschungen zu anderen deutschen Städten haben die Zahlen jener Frauen, die zur Räumung der Trümmer beitrugen, gegenüber früheren Annahmen deutlich reduziert und zudem gezeigt, dass viele der Frauen zum Trümmerräumen zwangsverpflichtet wurden, da sie Nationalsozialistinnen gewesen waren. "Die Trümmer­beseitigung fand [somit] als stark stigma­tisierte Straf­arbeit statt, der sich aber viele ehe­malige NSDAP-Mitglieder auch entzogen. Bei frei­willigen 'Trümmerfrauen' war die Arbeit oft eine Überlebens­strategie, da man für die Tätigkeit bessere Lebensmittelkarten erhielt."[1]

Ansuchen einer ehemaligen Nationalsozialistin um Entschädigung für geleistete Notstandsarbeit im September und Oktober 1945

Trümmerfrauen in Wien und ihre Entschädigung 1951/52 und 2005

Auch für Wien ist Quellenmaterial zu Zwangsverpflichtung von Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten für Notstandsarbeiten erhalten.[2] Daraus geht hervor, dass ehemalige Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten 1945 und 1946 unter dem Titel „Sühnemaßnahmen“ zu Aufräumungsarbeiten zwangsverpflichtet wurden. Eine große Zahl dieser tausenden von Zwangsverpflichteten klagte die Stadt Wien nach einem oberstgerichtlichen Urteil von 1951, wonach derartige Leistungen zu entschädigen sind,[3] auf Entgelt. Die folgenden arbeitsgerichtlichen Entscheide fielen zu Lasten der Stadt Wien aus. Die Stadt musste die geleisteten Notstandsarbeiten vergüten. In den arbeitsgerichtlichen Akten und Ansuchen deklarierten sich die Frauen und Männer als ehemalige Nationalsozialisten und schilderten die Umstände des Einsatzes, wie etwa Margarete H.: „Im Jahre 1945 wurde ich als ehemalige Nationalsozialistin vom Polizeikommissariat Wien VI. zu den Aufräumungsarbeiten des VI. Gemeindebezirkes herangezogen und mußte täglich von früh bis abends arbeiten. […] Die Nationalsozialisten des Bezirkes mußten sich täglich früh beim Polizeikommissariat melden und wurde dann die Arbeitseinteilung vorgenommen und verschieden Arbeitspartien zusammengestellt.“[4]

Im Jahr 2005 beschloss der österreichische Nationalrat auf Initiative von FPÖ und ÖVP ein Gesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich geschaffen wurde.[5] Damit erhielten auch die zwangsverpflichteten Nationalsozialistinnen nach der 1951/52 gerichtlich erstrittenen Vergütung ihrer Arbeitsleistung durch die Stadt Wien, die samt Verzinsung erfolgte, noch eine Anerkennungszahlung von der Republik.

Das Bild der Trümmerfrauen als eine sich für die junge Republik aufopfernde Gruppe von freiwilligen Frauen, die die Schäden des Kriegs tatkräftig beseitigen half, wird mit den jüngsten Forschungen in Österreich und Deutschland zunehmend als Mythos dekonstruiert. Die Trümmerfrauen werden auch politisch problematisiert.

Denkmal

Am 1. Oktober 2018 enthüllte Vizekanzler Heinz Christian Strache im Beisein der FPÖ-Regierungsmitglieder ein auf Initiative des FPÖ-nahen Cajetan-Felder-Instituts errichtetes Denkmal für die sogenannten "Trümmerfrauen". Es steht auf Privatgrund bei der Mölker Bastei.


Quellen

Literatur

  • Leonie Treber: Mythos Trümmerfrauen. Von der Trümmerbeseitigung in der Kriegs- und Nachkriegszeit und der Entstehung eines deutschen Erinnerungsortes. Essen: Klartext 2014 (Zugleich Dissertation an der Universität Duisburg-Essen, 2013)

Links

Einzelnachweise