Muriel Gardiner: Unterschied zwischen den Versionen

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Muriel Gardiner, geb. Morris,  * 23. November 1901 Chicago, USA, † 6. Februar  1985
 
Muriel Gardiner, geb. Morris,  * 23. November 1901 Chicago, USA, † 6. Februar  1985
 
Princetown, USA, Psychiaterin, Psychoanalytikerin
 
Princetown, USA, Psychiaterin, Psychoanalytikerin
  
==Biographie==
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==Biografie==
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Muriel Morris wurde 1901 als Tochter eines reichen Fleischverarbeitungsmagnaten in Chicago/USA geboren. Sie studierte bis 1922 am Wellesley College in Massachusetts und ging darauf für ein Auslandsjahr nach Rom. Später studierte sie in Oxford Literatur und kam nach einer kurzen Ehe 1926 nach Wien, um sich von [[Sigmund Freud]] analysieren zu lassen. Dieser vermittelte sie weiter an seine Schülerin, die Amerikanerin Ruth Mack Brunswick. Nach ihrer Psychoanalyse, einer weiteren kurzen Ehe mit dem Engländer Julian Gardiner, der in Wien Musik studierte, und der Geburt ihrer Tochter blieb sie als Alleinerzieherin in Wien und nahm eine Lehranalyse auf, um selbst Psychoanalytikerin zu werden. Sie begann deshalb 1932 ein Medizinstudium an der Universität Wien.
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Obwohl aus reichem Hause stammend, war sie überzeugte Sozialistin und schloss sich, fasziniert von den sozialen Errungenschaften des "Roten Wien", nach der Ausschaltung der Demokratie durch den [[Austrofaschismus]] in Wien 1934 der sozialistischen Untergrundbewegung an. Unter dem Decknamen "Mary“ war sie für die ab 1934 aktiven [[Revolutionäre Sozialisten|Revolutionären Sozialisten]] tätig und lernte deren Vorsitzenden [[Joseph Buttinger]] kennen. Sie stellte ihre beiden Wohnungen und ihr abgelegenes Ferienhaus in Sulz im Wienerwald für konspirative Treffen zur Verfügung und verhalf vor und nach dem "Anschluß" unter Einsatz ihres Lebens zahlreichen politisch und/oder "rassisch" Verfolgten mit Geld, Bürgschaften und falschen Pässen zur Flucht. Muriel Gardiner hatte 1937 ihre psychoanalytische Lehranalyse in Wien abgeschlossen und trieb ihr Medizinstudium voran. Sie blieb nach dem "Anschluß" trotz zunehmender Gefahr noch in Wien und schloss im Juni 1938 ihr Studium trotz zahlreicher Schikanen mit der Promotion zur Dr. med. univ. ab. Sie war aufgrund der langen Widerstandstätigkeit selbst gefährdet und galt, obwohl konfessionslose Amerikanerin, im NS-Staat als "jüdischer Mischling".
  
Sie studierte ab 1926 in Wien Medizin. Unter dem Decknamen "Mary“ war sie für die ab 1934 aktiven [[Revolutionäre Sozialisten|Revolutionären Sozialisten]] tätig und lernte deren Vorsitzenden [[Joseph Buttinger]] kennen, der Verhaftungen im [[Ständestaat]] dadurch entging, dass er Muriels entlegenes Landhaus bewohnen konnte. 1938 promovierte sie in Wien, dann legten ihr die NS-Machthaber nahe, das Land (wie zuvor Buttinger) zu verlassen. Sie heiratete ihn 1939 in Paris. Im selben Jahr emigrierten sie nach Amerika, wo Muriel Gardiner-Buttinger als Ärztin arbeitete.  
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Bald nach ihrer Promotion verließ sie Österreich und ging nach Paris, wo sie den bereits dorthin geflüchteten Joseph Buttinger heiratete. Gemeinsam emigrierten sie nach Kriegsausbruch 1939 in die USA und waren beide lange Jahre in der Flüchtlingshilfe aktiv.
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Muriel Gardiner arbeitete als Ärztin, Autorin und Psychoanalytikerin in den USA und wurde u. a. durch ihre Aufarbeitung von Sigmund Freuds berühmten Fall des "Wolfsmannes" über infantile Neurosen bekannt. Bereits 1978 publizierte sie gemeinsam mit Joseph Buttinger eine erste politische Autobiografie: "Damit wir nicht vergessen - Unsere Jahre 1934 bis 1947 in Wien, Paris und New York", aber erst 1983 veröffentlichte sie ihre Memoiren unter dem Titel "Code Name 'Mary'. Memoirs of an American Woman in the Austrian Underground".
  
1983 veröffentlichte sie ihre Memoiren unter dem Titel "Code Name 'Mary'. Memoirs of an American Woman in the Austrian Underground".
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Muriel Gardiner erhielt 1980 das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Forschung I. Klasse, 1989 wurde in Wien-Favoriten der Muriel-Gardiner-Buttinger-Platz nach ihr benannt.
  
 
==Werke==
 
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* Peter Autengruber, Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere Bezeichnungen. Wien: Pichler Verlag  2014,  9. Auflage, S. 212
 
* Peter Autengruber, Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere Bezeichnungen. Wien: Pichler Verlag  2014,  9. Auflage, S. 212
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* [https://geschichte.univie.ac.at/de/personen/muriel-gardiner-buttinger 650 plus - Geschichte der Universität Wien: Muriel Gardiner Buttinger, Dr. med.]

Version vom 21. Juni 2023, 16:57 Uhr

Muriel Gardiner-Buttinger, aufgenommen 1934 von Trude Fleischmann
Daten zur Person
Personenname Gardiner-Buttinger, Muriel
Abweichende Namensform Morris, Muriel
Titel Dr. med.
Geschlecht weiblich
PageID 33727
GND 12427935X
Wikidata Q875951
Geburtsdatum 23. November 1901
Geburtsort Chicago, USA
Sterbedatum 6. Februar 1985
Sterbeort Princetown, USA
Beruf Psychiaterin, Psychoanalytikerin
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug Adolf Loos (Portal)
Quelle Gedenktage
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 21.06.2023 durch DYN.s.u.e.
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
Bildname Muriel Gardiner Buttinger.jpg
Bildunterschrift Muriel Gardiner-Buttinger, aufgenommen 1934 von Trude Fleischmann
  • 9., Frankgasse 1/12 (Wohnadresse)
  • 9., Rummelhardtgasse 2/6 (Wohnadresse)
  • 8., Lammgasse 8 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse (Verleihung: 1980)

Muriel Gardiner, geb. Morris, * 23. November 1901 Chicago, USA, † 6. Februar 1985 Princetown, USA, Psychiaterin, Psychoanalytikerin

Biografie

Muriel Morris wurde 1901 als Tochter eines reichen Fleischverarbeitungsmagnaten in Chicago/USA geboren. Sie studierte bis 1922 am Wellesley College in Massachusetts und ging darauf für ein Auslandsjahr nach Rom. Später studierte sie in Oxford Literatur und kam nach einer kurzen Ehe 1926 nach Wien, um sich von Sigmund Freud analysieren zu lassen. Dieser vermittelte sie weiter an seine Schülerin, die Amerikanerin Ruth Mack Brunswick. Nach ihrer Psychoanalyse, einer weiteren kurzen Ehe mit dem Engländer Julian Gardiner, der in Wien Musik studierte, und der Geburt ihrer Tochter blieb sie als Alleinerzieherin in Wien und nahm eine Lehranalyse auf, um selbst Psychoanalytikerin zu werden. Sie begann deshalb 1932 ein Medizinstudium an der Universität Wien.

Obwohl aus reichem Hause stammend, war sie überzeugte Sozialistin und schloss sich, fasziniert von den sozialen Errungenschaften des "Roten Wien", nach der Ausschaltung der Demokratie durch den Austrofaschismus in Wien 1934 der sozialistischen Untergrundbewegung an. Unter dem Decknamen "Mary“ war sie für die ab 1934 aktiven Revolutionären Sozialisten tätig und lernte deren Vorsitzenden Joseph Buttinger kennen. Sie stellte ihre beiden Wohnungen und ihr abgelegenes Ferienhaus in Sulz im Wienerwald für konspirative Treffen zur Verfügung und verhalf vor und nach dem "Anschluß" unter Einsatz ihres Lebens zahlreichen politisch und/oder "rassisch" Verfolgten mit Geld, Bürgschaften und falschen Pässen zur Flucht. Muriel Gardiner hatte 1937 ihre psychoanalytische Lehranalyse in Wien abgeschlossen und trieb ihr Medizinstudium voran. Sie blieb nach dem "Anschluß" trotz zunehmender Gefahr noch in Wien und schloss im Juni 1938 ihr Studium trotz zahlreicher Schikanen mit der Promotion zur Dr. med. univ. ab. Sie war aufgrund der langen Widerstandstätigkeit selbst gefährdet und galt, obwohl konfessionslose Amerikanerin, im NS-Staat als "jüdischer Mischling".

Bald nach ihrer Promotion verließ sie Österreich und ging nach Paris, wo sie den bereits dorthin geflüchteten Joseph Buttinger heiratete. Gemeinsam emigrierten sie nach Kriegsausbruch 1939 in die USA und waren beide lange Jahre in der Flüchtlingshilfe aktiv. Muriel Gardiner arbeitete als Ärztin, Autorin und Psychoanalytikerin in den USA und wurde u. a. durch ihre Aufarbeitung von Sigmund Freuds berühmten Fall des "Wolfsmannes" über infantile Neurosen bekannt. Bereits 1978 publizierte sie gemeinsam mit Joseph Buttinger eine erste politische Autobiografie: "Damit wir nicht vergessen - Unsere Jahre 1934 bis 1947 in Wien, Paris und New York", aber erst 1983 veröffentlichte sie ihre Memoiren unter dem Titel "Code Name 'Mary'. Memoirs of an American Woman in the Austrian Underground".

Muriel Gardiner erhielt 1980 das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Forschung I. Klasse, 1989 wurde in Wien-Favoriten der Muriel-Gardiner-Buttinger-Platz nach ihr benannt.

Werke

Deckname "Mary". Wien : Promedia 1989 Mörder ohne Schuld. Frankfurt (Main) : S. Fischer 1979

Literatur