Meldewesen

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Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 26.09.2013 durch WIEN1.lanm08tau

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Meldewesen. Es wurzelt im Personenrecht und jenem Bereich der Verwaltung des Mittelalters, der fremden- und. sicherheitspolizeilichen Aufgaben umfaßte. Während das Stadtrecht Leopolds VI. von 1221 noch zwischen Bürgern und Gästen unterschied, beschränkte sich die Stadtordnung Ferdinands I. von 1526 auf die Nennung von Bürgern, Inwohnern und Tagwerkern und ließ Fremde unberücksichtigt. Die Entscheidung über den Aufenthalt von Fremden lag im Mittelalter beim Bürgermeister und Rat. Die Meldung über die Anwesenheit eines Fremden bedeutete zugleich dessen Aufenthaltsgenehmigung; andernfalls erfolgte nach gerichtlicher Untersuchung die „Abschaffung" (Verweisung). Das Fehlen einer Meldepflicht für die ansässige Bevölkerung wurde durch Häuservisitationen ersetzt, die von Beschreibungs- und Visitationskommissären vorgenommen wurden, die nach der Einführung der Meldepflicht auch für Teile der ansässigen Bevölkerung (Anfang 18. Jahrhundert) für die Einhaltung der Meldevorschriften zu sorgen hatten. Ab 1624 lassen sich von den Hauseigentümern vorzunehmende „Beschreibungen" nachweisen, die von der Behörde angeordnet wurden. Die älteren melderechtlichen Vorschriften standen im Zusammenhang mit Gefahren, die der Stadt aus dem unkontrollierten Aufenthalt von Fremden drohen konnten (Brandstiftung, Epidemien [Pest], Vagabunden, Bettler, Spione); bspielsweise schreibt die Feuerordnung von 1458 ausdrücklich vor, daß niemand beherbergt werden dürfe, der nicht „ain policen von dem purgermaister" besitze, und die Infektionsordnung von 1551 wurde zur Grundlage späterer Sanitärkontrollen.

Am 15. Juli 1564 erließ Ferdinand I. eine Instruktion für den Stadtanwalt zur Handhabung der polizeilichen Ordnung, die für die Entwicklung des Polizeiwesens von Wien von größter Bedeutung wurde; erstmals ist von einer schriftlichen Anmeldung von Fremden mittels „zetln" die Rede. Am 7. Juni 1597 wurde verordnet, daß jeder, der einen Fremden aufnehme, diesen auf je einem Zettel dem Oberst der Stadtguardia beziehungsweise dem Bürgermeister (in den Vorstädten dem Grundrichter) zu melden habe; Verstöße sollten mit dem Entzug des Bürgerrechts geahndet werden. Mit Patent der Niederösterreichischen Regierung vom 18. März 1660 wurde eine Generalbeschreibung aller ansässigen Bewohner der Stadt und der Vorstädte angeordnet, ebenso 1663 von Leopold I. (zu erfassen waren neben Name und Adresse auch Beruf und Religion), der diese Anordnung mehrfach erneuerte (beispielsweise 1696). In die Meldepflicht wurden nun auch die Landkutscher eingebunden, die ihre Passagiere dem Bürgermeister zu melden hatten.

Über Anordnung der Niederösterreichischen Regierung vom 9. Oktober 1703 richtete die Stadt im (alten) Rathaus und bei der Schranne am Hohen Markt geheime Anzeigestellen ein, während mit Regierungsdekret vom 26. Oktober 1703 eigene Viertel- und Gassenkommissäre aufgestellt wurden, die später einer Sicherheitskommission unterstellt wurden; da auch personelle Veränderungen bei Dienstboten, Kost- und Bettgehern zu melden waren, war die Meldepflicht auf die ansässige Bevölkerung ausgedehnt. Das Dekret Karls VI. vom 12. Februar 1722 weitete das Prinzip der Anzeige des Aufenthaltswechsels auf sämtliche Inleute aus. Mit Dekret vom 18. Juni 1751 führte die Niederösterreichische Regierung getrennte Meldeformulare für Standespersonen und „gemeine Leute" ein, getrennt nach bereits anwesenden und neu ankommenden Personen. Im Zuge der zentralistischen Verwaltungsreformen Maria Theresias, die auch das Polizei- und Meldewesen erfaßten, wurden 1754 zugleich mit der Errichtung des Anzeigenamts (einem Vorläufer des Meldeamts) bürgerliche Unterkommissionäre eingesetzt, die die Einhaltung der Meldevorschriften überwachten; die Grundrichter hatten die bei ihnen einlaufenden Zettel zweimal pro Tag an die Repräsentation und Kammer einzusenden.

War das Meldewesen bis zu diesem Zeitpunkt rein sicherheitspolizeilicher Natur, so wurde es mit dem Konskriptionsgesetz vom 27. Mai 1771 zur Grundlage der allgemeinen Verwaltung ausgeweitet (Evidenthaltung der Bevölkerung); die Registrierung von Personen erfolgte als Voraussetzung für die Aufgabenstellungen des modernen Verwaltungsstaats, zunächst insbesondere zwecks Neuorganisation des Rekrutierungswesens (ab 1771 Häusernumerierung, ab 1804 Anlage der Konskriptionsbogen). 1776 wurde durch das Polizeiverfassungsgesetz für jeden der vier in der Stadt und der acht in den Vorstädten eingerichteten Polizeibezirke ein Bezirksaufseher (ab 1. Jänner 1791 ein Bezirksdirektor) bestellt, dem unter anderem die Leitung des Meldewesens übertragen wurde. Der in der damaligen Zeit oftmalige Wohnungswechsel erschwerte die Überwachung beträchtlich. Der Bezirksdirektor hatte ein nach Häusern, Stockwerken und Wohnungen unterteiltes „Hauptbezirksprotokoll" zu führen, in dem er alle Bewohner zu verzeichnen hatte. Im Strafgesetzbuch von 1803 wurden Verstöße gegen die Meldevorschriften als schwere Polizeiübertretungen geahndet. Am 16. Mai 1849 wurden die Vorschriften den geänderten Bevölkerungs- und Zeitverhältnissen angepaßt, wobei nunmehr Untermietern und Bettgehern stärkeres Augenmerk gewidmet wurde; für Dienstboten blieb die Dienstbotenordnung vom 1. Mai 1810 gültig.

Die neue Meldevorschrift von 1849 wurde am 23. Dezember 1859 durch eine Verordnung der Niederösterreichischen Statthalterei ergänzt, die An- und Abmeldungen bei Übersiedlungen genauer regelte. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die melderechtliche Erfassung der Bevölkerung so weit fortgeschritten und das Meldenetz so engmaschig geknüpft, daß am 5. August 1889 im Zentralmeldeamt der k. k. Polizeidirektion. ein Wohnungsauskunftsdienst eingerichtet werden konnte, der unentgeltlich Auskünfte erteilte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Melderecht reformiert; beispielsweise wurden die Meldezettel nicht mehr offen zum Bezirks-Polizeikommissariat gebracht, sondern in verschlossenen Kuverts. Die Reichsmeldeordnung vom 6. Jänner 1938, die in Wien am 1. Jänner. 1941 in Kraft trat, bewirkte eine drastische Verschärfung der Meldevorschriften. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Melderecht ab 1945 mehrfach durch Bundesgesetze geregelt; die Meldegesetznovelle vom 26. September 1985 signalisierte den Übergang zur elektronischen Datenverarbeitung.

Die historischen Meldezettel (ab etwa 1910) befinden sich seit 1977 (Einrichtung des Meldearchivs unter der Direktion. von Felix Czeike) im Wiener Stadt- und Landesarchiv; sie bilden nicht nur biographische und topographische, sondern auch zeitgeschichtliche Dokumente (beispielsweise hinsichtlich politischer Inhaftierung, Emigration und Deportation).

Literatur

  • Herbert Koch, Wohnhaft in Wien Geschichte und Bedeutung des Meldewesens, in: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1946 - lfd. Nr. 41 (1986), Beiheft 3 (bzw. Veröffentlichungen WStLA, Reihe B, H. 14).