Margarethe Ottillinger
- Vorstandsmitglied der Österreichischen Mineralölverwaltung (bis 1982)
Margarete Ottilinger, * 6. Juni 1919 Wien, † 30. November 1992 Wien, Managerin, Beamtin.
Biographie
Margarethe Ottillinger studierte nach dem Besuch des Gymnasiums an der Hochschule für Welthandel Handelswissenschaften und schloss ihr Studium 1940 mit dem Titel Diplomkaufmann ab. 1941 promovierte sie zum Doktor der Handelswissenschaften. Neben ihrem Studium arbeitete Ottillinger bei einer Spedition, einer Kaffeefirma und den Veitscher Magnesitwerken. Danach wurde sie Referentin für sozialwissenschaftliche Fragen und Leiterin der statistischen Abteilung bei der Reichsvereinigung Eisen, Außenstelle Südost. 1944 wurde sie Leiterin der Geschäftsstelle Wien.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Ottillinger Geschäftsführerin des Fachverbandes Berg- und Hüttenwerke der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft. 1946 wurde sie Konsulentin für Wirtschaftsfragen beim Bundesminister für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, Peter Krauland, wo sie maßgeblich an der Erarbeitung der Wirtschaftspläne für den Wiederaufbau Österreichs sowie an der Marshallplanhilfe für Österreich beteiligt war.
Am 5. November 1948 wurde sie an der Ennsbrücke bei St. Valentin durch Angehörige der sowjetischen Besatzungsmacht festgenommen. Im Mai 1949 wurde Ottillinger wegen Beihilfe zum Landesverrat sowjetischer Offiziere und wegen Wirtschaftsspionage zugunsten der Vereinigten Staaten zu 25 Jahre Zwangsarbeit verurteilt. Nach Inhaftierung im Gefängnis des sowjetischen Geheimdienstes, der Lubjanka, in Moskau und diversen Lagern in der Sowjetunion, erkrankte Ottillinger schwer und wurde in ein Invalidenlager verlegt. Nach Abschluss des österreichischen Staatsvertrages kehrte die Handelswissenschaftlerin am 25. Juni 1955 nach Österreich zurück. Das Bild von Margarethe Ottillinger, die auf einer Tragbahre aus dem Zug gehoben wurde, ging um die Welt. Im Juli 1956 wurde das Urteil gegen sie offiziell aufgehoben.
Das eigenartige Verhalten von Bundesminister Krauland im Zuge der Verhaftung von Ottillinger führte in den folgenden Jahren zu Spekulationen über den wahren Verhaftungsgrund. Wegen Unregelmäßigkeiten bei Rückstellungen jüdischer Vermögenswerte musste Minister Krauland wenige Monate nach Ottillingers Verhaftung von seinem Amt zurücktreten. Einer gerichtlichen Verurteilung entging Peter Krauland nur wegen einer kurz zuvor in Kraft getretenen Amnestie.
Nachdem Margarethe Ottillinger sich gesundheitlich wieder erholt hatte, wurde sie zuerst Konsulentin, 1957 Prokuristin und später Vorstandsmitglied der neugegründeten Österreichischen Mineralölverwaltung ÖMV. Bis zu ihrer Pensionierung 1982 war sie im Vorstand für Administration zuständig. Neben ihrer Tätigkeit bei der ÖMV war sie im Aufsichtsrat der Elan-Mineralölvertriebsgesellschaft, der Petrochemie Schwechat, der Adria-Wien-Pipeline-Gesellschaft und anderen Tochtergesellschaften der ÖMV.
Weiters war sie Vorsitzende des arbeitsrechtlichen Ausschusses und Ausschussmitglied des Fachverbandes der Erdölindustrie Österreichs, Kuratoriumsmitglied des Afro-Asiatischen Instituts und von Pro Oriente.
Auf ihre Veranlassung hin wurde auf der Fläche der ehemaligen Luftwaffenkaserne am Georgenberg die Wotruba-Kirche errichtet, da sie ein Gelübde abgelegt hatte, eine Kirche zu errichten, falls sie aus dem Lager in Sibirien entkommen sollte. Am 9. Juni 2013 wurde der Platz vor der Wotruba-Kirche in Ottillingerplatz benannt.
Literatur
- Wienbibliothek im Rathaus/Tagblattarchiv: Ottillinger, Margarethe [Sign.: TP-037179]
- Beppo Beyerl: Eine energische Kämpferin. In: Wiener Zeitung, 24.06.2006. URL: http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/wz_reflexionen/kompendium/114559_Eine-energische-K-und-aumlmpferin.html [Stand: 29.07.2015]
- Catarina Carsten: Der Fall Ottillinger. Eine Frau im Netz politischer Intrigen. Wien: Herder 1983*Stefan Karner [Hg.]: Geheime Akten des KGB. „Margarita Ottilinger“. Graz: Leykam 1992
- Peter Autengruber, Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere Bezeichnungen. Wien: Pichler Verlag 2014, 9. Auflage, S. 223 f.