Ludlamshöhle
48° 12' 22.56" N, 16° 22' 24.19" E zur Karte im Wien Kulturgut
Ludlamshöhle, einer der berühmtesten Treffpunkte von Schauspielern, Sängern, Musikern und Gelehrten des biedermeierlichen Wien. Die freiheitliche Tischrunde bestand seit dem 15. Dezember 1817 und nannte sich nach einer Figur in Adam Gotthold Oehlenschlägers nordischem Nebelmärchenstück „Aladdin", das damals im Theater an der Wien seine Erstaufführung erlebte (Mutter Ludlam war eine Geisterfrau, die in einer Höhle hauste und jedem Menschen so viel borgte, wie er verlangte, ihn jedoch bei unpünktlicher Rückzahlung verfolgte). Die Zusammenkünfte fanden anfangs im Gasthaus „Zum Blumenstock" (Ballgasse) und andernorts, schließlich jedoch im ehemaligen Pfundtnerschen Bierhaus des Bonifaz Haidvogel im Schlossergäßchen statt; Scharfsinniger Ulk und sinnreicher Unsinn waren oberstes Gebot der Unterhaltung. Nach der „Aufnahmsprüfung" wurden Phantasienamen verliehen (Grillparzer: Saphokles der Isterianer [nach seinem Werk „Sappho" und seinem Geburtsort „am Ister"; Ister beziehungsweise Hister war allerdings im Gegensatz zu Danubius die lateinische Bezeichnung für die „untere Donau"]; Carl Maria von Weber: Agathus der Zieltreffer, Edler von Samiel; Friedrich Rückert: Voran der Geharnischte; Castelli: Charon, der Höhlenzote; Daffinger: Rauhbein, der Miniaturige; der Burgschauspieler Karl Schwarz [der die Gesellschaft als „Kalif" auf dem „Ludlamsthron" leitete], hieß [wegen seiner Rauchleidenschaft] Rauchmar, der Cigarringer, aber [wegen seiner Trinkernase] auch Der rote Mohr); auch Beethoven fand sich gelegentlich ein. Nach einem festlich begangenen Geburtstagsfest von Schwarz sprengte die Polizei am 17. April 1826 die Türen des Lokals auf, beschlagnahmte Papiere, Bilder und Tabakspfeifen, verhörte in den frühen Morgenstunden Grillparzer, Castelli und andere Mitglieder der Runde und stellte sie vor Gericht, doch erwies sich alsbald die Harmlosigkeit der Zusammenkünfte.
Als Nachfolgevereinigung entstand als literarische Tischgesellschaft, die am 15. Februar 1855 von Friedrich Kaiser begründete „Grüne Insel".
Literatur
- Unvergängliches Wien. 1963, S. 288 f. (Castelli)
- Karl Wache: Jahrmarkt der Wiener Literatur. (1966, Österr.-Reihe 331/333). Darin: Ignaz Franz Castelli, der Vater der Ludlamshöhle. S. 13 ff.
- Adam Gottlob Öhlenschläger, der Pate der Ludlamshöhle. S. 18 ff.
- Neue Kunde von der alten Ludlamshöhle, S. 29 ff.
- Castelli: Memoiren 2, S. 1 ff.
- Isabella Ackerl [Hg.]: Die Chronik Wiens. Die Weltstadt von ihren Anfängen bis heute. Dortmund: Chronik-Verlag 1988
- Otto Zausmer: Der Ludlamshöhles Glück und Ende. In: Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft. 1935
- Jenni-Wagner-Winkler: Die Blumenaquarelle des Moritz Michael Daffinger. 1987, S. 25 ff.