Joseph Roth: Unterschied zwischen den Versionen

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Roth Joseph, * 2. September 1894 Schwabendorf bei Brody, Ostgalizien (Ukraine), † 27. Mai 1939 Paris (bestattet Cemetière parisien de Thiais), Schriftsteller, Journalist.  
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Roth Joseph, * 2. September 1894 Schwabendorf bei Brody, Ostgalizien (Ukraine), † 27. Mai 1939 Paris, Schriftsteller, Journalist.  
  
 
==Biographie==
 
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Nach der jüdischen Gemeindeschule in Brody besuchte Joseph Roth ebendort das deutschsprachige Gymnasium, das er im Mai 1913 mit ausgezeichneter Matura abschloss. Das folgende Wintersemester studierte er an der Universität in Lemberg, übersiedelte aber bald nach Wien, an dessen Universität er im Sommersemester 1914 Philosophie und Germanistik inskribierte.
 
Nach der jüdischen Gemeindeschule in Brody besuchte Joseph Roth ebendort das deutschsprachige Gymnasium, das er im Mai 1913 mit ausgezeichneter Matura abschloss. Das folgende Wintersemester studierte er an der Universität in Lemberg, übersiedelte aber bald nach Wien, an dessen Universität er im Sommersemester 1914 Philosophie und Germanistik inskribierte.
  
In einem Anflug patriotischer Gesinnung meldete sich Roth 1916 freiwillig an die Front, rückte im August als Einjährig-Freiwilliger im 21. Feldjäger-Bataillon ein, wurde dann allerdings im Pressedienst eingesetzt, zuerst im schwer umkämpften Galizien, danach in Wien. Nach Kriegsende und dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie erlernte Roth das journalistische Handwerk in der Redaktion der neu gegründeten Wiener Tageszeitung [[Der Neue Tag]], in der am 20. April 1919 sein erstes Feuilleton erschien. Nachdem die Zeitung ein Jahr darauf eingestellt wurde, übersiedelte Roth nach Berlin und schrieb vor allem für deutsche Periodika, darunter die “Neue Berliner Zeitung“ und der “Berliner Börsen-Courier“. Er lieferte soziale Reportagen über Kriegsversehrte, Arbeits- und Obdachlose, Schieberwesen und Polizeiwillkür. Mitte 1922 begann seine Mitarbeit am “Vorwärts“, dem “Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“, in dem er die Beiträge gelegentlich mit “Der rote Joseph“ zeichnete; 1924/1925 brachte das republikanische Witzblatt “Lachen links“ satirische Gedichte und Feuilletons aus Roths Feder.
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In einem Anflug patriotischer Gesinnung meldete sich Roth 1916 freiwillig an die Front, rückte im August als Einjährig-Freiwilliger im 21. Feldjäger-Bataillon ein, wurde dann allerdings im Pressedienst eingesetzt, zuerst im schwer umkämpften Galizien, danach in Wien. Nach Kriegsende und dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie erlernte Roth das journalistische Handwerk in der Redaktion der neu gegründeten Wiener Tageszeitung "[[Der Neue Tag]]", in der am 20. April 1919 sein erstes Feuilleton erschien. Nachdem die Zeitung ein Jahr darauf eingestellt wurde, übersiedelte Roth nach Berlin und schrieb vor allem für deutsche Periodika, darunter die "Neue Berliner Zeitung" und der "Berliner Börsen-Courier". Er lieferte soziale Reportagen über Kriegsversehrte, Arbeits- und Obdachlose, Schieberwesen und Polizeiwillkür. Mitte 1922 begann seine Mitarbeit am "Vorwärts", dem "Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei Deutschlands", in dem er die Beiträge gelegentlich mit "Der rote Joseph" zeichnete; 1924/1925 brachte das republikanische Witzblatt "Lachen links" satirische Gedichte und Feuilletons aus Roths Feder.
  
Ab 1923 trat Roth mit größeren erzählerischen Werken hervor, mit denen er Analysen des autoritären Charakters vorlegte, basierend auf einer abgrundtiefen Skepsis gegenüber abstrakten Heilslehren. Thematisch stehen diese “Zeitungsromane“ den zeitgleich entstandenen journalistischen Arbeiten nahe. Den Anfang machte “Das Spinnennetz“, die Geschichte eines jungen nationalsozialistischen Parteigängers, die 1923 als Fortset-zungsroman in der Wiener [[Arbeiterzeitung]]erschien. Es folgten die Romane “Hotel Savoy“ und “Die Rebellion“, die beide 1924 im “Vorwärts“ vorabgedruckt wurden.
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Ab 1923 trat Roth mit größeren erzählerischen Werken hervor, mit denen er Analysen des autoritären Charakters vorlegte, basierend auf einer abgrundtiefen Skepsis gegenüber abstrakten Heilslehren. Thematisch stehen diese "Zeitungsromane" den zeitgleich entstandenen journalistischen Arbeiten nahe. Den Anfang machte "Das Spinnennetz", die Geschichte eines jungen nationalsozialistischen Parteigängers, die 1923 als Fortset-zungsroman in der Wiener "[[Arbeiterzeitung]]" erschien. Es folgten die Romane "Hotel Savoy" und "Die Rebellion", die beide 1924 im "Vorwärts" vorabgedruckt wurden.
  
Zugleich trieb Roth seine journalistische Karriere voran: Ab 1923 heuerte er sowohl beim “Prager Tagblatt“ als auch bei der renommierten “Frankfurter Zeitung“ an. Letztere setzte ihn ab 1925 als Feuilleton-Berichterstatter in Paris ein, es folgten mehrere Reportage-Reisen, aus denen Artikelfolgen wie “Reise in Rußland“, “Reise nach Albanien“, “Briefe aus Polen“ oder “Das vierte Italien“ hervorgingen.
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Zugleich trieb Roth seine journalistische Karriere voran: Ab 1923 heuerte er sowohl beim "Prager Tagblatt" als auch bei der renommierten "Frankfurter Zeitung" an. Letztere setzte ihn ab 1925 als Feuilleton-Berichterstatter in Paris ein, es folgten mehrere Reportage-Reisen, aus denen Artikelfolgen wie "Reise in Rußland", "Reise nach Albanien", "Briefe aus Polen" oder "Das vierte Italien" hervorgingen.
  
Seine Feuilletons machten Roth zu einem der angesehensten Journalisten im Deutschland der 1920er Jahre. Die Geldprobleme, die Roth trotz hoher Honorare plagten, resultierten aus seinem von jahrelanger Alkoholsucht geprägten Lebenswandel und aus seiner Freigebigkeit, sobald Geld vorhanden war. Darüber hinaus brach bei Roths Frau Friederike 1929 eine schwere psychische Krankheit aus, die als Schizophrenie diagnostiziert und somit als unheilbar eingestuft wurde. Für die Kosten der medizinischen Behandlung musste Roth bis 1935 aufkommen. Im Juli 1940, ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes, wurde Friederike Roth in der “Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke“ in Niedernhart bei Linz ermordet.
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Seine Feuilletons machten Roth zu einem der angesehensten Journalisten im Deutschland der 1920er Jahre. Die Geldprobleme, die Roth trotz hoher Honorare plagten, resultierten aus seinem von jahrelanger Alkoholsucht geprägten Lebenswandel und aus seiner Freigebigkeit, sobald Geld vorhanden war. Darüber hinaus brach bei Roths Frau Friederike 1929 eine schwere psychische Krankheit aus, die als Schizophrenie diagnostiziert und somit als unheilbar eingestuft wurde. Für die Kosten der medizinischen Behandlung musste Roth bis 1935 aufkommen. Im Juli 1940, ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes, wurde Friederike Roth in der "Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke" in Niedernhart bei Linz ermordet.
  
Der Roman, den Roth knapp vor dem psychischen Zusammenbruch seiner Frau schrieb, markiert einen Wendepunkt in seinem literarischen Werk: “Hiob“, mit dem er die Wandlung vom gesellschaftspolitisch engagierten Reportagenschreiber zum Romancier vollzog. 1932 schließlich erschien “Radetzkymarsch“, das Werk, das Roth weithin berühmt machte. Es schildert den allmählichen Verfall der österreichisch-ungarischen Monarchie exemplarisch anhand dreier Generationen einer Familie, von der Schlacht bei Solferino im Jahr 1859 bis zum Tod Kaiser Franz Josephs, an das der Roman “Die Kapuzinergruft“ (1938) anschloss.
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Der Roman, den Roth knapp vor dem psychischen Zusammenbruch seiner Frau schrieb, markiert einen Wendepunkt in seinem literarischen Werk: "Hiob", mit dem er die Wandlung vom gesellschaftspolitisch engagierten Reportagenschreiber zum Romancier vollzog. 1932 schließlich erschien "Radetzkymarsch", das Werk, das Roth weithin berühmt machte. Es schildert den allmählichen Verfall der österreichisch-ungarischen Monarchie exemplarisch anhand dreier Generationen einer Familie, von der Schlacht bei Solferino im Jahr 1859 bis zum Tod Kaiser Franz Josephs, an das der Roman "Die Kapuzinergruft" (1938) anschloss.
  
Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland Ende Jänner 1933 verließ Roth Berlin und entschied sich für ein Emigrantenleben, während dessen er immer wieder seinen Aufenthaltsort wechselte. Er hielt sich in Südfrankreich, der Schweiz, in Österreich, Belgien und Holland auf, besuchte Amsterdam, wo die für das deutschsprachige Exil immens wichtigen Verlage Querido und Allert de Lange ihren Sitz hatten. Hauptsächlich wohnte Roth aber während seiner letzten Lebensjahre in Pariser Hotels.
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Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland Ende Jänner 1933 verließ Roth Berlin und entschied sich für ein Emigrantenleben, während dessen er immer wieder seinen Aufenthaltsort wechselte. Er hielt sich in Südfrankreich, der Schweiz, in Österreich, Belgien und Holland auf, besuchte Amsterdam, wo die für das deutschsprachige Exil wichtigen Verlage Querido und Allert de Lange ihren Sitz hatten. Hauptsächlich wohnte Roth aber während seiner letzten Lebensjahre in Pariser Hotels.
  
Bereits die desillusionierende politische Entwicklung in der Weimarer Republik sowie in der Sowjetunion hatten in Roth einen Kulturpessimismus reifen lassen, der sich im Exil verstärkte. Ergebnis war der umfangreiche Essay “Der Antichrist“ (1934), eine Generalabrechnung mit seiner Zeit.   
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Bereits die desillusionierende politische Entwicklung in der Weimarer Republik sowie in der Sowjetunion hatten in Roth einen Kulturpessimismus reifen lassen, der sich im Exil verstärkte. Ergebnis war der umfangreiche Essay "Der Antichrist" (1934), eine Generalabrechnung mit seiner Zeit.   
  
Joseph Roth, dessen stärkste Erlebnisse der Erste Weltkrieg und der Zusammenbruch der Habsburgermonarchie waren, gehört zu den bedeutendsten Erzählern der österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Noch unter den widrigen Umständen der Emigration, körperlich und seelisch verfallend, schuf er Werke wie etwa den kurzen Roman “Das falsche Gewicht“. Roth starb im Mai 1939 in einem Armenspital in Paris.
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Joseph Roth, dessen stärkste Erlebnisse der Erste Weltkrieg und der Zusammenbruch der Habsburgermonarchie waren, gehört zu den bedeutendsten Erzählern der österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Noch unter den widrigen Umständen der Emigration, körperlich und seelisch verfallend, schuf er Werke wie etwa den kurzen Roman "Das falsche Gewicht". Roth starb im Mai 1939 in einem Armenspital in Paris.
  
 
Siehe auch: Joseph-Roth-Preis,  [[Joseph-Roth-Gasse]].
 
Siehe auch: Joseph-Roth-Preis,  [[Joseph-Roth-Gasse]].
  
 
==Literatur==  
 
==Literatur==  
*Hans Giebisch / Gustav Gugitz: Bio-Bibliographisches Literaturlexikon Österreichs von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien: Hollinek 1963
 
*Neue österreichische Biographie ab 1815. Große Österreicher. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1957-1987. Band 20, 1979
 
*Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / Wien/Graz: Böhlau 1954-lfd.
 
*Richard Bamberger / Franz Maier-Bruck: Österreich-Lexikon in zwei Bänden. Wien: Österreichischer Bundesverlag / Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1966
 
*Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon [der Ersten und Zweiten Republik]. Wien: Ueberreuter 1992
 
*Wolfgang Müller-Funk: Joseph Roth. München: Beck 1989 (Beck'sche Reihe, 613: Autorenbücher)
 
*Harry Zohn: "...ich bin ein Sohn der deutschen Sprache nur...". Jüdisches Erbe in der österreichischen Literatur. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1986
 
*Die Vertreibung des Geistigen aus Österreich. Zur Kulturpolitik des Nationalsozialismus. [Zusammenstellung der Ausstellung: Hochschule für Angewandte Kunst in Wien. Katalog: Gabriele Koller ... Für den Inhalt verantwortlich: Oswald Oberhuber]. Wien: Zentralsparkasse 1982
 
*Jean Clair [Hg.]: Vienne 1880 - 1938. L'apocalypse joyeuse, exposition. Paris: Éds. du Centre Pompidou 1986
 
 
*Heinz Lunzer /Victoria Lunzer-Talos: Joseph Roth. Leben und Werk in Bildern. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2009
 
*Heinz Lunzer /Victoria Lunzer-Talos: Joseph Roth. Leben und Werk in Bildern. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2009
 
*Wilhelm von Sternburg: Joseph Roth. Eine Biographie. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2009
 
*Wilhelm von Sternburg: Joseph Roth. Eine Biographie. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2009
*Zeitmagazin, 25.10.1985
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*Wolfgang Müller-Funk: Joseph Roth. München: Beck 1989 (Beck'sche Reihe, 613: Autorenbücher)
*Die Zeit, 14.02.1992, S. 67
 
*Rathaus-Korrespondenz. Wien: Presse- und Informationsdienst, 25.05.1964, 02.09.1969, 23.05.1989
 
  
 
==Links==
 
==Links==

Version vom 19. April 2018, 16:08 Uhr

Daten zur Person
Personenname Roth, Joseph
Abweichende Namensform Roth, Moses Joseph; Roth, Józef
Titel
Geschlecht männlich
PageID 29027
GND 118603140
Wikidata
Geburtsdatum 2. September 1894
Geburtsort Schwabendorf bei Brody
Sterbedatum 27. Mai 1939
Sterbeort Paris
Beruf Schriftsteller, Journalist
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Leo Baeck Institute Center for Jewish History
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 19.04.2018 durch WIEN1.lanm09hug
Begräbnisdatum
Friedhof Cemetière parisien de Thiais (Paris)
Grabstelle
  • 20., Wallensteinstraße 14 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Roth Joseph, * 2. September 1894 Schwabendorf bei Brody, Ostgalizien (Ukraine), † 27. Mai 1939 Paris, Schriftsteller, Journalist.

Biographie

Joseph Roth stammt aus einer jüdischen Familie. Der Vater Nachum Roth, ein Getreideeinkäufer und Holzhändler, verließ seine Frau Maria Roth, geborene Grübel, während der Schwangerschaft und starb 1910 nach jahrelanger psychischer Krankheit.

Nach der jüdischen Gemeindeschule in Brody besuchte Joseph Roth ebendort das deutschsprachige Gymnasium, das er im Mai 1913 mit ausgezeichneter Matura abschloss. Das folgende Wintersemester studierte er an der Universität in Lemberg, übersiedelte aber bald nach Wien, an dessen Universität er im Sommersemester 1914 Philosophie und Germanistik inskribierte.

In einem Anflug patriotischer Gesinnung meldete sich Roth 1916 freiwillig an die Front, rückte im August als Einjährig-Freiwilliger im 21. Feldjäger-Bataillon ein, wurde dann allerdings im Pressedienst eingesetzt, zuerst im schwer umkämpften Galizien, danach in Wien. Nach Kriegsende und dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie erlernte Roth das journalistische Handwerk in der Redaktion der neu gegründeten Wiener Tageszeitung "Der Neue Tag", in der am 20. April 1919 sein erstes Feuilleton erschien. Nachdem die Zeitung ein Jahr darauf eingestellt wurde, übersiedelte Roth nach Berlin und schrieb vor allem für deutsche Periodika, darunter die "Neue Berliner Zeitung" und der "Berliner Börsen-Courier". Er lieferte soziale Reportagen über Kriegsversehrte, Arbeits- und Obdachlose, Schieberwesen und Polizeiwillkür. Mitte 1922 begann seine Mitarbeit am "Vorwärts", dem "Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei Deutschlands", in dem er die Beiträge gelegentlich mit "Der rote Joseph" zeichnete; 1924/1925 brachte das republikanische Witzblatt "Lachen links" satirische Gedichte und Feuilletons aus Roths Feder.

Ab 1923 trat Roth mit größeren erzählerischen Werken hervor, mit denen er Analysen des autoritären Charakters vorlegte, basierend auf einer abgrundtiefen Skepsis gegenüber abstrakten Heilslehren. Thematisch stehen diese "Zeitungsromane" den zeitgleich entstandenen journalistischen Arbeiten nahe. Den Anfang machte "Das Spinnennetz", die Geschichte eines jungen nationalsozialistischen Parteigängers, die 1923 als Fortset-zungsroman in der Wiener "Arbeiterzeitung" erschien. Es folgten die Romane "Hotel Savoy" und "Die Rebellion", die beide 1924 im "Vorwärts" vorabgedruckt wurden.

Zugleich trieb Roth seine journalistische Karriere voran: Ab 1923 heuerte er sowohl beim "Prager Tagblatt" als auch bei der renommierten "Frankfurter Zeitung" an. Letztere setzte ihn ab 1925 als Feuilleton-Berichterstatter in Paris ein, es folgten mehrere Reportage-Reisen, aus denen Artikelfolgen wie "Reise in Rußland", "Reise nach Albanien", "Briefe aus Polen" oder "Das vierte Italien" hervorgingen.

Seine Feuilletons machten Roth zu einem der angesehensten Journalisten im Deutschland der 1920er Jahre. Die Geldprobleme, die Roth trotz hoher Honorare plagten, resultierten aus seinem von jahrelanger Alkoholsucht geprägten Lebenswandel und aus seiner Freigebigkeit, sobald Geld vorhanden war. Darüber hinaus brach bei Roths Frau Friederike 1929 eine schwere psychische Krankheit aus, die als Schizophrenie diagnostiziert und somit als unheilbar eingestuft wurde. Für die Kosten der medizinischen Behandlung musste Roth bis 1935 aufkommen. Im Juli 1940, ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes, wurde Friederike Roth in der "Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke" in Niedernhart bei Linz ermordet.

Der Roman, den Roth knapp vor dem psychischen Zusammenbruch seiner Frau schrieb, markiert einen Wendepunkt in seinem literarischen Werk: "Hiob", mit dem er die Wandlung vom gesellschaftspolitisch engagierten Reportagenschreiber zum Romancier vollzog. 1932 schließlich erschien "Radetzkymarsch", das Werk, das Roth weithin berühmt machte. Es schildert den allmählichen Verfall der österreichisch-ungarischen Monarchie exemplarisch anhand dreier Generationen einer Familie, von der Schlacht bei Solferino im Jahr 1859 bis zum Tod Kaiser Franz Josephs, an das der Roman "Die Kapuzinergruft" (1938) anschloss.

Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland Ende Jänner 1933 verließ Roth Berlin und entschied sich für ein Emigrantenleben, während dessen er immer wieder seinen Aufenthaltsort wechselte. Er hielt sich in Südfrankreich, der Schweiz, in Österreich, Belgien und Holland auf, besuchte Amsterdam, wo die für das deutschsprachige Exil wichtigen Verlage Querido und Allert de Lange ihren Sitz hatten. Hauptsächlich wohnte Roth aber während seiner letzten Lebensjahre in Pariser Hotels.

Bereits die desillusionierende politische Entwicklung in der Weimarer Republik sowie in der Sowjetunion hatten in Roth einen Kulturpessimismus reifen lassen, der sich im Exil verstärkte. Ergebnis war der umfangreiche Essay "Der Antichrist" (1934), eine Generalabrechnung mit seiner Zeit.

Joseph Roth, dessen stärkste Erlebnisse der Erste Weltkrieg und der Zusammenbruch der Habsburgermonarchie waren, gehört zu den bedeutendsten Erzählern der österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Noch unter den widrigen Umständen der Emigration, körperlich und seelisch verfallend, schuf er Werke wie etwa den kurzen Roman "Das falsche Gewicht". Roth starb im Mai 1939 in einem Armenspital in Paris.

Siehe auch: Joseph-Roth-Preis, Joseph-Roth-Gasse.

Literatur

  • Heinz Lunzer /Victoria Lunzer-Talos: Joseph Roth. Leben und Werk in Bildern. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2009
  • Wilhelm von Sternburg: Joseph Roth. Eine Biographie. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2009
  • Wolfgang Müller-Funk: Joseph Roth. München: Beck 1989 (Beck'sche Reihe, 613: Autorenbücher)

Links