Griechen (in Wien): Unterschied zwischen den Versionen

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Die Zweite Türkenbelagerung bildete schließlich den entscheidenden Wendepunkt, auch in der habsburgischen Politik gegenüber den Christen der Ostkirchen; davon profitierten auch die Griechen, die schon 1685 in Wien sesshaft wurden. Hatte die Proklamation [[Leopold I.|Leopolds I.]] von 1690 den in der Donaumonarchie lebenden oder zuwandernden Serben die weitgehende kirchliche Autonomie zugesichert, so öffnete der [[Friede von Passarowitz]] (1718) den griechisch-orthodoxen Untertanen den Weg in den Donauraum und damit nach Wien; die Griechen gingen nicht in der serbischen Kirche auf, sondern waren von Anfang an bestrebt, durch kaiserliche Privilegien ihre Selbständigkeit zu bewahren beziehungsweise auszubauen. Dadurch konnten sich die beiden Wiener griechisch-orthodoxen Gemeinden „Zum heiligen Georg" und „Zur heiligen Dreifaltigkeit" entwickeln; die Griechen bedurften daher nicht des [[Toleranzpatent]]s [[Joseph II.|Josephs II.]] (1781), wurden von ihm aber in sein System der Pfarrregulierung eingebaut, womit die Umwandlung der Bruderschaften in Pfarrgemeinden. ermöglicht wurde. 1780 wurde eine griechische Schule eingerichtet, außerdem wurden Periodika und andere Druckwerke herausgegeben. Für die orthodoxen Griechen, die sich insbesondere im Gebiet des Fleischmarkts niederließen, wurde Wien zur attraktiven Metropole und zum Zentrum des Handelslebens. Sie konzentrierten ihre wirtschaftliche Tätigkeit auf den Handel mit der Levante und waren darin äußerst erfolgreich. Rechtlich unterschied man (auch in den einschlägigen urkundlichen Überlieferungen) zwischen ottomanischen Untertanen und Untertanen der habsburgischen Donaumonarchie. Die kulturellen Leistungen der Griechen und ihr ausgeprägtes Mäzenatentum sind hervorstechende Merkmale des ausgehenden 17. sowie des 18. und 19. Jahrhunderts, wobei die Familien [[Nikolaus Dumba|Dumba]], [[Theodor Georg Karajan|Karajan]] und [[Sina]] eine besondere Rolle spielten; da die Griechen ihre Handelstätigkeit bis in die zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts weitgehend mobil ausübten, blieben ihre Familien im griechischen Makedonien, und das Einkommen floss dorthin zurück. Die kulturellen Leistungen der Wiener Griechen wirkten sich zweifelsohne auch auf den Ausbau und die Weiterentwicklung des griechischen Nationalstaats aus. [[Maria Theresia]]s Anordnung, dass sich die ansässig gewordenen Griechen durch einen Treueid zu binden hatten, änderte die Rechtslage, forderte die Eingliederung von Griechen in die Monarchie und vermehrte die Zahl der österreichisch-griechischen Untertanen erheblich. Dies förderte auch die erwähnte Aufgliederung der Wiener Griechen in zwei Bruderschaften. Die Hochblüte der griechischen Kolonie in Wien wurde etwa um die Zeit des [[Wiener Kongress (1814/1815)]] erreicht, als in Wien etwa 4.000 Griechen lebten (1767 rund 300); fast 90 % der Griechen gehörten dem Handelsstand an. Nach der Errichtung des griechischen Königreichs (1830) ging die Zahl der Griechen in Wien stark zurück. Eine enge geistige Verbindung zu Griechenland hatte auch [[Elisabeth Amalie Eugenie (Österreich-Ungarn)|Kaiserin Elisabeth]] (Refugium „Achilleon" auf Korfu).
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Die [[Zweite Türkenbelagerung (1683)|Zweite Türkenbelagerung]] bildete schließlich den entscheidenden Wendepunkt, auch in der habsburgischen Politik gegenüber den Christen der Ostkirchen; davon profitierten auch die Griechen, die schon 1685 in Wien sesshaft wurden. Hatte die Proklamation [[Leopold I.|Leopolds I.]] von 1690 den in der Donaumonarchie lebenden oder zuwandernden Serben die weitgehende kirchliche Autonomie zugesichert, so öffnete der [[Friede von Passarowitz]] (1718) den griechisch-orthodoxen Untertanen den Weg in den Donauraum und damit nach Wien; die Griechen gingen nicht in der serbischen Kirche auf, sondern waren von Anfang an bestrebt, durch kaiserliche Privilegien ihre Selbständigkeit zu bewahren beziehungsweise auszubauen. Dadurch konnten sich die beiden Wiener griechisch-orthodoxen Gemeinden „Zum heiligen Georg" und „Zur heiligen Dreifaltigkeit" entwickeln; die Griechen bedurften daher nicht des [[Toleranzpatent]]s [[Joseph II.|Josephs II.]] (1781), wurden von ihm aber in sein System der Pfarrregulierung eingebaut, womit die Umwandlung der Bruderschaften in Pfarrgemeinden. ermöglicht wurde. 1780 wurde eine griechische Schule eingerichtet, außerdem wurden Periodika und andere Druckwerke herausgegeben.
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Für die orthodoxen Griechen, die sich insbesondere im Gebiet des Fleischmarkts niederließen, wurde Wien zur attraktiven Metropole und zum Zentrum des Handelslebens. Sie konzentrierten ihre wirtschaftliche Tätigkeit auf den Handel mit der Levante und waren darin äußerst erfolgreich. Rechtlich unterschied man (auch in den einschlägigen urkundlichen Überlieferungen) zwischen ottomanischen Untertanen und Untertanen der habsburgischen Donaumonarchie. Die kulturellen Leistungen der Griechen und ihr ausgeprägtes Mäzenatentum sind hervorstechende Merkmale des ausgehenden 17. sowie des 18. und 19. Jahrhunderts, wobei die Familien [[Nikolaus Dumba|Dumba]], [[Theodor Georg Karajan|Karajan]] und [[Sina]] eine besondere Rolle spielten; da die Griechen ihre Handelstätigkeit bis in die zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts weitgehend mobil ausübten, blieben ihre Familien im griechischen Makedonien, und das Einkommen floss dorthin zurück. Die kulturellen Leistungen der Wiener Griechen wirkten sich zweifelsohne auch auf den Ausbau und die Weiterentwicklung des griechischen Nationalstaats aus. [[Maria Theresia]]s Anordnung, dass sich die ansässig gewordenen Griechen durch einen Treueid zu binden hatten, änderte die Rechtslage, forderte die Eingliederung von Griechen in die Monarchie und vermehrte die Zahl der österreichisch-griechischen Untertanen erheblich. Dies förderte auch die erwähnte Aufgliederung der Wiener Griechen in zwei Bruderschaften. Die Hochblüte der griechischen Kolonie in Wien wurde etwa um die Zeit des [[Wiener Kongress (1814/1815)]] erreicht, als in Wien etwa 4.000 Griechen lebten (1767 rund 300); fast 90 % der Griechen gehörten dem Handelsstand an. Nach der Errichtung des griechischen Königreichs (1830) ging die Zahl der Griechen in Wien stark zurück. Eine enge geistige Verbindung zu Griechenland hatte auch [[Elisabeth Amalie Eugenie (Österreich-Ungarn)|Kaiserin Elisabeth]] (Refugium „Achilleon" auf Korfu).
  
Gedenktafel (enthüllt 8. November 1998) an der Griechischen (nicht unierten) Kirche (1, Griechengasse 4) zur Erinnerung an Rhigas Velestinlis-Pheraios, der am 8. November 1798 den Märtyrertod gestorben ist.
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Gedenktafel (enthüllt 8. November 1998) an der Griechischen (nicht unierten) Kirche ([[1]], [[Griechengasse 4]]) zur Erinnerung an Rhigas Velestinlis-Pheraios, der am 8. November 1798 den Märtyrertod gestorben ist.
  
 
==Literatur==
 
==Literatur==
 
* Willibald M. Plöchl: Die Wiener orthodoxen Griechen. Eine Studie zur Rechts- und Kulturgeschichte der Kirchengemeinden zum Hl. Georg und zur Hl. Dreifaltigkeit und zur Errichtung der Metropolis von Austria. Wien: Verlag des Verbandes der Wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs 1983 (Kirche und Recht, 16)
 
* Willibald M. Plöchl: Die Wiener orthodoxen Griechen. Eine Studie zur Rechts- und Kulturgeschichte der Kirchengemeinden zum Hl. Georg und zur Hl. Dreifaltigkeit und zur Errichtung der Metropolis von Austria. Wien: Verlag des Verbandes der Wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs 1983 (Kirche und Recht, 16)

Version vom 23. Juni 2017, 15:53 Uhr

Griechischer Kaufmann, Kupferstich 1775
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Datum bis
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Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 23.06.2017 durch WIEN1.lanm08mic
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Bildunterschrift Griechischer Kaufmann, Kupferstich 1775

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Griechen (in Wien). Die Geschichte der Griechen ist mit der Geschichte der Politik der Donaumonarchie gegenüber den Orthodoxen eng verknüpft. Die Anfänge der Beziehungen reichen in die Babenbergerzeit zurück (Tätigkeit griechischer Kaufleute in Wien schon vor dem Ersten Kreuzzug [1096-99]; Heirat Herzog Heinrichs II. Jasomirgott mit der griechischen Prinzessin Theodora [1148 nach byzantinischen Ritus in der Hagia Sophia] während des 2. Kreuzzugs [1147-1149]; Heirat Herzog Leopolds VI. mit einer anderen byzantinischen Prinzessin Theodora; Heirat Herzog Friedrichs II. mit Sophie Laskaris von Byzanz). Durch Heinrichs Theodora entstand am Wiener Hof eine österreichisch-griechische Glanzzeit, die durch die Übernahme griechischer Lieder in die Spielmannspoesie gekennzeichnet ist (beispielsweise Wiegenlied „heia popeia"); der „Wiener Hofton" (auch Walthers von der Vogelweide) verfügte (nach Egon Wellesz) über einen melodischen und rhythmischen Aufbau, der es erleichterte, den Zusammenhang mit dem byzantinischen Liederschatz herzustellen. Der kulturell hochstehende byzantinische Einfluss wirkte sich auf Wien und seine Entwicklung, aber auch auf die internationale Bedeutung Wiens äußerst positiv aus. Bis ins 15. Jahrhundert zogen griechisch-makedonische Handelsleute in Karawanenart nach dem Norden (Handel mit Spezereien, Tabak, Fellen, Häuten und Wolle), nach 1430 (Eroberung von Thessaloniki durch die Türken), als der Handel mit Venedig beeinträchtigt wurde, überwiegend flussaufwärts auf der Donau. Das Bestreben zur Gemeinschaftsbildung und zu Niederlassungen förderte die Entwicklung maßgeblich; der Zug zur Gemeinschaft forderte die Erhaltung der griechischen Substanz. Die Eroberung Konstantinopels durch die Türken (1453) verursachte eine Flüchtlings- und Emigrationswelle, die sich allerdings nur zu einem geringen Teil nach Wien ergoss. In der Habsburgerzeit ließ der Zustrom deshalb nach, weil sich Österreich in einen Konfrontationskurs gegenüber der Türkei begab und Wien als Vorort des Reichs in die Kampfzone der osmanischen Reichspolitik gerückt wurde.

Griechen im Kaffeehaus auf der Rotenturmbastei (1817).
Griechen in einem Wiener Kaffeehaus (1824).

Die Zweite Türkenbelagerung bildete schließlich den entscheidenden Wendepunkt, auch in der habsburgischen Politik gegenüber den Christen der Ostkirchen; davon profitierten auch die Griechen, die schon 1685 in Wien sesshaft wurden. Hatte die Proklamation Leopolds I. von 1690 den in der Donaumonarchie lebenden oder zuwandernden Serben die weitgehende kirchliche Autonomie zugesichert, so öffnete der Friede von Passarowitz (1718) den griechisch-orthodoxen Untertanen den Weg in den Donauraum und damit nach Wien; die Griechen gingen nicht in der serbischen Kirche auf, sondern waren von Anfang an bestrebt, durch kaiserliche Privilegien ihre Selbständigkeit zu bewahren beziehungsweise auszubauen. Dadurch konnten sich die beiden Wiener griechisch-orthodoxen Gemeinden „Zum heiligen Georg" und „Zur heiligen Dreifaltigkeit" entwickeln; die Griechen bedurften daher nicht des Toleranzpatents Josephs II. (1781), wurden von ihm aber in sein System der Pfarrregulierung eingebaut, womit die Umwandlung der Bruderschaften in Pfarrgemeinden. ermöglicht wurde. 1780 wurde eine griechische Schule eingerichtet, außerdem wurden Periodika und andere Druckwerke herausgegeben. Für die orthodoxen Griechen, die sich insbesondere im Gebiet des Fleischmarkts niederließen, wurde Wien zur attraktiven Metropole und zum Zentrum des Handelslebens. Sie konzentrierten ihre wirtschaftliche Tätigkeit auf den Handel mit der Levante und waren darin äußerst erfolgreich. Rechtlich unterschied man (auch in den einschlägigen urkundlichen Überlieferungen) zwischen ottomanischen Untertanen und Untertanen der habsburgischen Donaumonarchie. Die kulturellen Leistungen der Griechen und ihr ausgeprägtes Mäzenatentum sind hervorstechende Merkmale des ausgehenden 17. sowie des 18. und 19. Jahrhunderts, wobei die Familien Dumba, Karajan und Sina eine besondere Rolle spielten; da die Griechen ihre Handelstätigkeit bis in die zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts weitgehend mobil ausübten, blieben ihre Familien im griechischen Makedonien, und das Einkommen floss dorthin zurück. Die kulturellen Leistungen der Wiener Griechen wirkten sich zweifelsohne auch auf den Ausbau und die Weiterentwicklung des griechischen Nationalstaats aus. Maria Theresias Anordnung, dass sich die ansässig gewordenen Griechen durch einen Treueid zu binden hatten, änderte die Rechtslage, forderte die Eingliederung von Griechen in die Monarchie und vermehrte die Zahl der österreichisch-griechischen Untertanen erheblich. Dies förderte auch die erwähnte Aufgliederung der Wiener Griechen in zwei Bruderschaften. Die Hochblüte der griechischen Kolonie in Wien wurde etwa um die Zeit des Wiener Kongress (1814/1815) erreicht, als in Wien etwa 4.000 Griechen lebten (1767 rund 300); fast 90 % der Griechen gehörten dem Handelsstand an. Nach der Errichtung des griechischen Königreichs (1830) ging die Zahl der Griechen in Wien stark zurück. Eine enge geistige Verbindung zu Griechenland hatte auch Kaiserin Elisabeth (Refugium „Achilleon" auf Korfu).

Gedenktafel (enthüllt 8. November 1998) an der Griechischen (nicht unierten) Kirche (1, Griechengasse 4) zur Erinnerung an Rhigas Velestinlis-Pheraios, der am 8. November 1798 den Märtyrertod gestorben ist.

Literatur

  • Willibald M. Plöchl: Die Wiener orthodoxen Griechen. Eine Studie zur Rechts- und Kulturgeschichte der Kirchengemeinden zum Hl. Georg und zur Hl. Dreifaltigkeit und zur Errichtung der Metropolis von Austria. Wien: Verlag des Verbandes der Wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs 1983 (Kirche und Recht, 16)