Arthur Seyß-Inquart: Unterschied zwischen den Versionen

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==Biographie==
 
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Seyß-Inquarts Vater Emil war Direktor des deutschen Gymnasiums in Olmütz. Nach der Pensionierung des Vaters übersiedelte die Familie 1908 nach Baden bei Wien, wo Seyß-Inquart Mitglied des deutschnationalen "Gesangsvereins Baden"  und des "Vereins Südmark" wurde. Ab Herbst 1910 studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Seine Studien wurden durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs unterbrochen.  Er heiratete im Dezember 1916 seine Verlobte Gertrud Máschka, Tochter des im k.u.k. Kriegsministeriums Dienst tuenden Offiziers Dr. Karl Máschka, und promovierte auf Fronturlaub 1917 in Wien. Nach Kriegsende war Seyß-Inquart auf Vermittlung seines Schwiegervaters Konzipient in der Anwaltskanzlei von Dr. Gustav Dölter, Am Hof 5, im ersten Wiener Gemeindebezirk.
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Studierte (während des Kriegsdiensts) Jus (Dr. jur. 1917), ließ sich 1921 als Rechtsanwalt in Wien nieder und fand Anschluss an nationale Organisationen. Obwohl gemäßigter Katholik, schloss er sich bereits 1929 den Nationalsozialisten an, war ab 1931 aktiv im "Steirischen Heimatschutz" tätig (der 1933 in der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei]] [NSDAP] aufging) und pflegte ab etwa 1934 engsten Kontakt mit der illegalen Österreichischen NSDAP. Er wurde als einer der Führer der nationalen Katholiken von Bundeskanzler [[Kurt von Schuschnigg]] umworben, jedoch erst am 17. Juni 1937 in den Staatsrat berufen, in dem er eine Befriedung zwischen Regierung und Nationalsozialisten herbeiführen sollte. Er trat für eine Politik der kleinen Schritte und der Gewaltlosigkeit ein, die auch von Hitler akzeptiert wurde; über dessen Forderung ernannte ihn [[Kurt von Schuschnigg|Schuschnigg]] im Februar 1938 zum Innen- und Sicherheitsminister. Nach Schuschniggs Rücktritt (11. März 1938) war Seyß-Inquart Bundeskanzler (zugleich auch Vertreter des zurückgetretenen Bundespräsidenten [[Wilhelm Miklas|Miklas]]), vollzog nach Görings Weisungen den "Anschluss" und wurde am 15. März 1938 zum Reichsstatthalter für die Ostmark ernannt. Nach kurzer Tätigkeit in Polen (ab 15. August 1939 Zivilverwaltungschef beim Oberkommando des Heeres in Polen, nach Errichtung des Generalgouvernements Stellvertreter Franks) wurde er am 18. Mai 1940 Reichskommissär für die (besetzten) Niederlande (diese Tätigkeit führte zu seiner Verurteilung im Nürnberger Prozess).
 
 
Im August 1921 legte Seyß-Inquart die Anwaltsprüfung ab, wurde als Rechtsanwalt eingetragen und trat als Partner in die Kanzlei von Dr. Dölter ein. Seyß-Inquart spezialisierte sich auf Arbeitsrecht und vertrat Klienten wie die Bodencreditanstalt, Industrielle und große Handelshäuser. Sein Chef, später Teilhaber Dölter führte ihn in die deutschnational-antisemitische "Deutsche Gemeinschaft" ein, der auch der junge [[Engelbert Dollfuß]] angehörte.
 
 
 
1925 übernahm Seyß-Inquart vollständig die Kanzlei seines alten Chefs. Er bezog eine Wohnung im noblen Teil des 17. Wiener Gemeindebezirks, in Dornbach.  Als Mitglied des "Deutschen Klubs" speiste Seyß-Inquart regelmäßig im [[Trattnerhof]] zu Mittag, wo er mit anderen einflussreichen Deutschnationalen wie Ing. [[Hermann Neubacher]] oder Dr. Hans Fischböck in Kontakt kam. 
 
Im von Hermann Neubacher 1925 gegründeten  "Österreichisch-Deutschen Volksbund" war Seyß-Inquart Vorstandsmitglied. Er gehörte ebenfalls dem "Neuland-Bund" an, zu dessen Mitgliedern u.a. Dr. Wilhelm Wolf, der spätere Außenminister im "Anschlusskabinett", gehörte.
 
Im August 1928 verunglückte Seyß-Inquart bei einer Bergtour in Südtirol auf dem Ortler schwer. Er musste mehrmals operiert werden und hatte den Rest seines Lebens ein steifes linkes Bein, das um wenige Zentimeter kürzer als das rechte blieb.  Der Zusammenbruch der Bodencreditanstalt im Sommer 1929 traf Seyß-Inquart ganz unmittelbar, – es handelte sich dabei um seinen wichtigsten Klienten.
 
 
 
 
 
Im Dezember 1931 wurde er über Vermittlung eines Dr. Kier Förderer, jedoch noch nicht Mitglied der NSDAP, d.h. er überwies regelmäßig Geldbeträge an die Gauleitung bzw. in weiterer Folge an die NSDAP-Ortsgruppe Dornbach. Im Herbst 1932 trat er dem Steirischen Heimatschutz bei. Seyß-Inquart war ein aktiver Katholik und besuchte regelmäßig mit seinen Kindern (jedoch ohne seine Frau Gertrud, die der Frömmigkeit ihres Mannes skeptisch gegenüberstand) die Messe in der Pfarrkirche von Dornbach, St. Peter und Paul, am Rupertusplatz im 17. Bezirk.  Mit dem Pfarrer der Kirche, Pater Bruno Spitzl OSB, freundete sich Seyß-Inquart sehr schnell an, hatten doch beide im 1. Weltkrieg im selben Armeekorps gedient. In der neugegründeten Katholischen Aktion der Pfarre Dornbach hielten neben Seyß-Inquart auch Oswald Menghin und Edmund Glaise-Horstenau Vorträge.
 
 
 
Dollfuß versuchte Ende 1933 und in der ersten Jahreshälfte 1934 immer wieder über verschiedene Kanäle, zu einem Ausgleich mit den Nationalsozialisten zu kommen. Er erwog, Seyß-Inquart, den er von der „Deutschen Gemeinschaft“ her kannte, als Vertreter der "Katholisch-Nationalen“ in die Regierung aufzunehmen. In seinem Urlaubsort Mattsee bei Salzburg, wo die Familie seit neuestem ihre Urlaube zu verbringen pflegte, traf Seyß-Inquart Bundeskanzler Dollfuß. Die Gespräche endeten ohne Übereinkunft, und wenige Tage darauf wurde Dollfuß im Zuge des missglückten Nazi-Putsches ermordet.
 
 
 
Die Reaktion Seyß-Inquarts, der vom Putsch offenbar überrascht wurde, gegenüber seiner Frau ist bezeichnend: "Trude, es ist etwas Gräßliches passiert. Dollfuß ist ermordet. Das schadet uns ungemein. Wir hätten ihn sicherlich auf unsere Seite gekriegt". Obwohl in den Juli-Putsch nicht involviert, kannte Seyß-Inquart einen der wichtigsten Proponenten des Umsturzversuchs, den Rechtsanwalt Dr. Otto Gustav Wächter, persönlich. Die Mutter des Dollfuß-Mörders Otto Planetta wohnte gegenüber von Seyß-Inquart in Dornbach und wurde von ihm als Bedienerin beschäftigt.
 
 
 
 
 
Im Juni 1937 wurde Seyß-Inquart von Bundeskanzler Schuschnigg in den Staatsrat berufen. Im Juli und nochmals im Oktober 1937 reiste er nach Berlin, wo er mit Göring und Heß zusammentraf. Er plädierte für eine verstärkte Unterwanderung der Vaterländischen Front durch die Nationalsozialisten und wandte sich gegen die vom Landesleiter Josef Leopold propagierte Wiederherstellung der NSDAP. Auf Seyß-Inquarts Intervention bei Schuschnigg wurde ein deutsch-österreichisches Veteranentreffen in Wels am 16. und 17. Juli 1937 (Motto: „Schulter an Schulter“) zugelassen, das zu einer  Großkundgebung der eigentlich illegalen NSDAP umfunktioniert wurde.
 
 
 
Der Konflikt mit Leopold, der Seyß-Inquart beschuldigte, eine neue Organisation jenseits der NSDAP aufbauen zu wollen, schwärte weiter und endete erst mit der Entmachtung Leopolds im Februar 1938. Ebenfalls im Februar wurde Seyß-Inquart im Gefolge des Berchtesgadener Abkommens zum Innen- und Sicherheitsmister ernannt. In der Nacht vom 11. auf den 12. März 1938 ernannte Bundespräsident Miklas Seyß-Inquart zum Bundeskanzler. Am 13. März war es die von Seyß-Inquart geführte Bundesregierung, die das „Bundesverfassungsgesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ verabschiedete, dessen erster Artikel lautete: „Österreich ist ein Land des Deutschen Reichs“. Da Bundespräsident Miklas zu diesem Zeitpunkt bereits zurückgetreten war, übte Seyß-Inquart die Funktion des Bundespräsidenten ebenfalls aus und konnte die in der Maiverfassung  vorgeschriebene Gegenzeichnung selber durchführen. Das Gesetz, mit dem Österreich als unabhängiger Staat von der Landkarte getilgt wurde, trägt daher nur die Unterschrift des Wiener Rechtsanwalts Arthur Seyß-Inquart. Von März 1938 bis April 1939 amtierte Seyß-Inquart, von [[Adolf Hitler]] ernannt, als Reichsstatthalter der Ostmark und wurde danach Reichsminister ohne Geschäftsbereich.  
 
  
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== Literatur ==
  
1939/40 fungierte er als Stellvertreter von Hans Frank im Generalgouvernement. Im Mai 1940 ernannte ihn Hitler zum Reichstatthalter in den von den Deutschen besetzten Niederlanden, wo er für die Massendeportation von ca. 100.000 Juden, Verfolgung und Hinrichtung von Widerstandskämpfern verantwortlich war. In Hitlers Politischem Testament vom 29. April 1945 war Seyß-Inquart als Außenminister der geschäftsführenden  Reichsregierung vorgesehen. 
 
Am 4. Mai 1945 nahmen ihn kanadische Truppen in Den Haag fest. Er wurde beim Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg angeklagt, in drei von vier Anklagepunkten für schuldig befunden und zum Tod durch den Strang verurteilt. Seine Verteidigung hatte der österreichische Anwalt Dr. Gustav Steinbauer geführt. Arthur Seyß-Inquart wurde am 16. Oktober 1946 in Nürnberg hingerichtet.
 
 
== Literatur ==
 
 
* Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte. Begründet von Hellmuth Rössler und Günther Franz, bearbeitet von Karl Bosl [u.a.]. Band 3: S-Z. Register. München: A. Francke 1975  
 
* Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte. Begründet von Hellmuth Rössler und Günther Franz, bearbeitet von Karl Bosl [u.a.]. Band 3: S-Z. Register. München: A. Francke 1975  
 
* Richard Bamberger [Hg.]: Österreich-Lexikon in zwei Bänden. Wien: Verlags-Gemeinschaft Österreich-Lexikon 1995  
 
* Richard Bamberger [Hg.]: Österreich-Lexikon in zwei Bänden. Wien: Verlags-Gemeinschaft Österreich-Lexikon 1995  

Version vom 17. November 2016, 10:44 Uhr

Datei:Arthurseißinquart.jpg
Arthur Seiß-Inquart (1942)
Daten zur Person
Personenname Seyß-Inquart, Arthur
Abweichende Namensform
Titel Dr. jur.
Geschlecht männlich
PageID 16957
GND 118764934
Wikidata
Geburtsdatum 22. Juli 1892
Geburtsort Stonařov, Tschechien
Sterbedatum 16. Oktober 1946
Sterbeort Nürnberg
Beruf Politiker
Parteizugehörigkeit Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage-NG
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Recherche
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Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle

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Bildname Arthurseißinquart.jpg
Bildunterschrift Arthur Seiß-Inquart (1942)
  • 1., Am Hof 5 (Wirkungsadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Innen- und Sicherheitsminister (1938 bis 1938)
  • Bundeskanzler (1938 bis 1938)
  • Reichsstatthalter für die Ostmark (15.03.1938)
  • Reichskommissär für die Niederlande (18.05.1940 bis 16.10.1946)

Arthur Seyß-Inquart, * 22. Juli 1892 Stannern bei Iglau (Stonařov, Tschechien), † 16. Oktober 1946 (Hinrichtung) Nürnberg, Rechtsanwalt, nationalsozialistischer Politiker, Sohn eines Gymnasialdirektors.

Biographie

Studierte (während des Kriegsdiensts) Jus (Dr. jur. 1917), ließ sich 1921 als Rechtsanwalt in Wien nieder und fand Anschluss an nationale Organisationen. Obwohl gemäßigter Katholik, schloss er sich bereits 1929 den Nationalsozialisten an, war ab 1931 aktiv im "Steirischen Heimatschutz" tätig (der 1933 in der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei [NSDAP] aufging) und pflegte ab etwa 1934 engsten Kontakt mit der illegalen Österreichischen NSDAP. Er wurde als einer der Führer der nationalen Katholiken von Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg umworben, jedoch erst am 17. Juni 1937 in den Staatsrat berufen, in dem er eine Befriedung zwischen Regierung und Nationalsozialisten herbeiführen sollte. Er trat für eine Politik der kleinen Schritte und der Gewaltlosigkeit ein, die auch von Hitler akzeptiert wurde; über dessen Forderung ernannte ihn Schuschnigg im Februar 1938 zum Innen- und Sicherheitsminister. Nach Schuschniggs Rücktritt (11. März 1938) war Seyß-Inquart Bundeskanzler (zugleich auch Vertreter des zurückgetretenen Bundespräsidenten Miklas), vollzog nach Görings Weisungen den "Anschluss" und wurde am 15. März 1938 zum Reichsstatthalter für die Ostmark ernannt. Nach kurzer Tätigkeit in Polen (ab 15. August 1939 Zivilverwaltungschef beim Oberkommando des Heeres in Polen, nach Errichtung des Generalgouvernements Stellvertreter Franks) wurde er am 18. Mai 1940 Reichskommissär für die (besetzten) Niederlande (diese Tätigkeit führte zu seiner Verurteilung im Nürnberger Prozess).

Literatur

  • Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte. Begründet von Hellmuth Rössler und Günther Franz, bearbeitet von Karl Bosl [u.a.]. Band 3: S-Z. Register. München: A. Francke 1975
  • Richard Bamberger [Hg.]: Österreich-Lexikon in zwei Bänden. Wien: Verlags-Gemeinschaft Österreich-Lexikon 1995
  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon [der Ersten und Zweiten Republik]. Wien: Ueberreuter 1992
  • Getrude Enderle-Burcel: Mandatare im Ständestaat 1934-1938. Wien: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes [u.a.] 1991
  • Johannes Koll: From the Habsburg Empire to the Third Reich: Arthur Seyß-Inquart and National Socialism. In: Günther Bischof/Fritz Plasser/Eva Maltschnig (Hg.): Austrian Lives (Contemporary Austrian Studies 21). New Orleans: University of New Orleans Press 2014, 123-146
  • Hendricus Johannes Neuman: Arthur Seyß-Inquart. Graz [u.a.]: Styria 1970
  • Wolfgang Rosar: Deutsche Gemeinschaft. Seyss-Inquart und der Anschluß. Wien [u.a]: Europa Verl. 1971
  • Gustav Steinbauer: Ich war Verteidiger in Nürnberg. Ein Dokumentenbeitrag zum Kampf um Österreich. Klagenfurt: Kaiser 1950
  • Peter Broucek: Katholisch-nationale Persönlichkeiten. Wien: 1979 (Miscellanea: Wiener Katholische Akademie, 62)
  • Konrad Kwiet: Reichskommissariat Niederlande. Versuch und Scheitern nationalsozialistischer Neuordnung. Stuttgart: Dt. Verl.-Anst. 1968