Gräf & Stift
48° 13' 44.55" N, 16° 21' 17.35" E zur Karte im Wien Kulturgut
Gräf & Stift, Wiener Automobilfabrik (heute „Österreichische Automobilfabrik - Gräf & Stift AG"). Ferdinand Gräf war aus Schlesien nach Wien gekommen und eröffnete hier eine Eisenhandlung, die nach seinem Tod von der Witwe weitergeführt wurde. 1896 mieteten die drei Söhne Karl Gräf, Franz und Heinrich Gräf in 9, Nußdorfer Straße 78 eine Fahrradwerkstätte, in der sie in der Folge ihre ersten Personenwagen zu entwickeln begannen. Die mit Können und Engagement aufgezogene Produktion sowie die Kooperation mit Wilhelm Stift führten zur Gründung der „Wiener Automobilfabrik AG Gräf & Stift". Die Gebrüder Gräf waren die Erfinder des Vorderradantriebs, den sie sich 1901 patentieren ließen. 1902 erfolgte die Gründung der Offenen Handelsgesellschaft (Gesellschafter waren Wilhelm Stift [ * 1845; er baute in seiner Firma „Celeritas" kleine Wagen mit französischen Motoren zusammen], Karl Gräf, Heinrich Gräf und Franz Gräf, Standorte waren Döbling sowie 18, Gymnasiumstraße 32, und 9, Nußdorfer Straße 19 [anfangs 16 Arbeitnehmer]). Der Sitz der Firma, die 1905 70 Arbeitnehmer beschäftigte, blieb im 9. Bezirk, wo auch das Handelsgeschäft betrieben wurde. Abnehmer der Automobile war neben dem Kaiserhaus die Aristokratie, der sich bald finanzkräftige Bürgerliche anschlossen. Man baute die verschiedensten Typen, wobei manche der Luxuslimousinen bereits Höchstgeschwindigkeiten von mehr als 100 km/h erreichten. Bei der Anfertigung ging man auf spezielle Kundenwünsche individuell ein. Ein besondeer Vorteil der Fahrzeuge war ihre Anpassung an die österreichischen Straßenverhältnisse (Gebirgsstraßen). Die Symbolfigur des Automobilwerks wurde der Löwe der Nußdorfer Schleuse. Zahlreiche Fahrzeuge nahmen mit Erfolg an schwierigen sportlichen Veranstaltungen teil; die für unüberwindlich gehaltene Katschbergstraße wurde von einem Gräf & Stift-Automobil bezwungen. Als 1907 mit Hilfe der Unionbank die Umwandlung in eine Familien-AG erfolgte, beschleunigte sich die Produktion, sodaß bis 1913 die Belegschaft auf rund 500 Personen anstieg. Während des Ersten Weltkriegs bewährten sich vor allem Lastkraftwagen der Firma; Gräf & Stift entwickelte sich zu einem Hauptlieferanten von Heeresfahrzeugen. Die erhöhte Kapazität konnte zwar nach dem Krieg nicht voll genützt werden, doch gelang es, durch eine Schwerpunktverlagerung von der Pkw- auf die Lkw-Produktion den Mitarbeiterstand bis 1929 auf über 1.000 Beschäftigte anzuheben. Durch die Weltwirtschaftskrise schwer getroffen, hatte die „Wiener Automobilfabrik AG vormalig Gräf & Stift" 1937 nur noch 600 Beschäftigte; die überwiegende Aktienmehrheit lag weiterhin in der Hand der Brüder Gräf (Karl war Präsident, Franz und Heinrich waren Mitglieder des Verwaltungsrats und Direktoren der Gesellschaft). 1938 erwarb Gräf & Stift die Aktien der Automobilfabrik Perl AG und verlegte in deren Fabrik in Liesing ihre eigene Karosserieerzeugung („Fahrwerkbau AG Wien"). Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dessen Verlauf es zu großen Zerstörungen auf dem Betriebsgelände und danach zu Demontagen kam, spezialisierte sich Gräf & Stift auf den Bau von Nutzfahrzeugen (Lkws und Omnibusse). 1971 wurden die Aktien zur Gänze an die Österreichische Automobilfabrik AG in Wien verkauft und in der Folge Gräf & Stift mit dieser Firma fusioniert. Gräf & Stift-Gründe, Gräfweg.
Literatur
- Franz Mathis: Big Business in Österreich. Band 1, S. 127 f.
- Alt-Wiener Wagenbauer und ihre Fahrzeuge. In: Beiträge Heimatkunde. IX. Bezirk 2 (1967), S. 81 ff.