Baumgartner Biotheater
48° 11' 47.95" N, 16° 17' 16.42" E zur Karte im Wien Kulturgut
Baumgartner Biotheater/Baumgartner Volkskino (1911) − Baumgartner Grand-Kino (1916) − Baumgartner Lichtspiele (1926) − Baumgartner Tonkino (1931) − Baumgartner Lichtspiele (1940) Hütteldorfer Straße 253 1140 Wien [damals: 1130 Wien]
Kinogründung
Das (neue) Baumgartner Biotheater 14., Hütteldorfer Straße 253 wurde 1911 von Georg Knapp im Hof des damaligen Neubaus gegenüber der Landwehrkaserne gegründet. Knapp hatte zuvor die Kinolizenz für das im Nebenhaus befindliche „Baumgartner Biotheater“ besessen und das neue Kino an der neuen Adresse mittels „Lizenztransfer“ (bei gleichzeitiger Schließung des alten Kinos) eröffnet.
In der Kinematographischen Rundschau von 17. Juli 1910 hieß es zum geplanten Kinoneubau auf Seite 3: „Bau eines Kinematographentheaters: Herr Georg Knapp, Besitzer des Baumgartner Bio-Theaters, teilt uns mit, daß er auf der Bauparzelle, Wien 13., Hütteldorferstraße 253, vis-à-vis der k. k. Landwehrkaserne, ein Wohnhaus samt Kinematographentheater erbaut. − Das Theater soll einen Fassungsraum von zirka 320 Personen erhalten und soll dasselbe mit allen modernen und technischen Neueinrichtungen ausgestattet sein. Die Pläne für das Gebäude und für das neue Theater hat Herr Architekt und Stadtbaumeister Ernst Habel, Wien, 13., Hernsdorferstraße 13, entworfen und wurden dieselben von den zuständigen Behörden bei der am 7. Juli stattgefundenen Kommissionierung in den Hauptpunkten für gut befunden. − Durch die Errichtung dieses stabilen Kinotheaters, mit dessen Bau schon in den nächsten Tagen Herr Architekt Habel beginnen wird, erhält Wien ein Unternehmen, das füglich eines der sehenswertesten seiner Art wird.“
Das „Baumgartner Biotheater“ wurde auch „Baumgartner Volkskino“ genannt und hatte 1914 einen Fassungsraum für 347 Personen. Eigentümer Georg Knapp hielt die Lizenz zur Führung des Kinos von 1911 bis 1916. 1916 wurde die Kinolizenz an Heinrich Hörmann übertragen, das Kino hieß zu diesem Zeitpunkt „Baumgartner Grand-Kino“. 1922 wurde in dem Kino ein Podium eingerichtet, das für „Gesangseinlagen bei Kinovorführungen“ sowie für „Volkssängerproduktionen“ dienen sollte und „ständig im Orchesterraum aufgestellt bleiben“ sollte; der Zuschauerraum wurde im Zuge dessen auf 574 Plätze erweitert.
NS-Zeit
1924 kam es zu einer neuerlichen Lizenzübertragung, ab diesem Jahr leitete der aus Berndorf kommende Karl Demuth (* 1865 Wien) das Kino, das er auch käuflich erworben hatte, und erhielt im selben Jahr auch die Kinolizenz für den Betrieb, der ab dem Jahr 1926 auch als „Baumgartner Lichtspiele“ geführt wurde. 1926 verfügte das Kino über 577 Sitzplätze. 1929 zwang die schlechte wirtschaftliche Lage den Betreiber, das Kino vorerst am Donnerstag, dann sogar an zwei Wochentagen (Dienstag und Mittwoch) zu sperren. Erst Anfang 1931 konnte hier, aufgrund der finanziellen Situation im Vergleich zu den anderen Wiener Kinos relativ spät, eine Tonfilmanlage installiert werden – das Kino wurde im Zuge dessen neuerlich umbenannt und hieß ab nun „Baumgartner-Tonkino“. Ab 1934 wurde das Kino mit einem Fassungsraum von 595 Sitzplätzen ausgewiesen.
In einem Schreiben des Kinos von 18. Juni 1938 hieß es: „Auf Zuschrift von 14. Juni l. J. geben wir höflichst bekannt, dass in unserem Betrieb seit dem 10. März 1938 keine Veränderungen personeller Natur vorgenommen wurde.“
Demuth blieb auch während des NS-Regimes Besitzer und Konzessionär des Kinos und nannte 1940 sein Kino erneut um: Ab diesem Jahr hieß es offiziell wieder „Baumgartner Lichtspiele“. In den nächsten Jahren wechselten die Vorführer mehrfach, da viele von ihnen in die Wehrmacht eingezogen wurden. Noch 1942 findet sich Demuth als Geschäftsführer, ab 1944 trat Rudolf Tatzber neu als Geschäftsführer des Kinos auf, der das Kino bis Kriegsende führt.
Kommissarische Leitung und „Entnazifierung“
Im April 1945 wurde Ferdinand Wolf durch die Bezirksverwaltung als „kommissarischer Verwalter“ des als „nazifizierter“ Betrieb eingestuften Kinos, das während der NS-Zeit als „ostmärkisches Kinos“ der Reichsfilmkammer geführt worden war, eingesetzt. Im September 1945 bemühte sich Dr. Alfred Migsch um die Übernahme des Kinos in die öffentliche Verwaltung unter seiner Leitung. Migsch argumentierte die Übernahme in die öffentliche Verwaltung der Stadt Wien mit dem Hinweis auf die einstige Mitgliedschaft der Besitzer in der NSDAP. Demzufolge war das Kino „bis zu dem im März 1942 erfolgten Tod eines Teilhabers im Besitz von Leopoldine Podstatny“, die einen Anteil von 2/4 besaß, sowie von Karl Demuth mit ebenfalls 2/4 Anteil. Durch den Tod Demuths waren im Erbwege je ein Viertel an dessen Witwe Marie Demuth sowie seinen Enkel Theodor Demuth gegangen. Marie Demuth war ihrerseits seit 1940 „Parteianwärterin“ gewesen, ebenso Theodor, der sich 1945 noch in russischer Gefangenschaft befand. „Da das Unternehmen zum Teil (2/4 Anteil) im Besitz von Anwärtern der NSDAP ist, treffen die Voraussetzungen zu, diese in Wahrung des öffentlichen Interesses in öffentliche Verwaltung zu übergeben“, schloss Alfred Migsch im September 1945 seinen Bericht.
Im Februar 1946 übernahm Dr. Julius Primost die öffentliche Verwaltung; dieser scheint seine Funktion in den kommenden Monaten wiederum an Friedrich Horn übergeben zu haben. Im August 1946 musste der Betrieb für mehrere Wochen wegen „verschiedener dringend notwendiger Restaurierungsarbeiten“ eingestellt werden. Erneut wurde der Betrieb im Jahr darauf für drei Wochen im August eingestellt. Horn legte wiederum seine öffentliche Verwaltung mit Bescheid des Bundesministeriums für Vermögenssicherung von 22. Mai 1947 zurück; spätestens im Juli 1948 stand das Kino nicht mehr unter öffentlicher Verwaltung.
Interessant ist ein Verfahren, das Anfang 1947 seinen Lauf nahm. Aus dem von Leopoldine Podstatny (geb. Wolf, 1884) eingebrachten Ansuchen geht hervor, dass sowohl Demuth wie auch dessen Frau Marie und deren Neffe Theodor, die nach Demuths Tod zu je einem Viertel in Besitz des Kinos waren, „der NSDAP angehört[en]“, nicht jedoch die zur Hälfte an dem Besitz beteiligte Leopoldine Podstatny. Podstatny legte daher gegen die Übernahme des Kinos (= „öffentliche Verwaltung“) durch die Stadt Wien Berufung ein – und erhielt im zweiten Anlauf sowohl Recht wie auch die Konzession zur Leitung des Kinos zurück, für das sie in der Folge auch als Geschäftsführerin fungierte. Leopoldine Podstatny erhielt die Konzession vorerst bis 31. Dezember 1948 verliehen.
Im Mai 1949 wurde der seit 1945 hier beschäftigte Wiener Elektromechaniker Ferdinand Wolf (geb. 1909) als neuer Geschäftsführer des Kinos vorgestellt, da Podstatny zu diesem Zeitpunkt „aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, tägl. bei den Vorstellungen anwesend zu sein“. Am 20. Februar 1950 wurde mit Ernst Mrkva ein neuer Geschäftsführer ernannt.
Die letzten Jahre
Das Kino konnte sich nur noch wenige Jahre halten und musste im Zuge der ersten große Welle des Wiener „Kinosterbens“ 1966 für immer schließen. Danach befanden sich dort im häufigen Wechsel unter anderem Büros, Callcenter, IT-Betriebe sowie in den ehemaligen Hofräumen des Kinos aktuell eine Hilfsorganisation.
Siehe auch: Kino
Literatur
- Werner Michael Schwarz: Kino und Kinos in Wien. Eine Entwicklungsgeschichte bis 1934. Wien: Turia & Kant 1992, S. 255.
Literatur
- www.kinthetop.at