Widerstandsbewegung

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Daten zum Eintrag
Datum von 12. März 1938
Datum bis 30. April 1945
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 24.08.2016 durch WIEN1.lanm08w19

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Bald nach der gewaltsamen Einverleibung Österreichs durch Hitlerdeutschland im März 1938 formierten sich Widerstandsgruppen, die in verschiedenen Formen gegen das Regime der Nationalsozialisten auftraten. Der Bogen ihrer Tätigkeit reichte von der Bildung konspirativer Gruppen über Hilfeleistung für Verfolgte und illegale Flugblatt- und Zeitungspropaganda bis zur Sabotage und zu Militäraktionen.

Lange Zeit dominierten weltanschauliche und politisch orientierte Gruppierungen (Sozialisten, Kommunisten, Katholiken, Legitimisten, "Bibelforscher" und andere), ehe gegen Kriegsende auch überparteiliche Organisationen (wie beispielsweise die "O5") in Erscheinung traten.

Die wichtigsten Widerstandshandlungen in Wien waren die Aktion des 20. Juli 1944, als die NS-Führung vorübergehend festgenommen werden konnte, sowie das Bemühen der militärischen Widerstandsgruppe um Major Szokoll ("Operation Radetzky") zur kampflosen Übergabe der Stadt Wien an die Rote Armee im April 1945.

Tausende Widerstandskämpfer(innen) wurden von der Gestapo verhaftet, misshandelt, in Konzentrationslager und Gefängnisse gebracht; Hunderte wurden in Wien im Landesgericht, am Militärschießplatz Kagran und an anderen Orten aus politischen Gründen hingerichtet. Die politische Bedeutung des Widerstands lag vor allem darin, einen Beitrag zur Befreiung Österreichs geleistet zu haben, wie er in der Moskauer Deklaration der Alliierten vom 1. November 1954 von den Österreichern gefordert worden war. (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands)

Während der NS-Zeit wurden im ehemaligen Österreich 2.700 Widerstandskämpfer hingerichtet; 16.493 Menschen wurden in Konzentrationslagern ermordet oder sind auf andere Weise in ihnen umgekommen, weitere 9.687 starben in Gestapogefängnissen sowie 6.420 aufgrund politischer Delikte in Zuchthäusern und Gefängnissen Eingekerkerte (insgesamt 35.300).

Brief des Widerstandskämpfers Eduard Göth an seine Kinder 1943

Der in der Hinterbrühl in Niederösterreich lebende Oberlehrer Eduard Göth gehörte der Widerstandsorganisation der Revolutionären Sozialisten an. Diese Gruppe agierte unter der Leitung des Hauptschullehrers Johann Otto Haas in Wien, Salzburg, Tirol und im Süden Deutschlands. Zur Tarnung übernahm Göth die Funktion eines Ortswalters der DAF (Deutschen Arbeitsfront) in seiner Heimatgemeinde. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit als Widerstandskämpfer lag weit entfernt in Floridsdorf und in Wiener Neustadt, wo er Berichte über die Rüstungszentren verfasste. Dennoch wurde Göth verraten und am 7. August 1942 verhaftet. Die Haft verbrachte er in Wien, zuerst im Gestapo-Hauptquartier am Morzinplatz, anschließend im Gefängnis des ehemaligen Bezirksgerichts Margareten (heute Justizanstalt Mittersteig). Er wurde am 15. Dezember 1943 vom 1. Senat des Volksgerichtshofs unter Vorsitz von Roland Freisler wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zum Tod durch das Fallbeil verurteilt. Am 13. März 1944 wurde Göth im Landesgericht Wien hingerichtet.

Denunziant freigesprochen

Am 20. Dezember 1945 begannen beim Volksgericht Wien gerichtliche Voruntersuchungen gegen Karl Slanina. Das Volksgericht war zur Verfolgung der Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten und deren Verbrechen im Landesgericht für Strafsachen eingerichtet worden. Karl Slanina war Angestellter der Gemeinde Wien und Nachfolger Göths als Ortswalter bei der Deutschen Arbeitsfront in der Hinterbrühl. Er wurde wegen Denunziation von Eduard Göth nach § 7 des Kriegsverbrechergesetzes vor dem Volksgericht angeklagt. Slanina konnte nichts Konkretes nachgewiesen werden. Er wurde 1946 freigesprochen.

"Mein kleiner Erwin, mein liebes Kind!"

Slaninas Verfahrensakt ist wegen der beiliegenden Beweisstücke von höchstem historischen Wert. Der Akt enthält einige Briefe, die Eduard Göth seiner Familie zukommen lassen konnte. Durch Bestechung eines Aufsehers mit teuer erstandener Butter sowie Eiern wurden die Briefe aus dem Gefängnis am Mittersteig hinausgeschmuggelt. Göth schildert in den Briefen sehr persönlich seine Situation. Sie war geprägt von "geistiger Einsamkeit, Hunger, Kälte und Schmutz" und von der Sorge um seine Familie. Er setzte sich auch mit der Frage des eingegangenen Risikos auseinander: "Ihr werdet mich nicht ganz verstehen. Ihr werdet denken, daß ich in der Freiheit meine Familie vergessen hätte. Nein! Ich habe Euch über alles geliebt. Ihr ward fast mein ganzer Lebensinhalt. Doch meine Kampfnatur ließ mich nicht zur Ruhe kommen. Wenn tausende in den Kerkern schmachten - wenn durch den Krieg ein Massenmord an Millionen vollbracht wurde - da konnte ich nicht teilnahmslos bleiben."

Göth selbst konnte nicht in Erfahrung bringen, wieso er verhaftet wurde und wer ihn verraten hatte. Aus einem der Briefe ist ersichtlich, dass er seine Lage als hoffnungslos einschätzte. Bald erfuhr er von den belastenden Aussagen des ebenfalls verhafteten Johann Otto Haas. Dieser war vermutlich ebenso wie Göth im Keller der Gestapo gefesselt misshandelt worden: "Seid nicht rachsüchtig - aber seid auch nicht milde, denn jene, die uns gequält haben, waren keine Menschen", schreibt er diesbezüglich nach draußen.

Quelle

Literatur

  • Widerstand und Verfolgung in Wien 1934-1945. 3 Bände, 1975
  • Herbert Exenberger: Antifaschistischer Stadtführer Wien. 1985
  • Wolfgang Lauber: Wien. Ein Stadtführer durch den Widerstand 1934-1945. ²1988)
  • Briefmarkenabhandlung der Postdirektion anläßlich des Erscheinens von österreichischen Briefmarken, 19.10.1977
  • Zeitzeugnisse, https://www.wien.gv.at/kultur/archiv/geschichte/zeugnisse/goeth.html (24.08.2016)