Stadtherr
Wien war keine reichsunmittelbare Stadt, sondern gehörte zum Land. Die Vertretung des Landes wurde im Mittelalter durch die Landstände gebildet, wo Wien einen Sitz in der Kurie der Städte und Märkte hatte. Der Landesfürst, also der (Erz-)Herzog von Österreich, war der Stadtherr. Von einem Stadtherrn kann man wohl erst ab dem Werden der Stadt sprechen, das mit dem ersten Stadtrechtsprivileg 1221 seinen Abschluss gefunden hat. Auch hat sich das ständische System erst im Lauf des 13. und 14. Jahrhunderts herausgebildet. Der Stadtherr war oberster Gerichtsherr (siehe Stadtrichter) und garantierte für Sicherheit und Ordnung. In landesfürstlichen Privilegien wurde das Stadtrecht niedergelegt. Vertreter des Landesfürsten bei den Sitzungen des Stadtrates war der Stadtanwalt. Darüber hinaus waren einige landesfürstlichen Ämter für die Stadt von Bedeutung.
Das ständische Ordnung und damit die Form der persönlichen Stadtherrschaft des Landesfürsten erodierte im 18. Jahrhundert. Die Stadtregierung und Stadtverwaltung wurden immer mehr in die bürokratischen Strukturen des Staates eingegliedert. Ein Meilenstein dabei war die Josephinische Magistratsreform, durch die die Stadt als bürgerliche Behörde eingerichtet wurde. Auch das Amt des Stadtanwaltes, der den Landesfürsten in den Ratssitzungen vertrat, wurde nach 1776 nicht mehr besetzt und im Zuge der Magistratsreform abgeschafft. Kaiser Franz wurden zwar zu Regierungsantritt 1792 von der Stadt Wien ihre Freiheiten und Rechte zur Bestätigung vorgelegt, doch in der darauf vom Kaiser ausgestellten Urkunde wurde erklärt, dass viele der vorgelegten Rechte obsolet geworden seien beziehungsweise nicht mehr in die Gegenwart und das staatliche System passen würden. Weitere Eckpunkte dieses Übergangs sind das Gemeindestatut und die Aufhebung der Grundherrschaften im Gefolge der Revolution 1848 und schließlich die Auflösung der Stände 1861 (siehe dazu Stadtverfassung und Niederösterreichische Landstände).
Liste der Stadtherren
Mittelalter
- 1198-1230 Leopold VI. der Glorreiche
- 1230-1246 Friedrich II. der Streitbare
- 1246-1251 Interregnum
- 1251-1276 Ottokar II. Přemysl
- 1276-1282 habsburgische Herrschaftsübernahme unter König Rudolf I.
- 1282-1308 Albrecht I. (bereits 1281 als Reichsverweser eingesetzt)
- 1308-1330 Friedrich I. der Schöne
- 1330-1358 Albrecht II.
- 1358-1365 Rudolf IV.
- 1365-1395 Albrecht III., 1365-1379 gemeinsam mit Leopold III.
- 1395-1404 Albrecht IV.
- 1404-1439 Albrecht V. (als deutscher König 1438-1439 Albrecht II.)
- 1404-1406 Vormundschaftsregierung durch Wilhelm
- 1406-1411 Vormundschaftsregierung durch Leopold IV., 1407-1409 Bruderzwist mit Ernst dem Eisernen
- 1440-1457 Ladislaus Postumus
- 1439/1440-1453 Vormundschaftsregierung durch Friedrich III.
- 1457-1493 Friedrich III.
Unterbrochen von:
- 1462-1463 Albrecht VI.
- 1485-1490 Matthias Corvinus
- 1493-1519 Maximilian I.
Frühe Neuzeit
- 1519-1521 Karl V.
- 1521-1564 Ferdinand I.
- 1564-1576 Maximilian II.
- 1576-1608 Rudolf II.
- 1608-1619 Matthias
- 1619-1637 Ferdinand II.
- 1637-1657 Ferdinand III.
- 1657-1705 Leopold I.
- 1705-1711 Joseph I.
- 1711-1740 Karl VI. (Aussterben der Habsburger im Mannesstamm)
- 1740-1780 Maria Theresia
- 1780-1790 Joseph II.
- 1790-1792 Leopold II.
- 1792-1835 Franz I.
Literatur
- siehe Stadtverfassung
- Felix Czeike: Wien und seine Bürgermeister. Sieben Jahrhunderte Wiener Stadtgeschichte. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1974
- Klaus-Jürgen Matz: Wer regierte wann? Regententabellen zur Weltgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. München: dtv 62002
- Richard Perger: Die Wiener Ratsbürger 1396 – 1526. Wien: Deuticke 1988 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 18)
- Herwig Wolfram [Hg.], Österreichische Geschichte. Wien: Ueberreuter 1995-2003
- Erich Zöllner: Geschichte Österreichs. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien / München: Österreichischer Bundesverlag [u.a.] 81990