S. Fischer Verlag: Unterschied zwischen den Versionen

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Um 1900 beherrschten einige wenige deutsche belletristische Verlage den österreichchischen Buchmarkt, allen voran S. Fischer, aber auch der L. Staackmann Verlag und der Insel-Verlag in Leipzig sowie der Georg-Müller-Verlag in München. Diese Häuser gaben den überwiegenden Teil belletristischer Literatur aus Österreich heraus und verkauften ihn dorthin. 1918 ging S. Fischer an die Errichtung einer Filiale in Wien - "auf Wunsch und im Interesse unserer österreichischen Autoren, deren wir gegenwärtig 35 zählen". Tatsächlich dürfte aber der Papiermangel im Deutschen Reich eine Rolle gespielt haben, so stand etwa für den notwendig gewordenen Neudruck der Gesamtausgabe [[Arthur Schnitzler]]s kaum Papier zur Verfügung. Um eine Zuteilung zu erhalten, musste der Verlag in Wien eine Zweigstelle oder Filiale einrichten. Der Papierhersteller Prinzhorn erblickte in der Wiener Niederlassung des weltberühmten S. Fischer Verlags die Möglichkeit zur Schaffung jenes großen österreichischen Verlags, der in Wien bisher immer gefehlt hatte und mit dessen Hilfe eine große Anzahl der zu deutschen Verlegern abgewanderten österreichischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller nach Österreich zurückgeholt werden könnten. Daran hatte allerdings S. Fischer kein Interesse.
 
Um 1900 beherrschten einige wenige deutsche belletristische Verlage den österreichchischen Buchmarkt, allen voran S. Fischer, aber auch der L. Staackmann Verlag und der Insel-Verlag in Leipzig sowie der Georg-Müller-Verlag in München. Diese Häuser gaben den überwiegenden Teil belletristischer Literatur aus Österreich heraus und verkauften ihn dorthin. 1918 ging S. Fischer an die Errichtung einer Filiale in Wien - "auf Wunsch und im Interesse unserer österreichischen Autoren, deren wir gegenwärtig 35 zählen". Tatsächlich dürfte aber der Papiermangel im Deutschen Reich eine Rolle gespielt haben, so stand etwa für den notwendig gewordenen Neudruck der Gesamtausgabe [[Arthur Schnitzler]]s kaum Papier zur Verfügung. Um eine Zuteilung zu erhalten, musste der Verlag in Wien eine Zweigstelle oder Filiale einrichten. Der Papierhersteller Prinzhorn erblickte in der Wiener Niederlassung des weltberühmten S. Fischer Verlags die Möglichkeit zur Schaffung jenes großen österreichischen Verlags, der in Wien bisher immer gefehlt hatte und mit dessen Hilfe eine große Anzahl der zu deutschen Verlegern abgewanderten österreichischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller nach Österreich zurückgeholt werden könnten. Daran hatte allerdings S. Fischer kein Interesse.
  
Die Wiener Filiale erhielt im Oktober 1918 die Konzession zum Betrieb einer Verlagsbuchhandlung am Standort Wien-[[Landstraße]], [[Marokkanergasse]] 11 und begann im selben Monat mit der Arbeit. Aufgrund der Verbindungen Prinzhorns als Verwaltungsratsmitglied bei [[Waldheim-Eberle]] wurden die Druckaufträge Fischers hauptsächlich von [[Waldheim-Eberle]] erledigt wurden. Der einzige Hinweis auf Wien in den Wiener Verlagserzeugnissen findet sich nicht im Impressum, sondern nur als Angabe unter dem Verlagssignet.
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Die Wiener Filiale erhielt im Oktober 1918 die Konzession zum Betrieb einer Verlagsbuchhandlung am Standort Wien-[[Landstraße]], [[Marokkanergasse]] 11 und begann im selben Monat mit der Arbeit. Im Februar wurde die Zweigniederlassung in das Wiener [[Handelsregister]] eingetragen. Bei den Prokuristen handelte es sich um Angestellte des Stammhauses in Berlin. Ihre Hauptaufgabe war es, Verhandlungen mit Autoren und Buchdruckereien in Wien zu führen und für die Auslieferung der hier fertiggestellten Druckbogen zu sorgen. 1922 führte diese Geschäfte die Firma Friese & Lang in Wien-[[Innere Stadt]], [[Bräunerstraß]]e 3, deren Lokal als Sitz der Zweigniederlassung galt. Aufgrund der Verbindungen Prinzhorns als Verwaltungsratsmitglied bei [[Waldheim-Eberle]] wurden die Druckaufträge Fischers hauptsächlich von [[Waldheim-Eberle]] erledigt wurden. Der einzige Hinweis auf Wien in den Wiener Verlagserzeugnissen findet sich nicht im Impressum, sondern nur als Angabe unter dem Verlagssignet.
Das Ansuchen um Eintragung ins Wiener Handelsregister ist mit 6. Februar 1919 datiert, und am 11. Februar wird die Firma unter Register A, Band 39, pagina 82 eingetragen. Es deutet vieles darauf hin, daß Fischer nicht die Absicht hatte, in Wien mehr als eine „Briefkastenfirma“ zu führen. Wien galt als „Zweigniederlassung“, diente de facto der Ausweichsherstehlung. So waren alle Prokuristen, die ins Wiener Handelsregister eingetragen wurden, Angestellte des Stammhauses in Berlin. Auch scheint Richard Rosenbaum, der übrigens nicht an dem in der Konzession angegebenen Standort wohnte, nicht auf. Man kümmerte sich überhaupt nicht um das „Wiener Unternehmen“ bis April 1922, als Polizei und Gericht den Geisterverlag suchte und die Prokuristen aus dem Handelsregister gelöscht wurden. In Antwort auf die Anregung, die Firma zu löschen, wurde aus Berlin folgendes mitgeteilt:
 
 
 
Die Wiener Niederlassung betreibt ihre Geschäfte lediglich in der Art, daß sie Verhandlungen mit Autoren und Buchdruckereien in Wien führt und für die Expedition der hier fertiggestellten Druckbogen Sorge trägt. Hiezu bedarf es außer einem Vertreter weder eines besonderen Lokales, noch eines eigenen Personales. Wenn nun bisher als Sitz der Zweigniederlassung das Haus in Wien III., Marokkanergasse 11 angegeben war, so beruht dies darauf, daß der seinerzeitige Vertreter der Firma S. Fischer Verlag in diesem Haus gewohnt hat. Derzeit führt die bezeichneten Geschäfte die Firma Friese & Lang in Wien I., Bräunerstraße 3, deren Lokal als Sitz der Zweigniederlassung zu gelten hat. [11]
 
 
 
S. Fischer Verlag
 
 
 
S. Fischer in Wien blieb noch elf Jahre als „Karteileiche“ bestehen. Ahs das Handelsgericht in Wien im Februar 1933 wegen Gewerberücklegung Anstalten machte, die Firma zu löschen, schickte der S. Fischer Verlag in Berlin zu einem sehr bedeutenden Zeitpunkt der politischen und wirtschaftlichen Unsicherheit ein Schreiben nach Wien, mit der Bitte, nun von der Löschung Abstand zu nehmen. Im Schreiben vom 20. März 1933 heißt es u.a.:
 
 
 
Bei unseren vielen Beziehungen zum österreichischen, insbesondere zum Wiener Buchhandel möchten wir jedoch höflichst ersuchen, von der Löschung dieser Firma abzusehen. Es ist noch nicht ausgeschlossen, daß wir bei sich bietender Gelegenheit, zwecks besserer Ausnutzung unserer Beziehungen zum österreichischen Buchhandel, die Zweigniederlassung in Kraft treten hassen, bzw. am Wiener Platze wieder direkt Geschäfte vornehmen. Wir ersuchen daher hiermit höflichst, von einer Löschung obiger Firma Abstand zu nehmen.
 
 
 
Hochachtungsvoll S. Fischer Verlag A.G. [12]
 
  
Diese „Prophezeiung“ sollte sich auch bewahrheiten. Man wollte sich angesichts der politischen Entwicklung ein „Hintertürl“ offen lassen, überlegte es sich dann aber anders. In einem kurzen Schreiben von Dr. Gottfried Bermann und Johann Heinrich Suhrkamp vom 1.7.1933 wird der Antrag gestellt, die Firma zu löschen, was am 19. September auch geschah.
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Der S. Fischer Verlag blieb formal bis 1933 bestehen. Eine vom Handelsgericht Wien betriebene Löschung wurde vom Verlag zwar mit Hinweis auf die "vielen Beziehungen zum österreichischen, insbesondere zum Wiener Buchhandel" beeinsprucht, im September wurde das Unternehmen aber gelöscht.  
  
 
==Quellen==
 
==Quellen==
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==Literatur==
 
==Literatur==
* PETER DE MENDELSSOHN, S. Fischer und sein Verlag. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 1970
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* Peter de Mendelssohn: S. Fischer und sein Verlag. Frankfurt am Main: S. Fischer 1970
 
* Reiner Stach: 100 Jahre S. Fischer Verlag 1886-1986 : kleine Verlagsgeschichte. Frankfurt am Main: S. Fischer 1986
 
* Reiner Stach: 100 Jahre S. Fischer Verlag 1886-1986 : kleine Verlagsgeschichte. Frankfurt am Main: S. Fischer 1986
  
 
==Links==
 
==Links==
 
* [http://verlagsgeschichte.murrayhall.com/?page_id=214#Heading1 Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte 1918–1938. Band 2: Belletristische Verlage der Ersten Republik. Wien/Graz/Köln: Böhlau 1985]
 
* [http://verlagsgeschichte.murrayhall.com/?page_id=214#Heading1 Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte 1918–1938. Band 2: Belletristische Verlage der Ersten Republik. Wien/Graz/Köln: Böhlau 1985]

Version vom 20. November 2020, 13:37 Uhr

Daten zur Organisation
Art der Organisation Verlag
Datum von 11. Februar 1919
Datum bis 19. September 1933
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 69407
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle
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Recherche
Letzte Änderung am 20.11.2020 durch WIEN1.lanm09mer
  • 3., Marokkanergasse 11
  • 1., Bräunerstraße 3

Es wurden noch keine Bezeichnungen erfasst.

Es wurden noch keine Personen erfasst.

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48° 11' 55.07" N, 16° 22' 49.90" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Um 1900 beherrschten einige wenige deutsche belletristische Verlage den österreichchischen Buchmarkt, allen voran S. Fischer, aber auch der L. Staackmann Verlag und der Insel-Verlag in Leipzig sowie der Georg-Müller-Verlag in München. Diese Häuser gaben den überwiegenden Teil belletristischer Literatur aus Österreich heraus und verkauften ihn dorthin. 1918 ging S. Fischer an die Errichtung einer Filiale in Wien - "auf Wunsch und im Interesse unserer österreichischen Autoren, deren wir gegenwärtig 35 zählen". Tatsächlich dürfte aber der Papiermangel im Deutschen Reich eine Rolle gespielt haben, so stand etwa für den notwendig gewordenen Neudruck der Gesamtausgabe Arthur Schnitzlers kaum Papier zur Verfügung. Um eine Zuteilung zu erhalten, musste der Verlag in Wien eine Zweigstelle oder Filiale einrichten. Der Papierhersteller Prinzhorn erblickte in der Wiener Niederlassung des weltberühmten S. Fischer Verlags die Möglichkeit zur Schaffung jenes großen österreichischen Verlags, der in Wien bisher immer gefehlt hatte und mit dessen Hilfe eine große Anzahl der zu deutschen Verlegern abgewanderten österreichischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller nach Österreich zurückgeholt werden könnten. Daran hatte allerdings S. Fischer kein Interesse.

Die Wiener Filiale erhielt im Oktober 1918 die Konzession zum Betrieb einer Verlagsbuchhandlung am Standort Wien-Landstraße, Marokkanergasse 11 und begann im selben Monat mit der Arbeit. Im Februar wurde die Zweigniederlassung in das Wiener Handelsregister eingetragen. Bei den Prokuristen handelte es sich um Angestellte des Stammhauses in Berlin. Ihre Hauptaufgabe war es, Verhandlungen mit Autoren und Buchdruckereien in Wien zu führen und für die Auslieferung der hier fertiggestellten Druckbogen zu sorgen. 1922 führte diese Geschäfte die Firma Friese & Lang in Wien-Innere Stadt, Bräunerstraße 3, deren Lokal als Sitz der Zweigniederlassung galt. Aufgrund der Verbindungen Prinzhorns als Verwaltungsratsmitglied bei Waldheim-Eberle wurden die Druckaufträge Fischers hauptsächlich von Waldheim-Eberle erledigt wurden. Der einzige Hinweis auf Wien in den Wiener Verlagserzeugnissen findet sich nicht im Impressum, sondern nur als Angabe unter dem Verlagssignet.

Der S. Fischer Verlag blieb formal bis 1933 bestehen. Eine vom Handelsgericht Wien betriebene Löschung wurde vom Verlag zwar mit Hinweis auf die "vielen Beziehungen zum österreichischen, insbesondere zum Wiener Buchhandel" beeinsprucht, im September wurde das Unternehmen aber gelöscht.

Quellen

  • Wiener Stadt- und Landesarchiv: Handelsgericht Wien, Registerakt C 4, 40
  • Wiener Stadt- und Landesarchiv: Handelsgericht Wien, Ausgleich Sa 3/39

Literatur

  • Peter de Mendelssohn: S. Fischer und sein Verlag. Frankfurt am Main: S. Fischer 1970
  • Reiner Stach: 100 Jahre S. Fischer Verlag 1886-1986 : kleine Verlagsgeschichte. Frankfurt am Main: S. Fischer 1986

Links