Wiener Fußballvereine in der NS-Zeit

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Rapids Geburtstagsgeschenk an Hitler: 60 Pokale, 15 Statuetten und andere Preise als Metallspende auf einem Tisch vor dem Sektionslokal aufgebaut, 1941
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Datum bis
Objektbezug Sport, Fußball, NS-Zeit, Zweiter Weltkrieg, Nationalsozialismus, Wiener Fußballklubs
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Letzte Änderung am 19.10.2023 durch WIEN1.lanm09fri
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Bildunterschrift Rapids Geburtstagsgeschenk an Hitler: 60 Pokale, 15 Statuetten und andere Preise als Metallspende auf einem Tisch vor dem Sektionslokal aufgebaut, 1941

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Der Wiener Fußball zwischen 1938 und 1945 war geprägt von einer ideologischen Gleichschaltung nach den Vorgaben der verbrecherischen Politik und Rassenlehre des Nationalsozialismus, von der zwangsweisen Eingliederung aller heimischen Verbände und Bewerbe in die Strukturen des NS-Sports, und ab spätestens Sommer 1941 – mit dem sich intensivierenden Zweiten Weltkrieg – von der zunehmenden Unmöglichkeit einen funktionierenden und fairen Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Damit einher ging eine Identitätskrise der „Wiener Schule“ des Donaufußballs, die sich unter anderem in fußball- und lokalpatriotischer Renitenz äußerte. Wiener Klubs errangen in den NS-Bewerben aber auch große Erfolge, um die sich bis heute populäre Mythen ranken. Rapid (1938) und die Vienna (1943) konnten den deutschen Pokal gewinnen, der SCR im Jahr 1941 die deutsche Meisterschaft. Zahlreiche Wiener Spitzenspieler waren außerdem für NS-Auswahlen im Einsatz, manche wurden zu propagandistisch instrumentalisierten Medienstars.

Der „Anschluss“ im Wiener Fußball

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten im März 1938 brachte grundlegende Änderungen für den Vereinsfußball in Österreich: der Professionalismus in Wien wurde abgeschafft. ÖFB, WFV, sowie alle anderen österreichischen Verbände und deren Spielbetriebe wurden in das „Fachamt 2: Fußball, Rugby, Cricket“ (kurz: „Fachamt Fußball“) des „Nationalsozialistischen Reichsbunds für Leibesübungen“ (NSRL), welcher der NSDAP unterstellt war, eingegliedert. Die als „jüdisch“ etikettierten oder politisch unliebsamen Klubs, wurden aufgelöst, (vorübergehend) unter Kuratel gestellt wurden, oder mussten wegen des großen Aderlasses an Spielern und/oder Funktionären den Spielbetrieb einstellen (siehe Hakoah, Austria und Libertas).

Die oberste Spielklasse war nun (ausgenommen 1939/1940 und 1943/1944) für alle, auch außerhalb Wiens angesiedelten Vereine des in „Ostmark“ umbenannten Österreich offen. Schon kurz nach dem „Anschluss“ kam es zur Umbenennung des laufenden Bewerbs 1937/1938 von „Wiener Liga“ in „Nationalliga“. Vier von zehn der Erstligaklubs mussten absteigen, um Platz für Aufsteiger aus den zu sieben Reichsgauen umstrukturierten Bundesländern zu machen. Dennoch blieben in allen vom NSRL zwischen 1938 und 1945 jeweils zwischen August und dem folgenden Juni, in 12 bis 22 Runden ausgerichteten „ostmärkischen“ Meisterschafen (Gauliga XVII Ostmark (1938/39), Bereichsklasse XVII Ostmark (1939/40–1940/41), Bereichsklasse XVII Donau Alpenland (1941/42), Gauliga XVII Donau Alpenland (1942/43-1944/45 (die letzte kriegsbedingt abgebrochen) die Wiener Vereine bestimmend: Vienna (3), Rapid (2) und Admira (1) teilten sich die Meisterwürde. Wie die Meister der anderen 17-30 Gaue bzw. Bereichsklassen des NS-Staats (die Anzahl der Verwaltungseinheiten wurde mehrmals geändert), waren auch die Ostmark-Meister zur Teilnahme an der Endrunde zur deutschen Meisterschaft berechtigt, deren sechs Konkurrenzen mit Beteiligung von Wiener Klubs jeweils zwischen März und Juli der Jahre 1939, 1940, 1941, 1942, 1943 und 1944 mittels einer Gruppenphase (bis 1940) und/oder einer Phase im Pokalmodus ausgespielt wurden. Änderungen erfuhr auch der österreichische Cupbewerb, welcher in den für alle ca. 8.000 Klubs in allen Gebieten des NS-Reichs seit 1935 über das Kalenderjahr ausgetragenen „Tschammerpokal“ - den Vorläufer des DFB-Pokals - eingegliedert wurde, der nach seinem Initiator, dem „Reichssportführer“ und Leiter des NSRL, Hans von Tschammer und Osten, benannt war. Die erstklassigen Wiener Vereine stiegen in der dritten von acht K.O.-Runden ein, die siegreich überstanden werden mussten, um ins Finale zu gelangen.

Im Zuge der Eingliederung aller österreichischen Verbände und Bewerbe in den NSLR wurden auch die Auswahlen neu strukturiert. Das „Versöhnungsspiel“ vom 3. April 1938 im Praterstadion (rund drei Wochen nach der de facto Annexion am 12. März desselben Jahres und eine Woche vor der formalen Volksabstimmung zum „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland) war das letzte Spiel des aus propagandistischen Gründen einmalig als „Deutsch-Österreichische Mannschaft“ auflaufenden Nationalteams. Stattdessen wurde eine de facto deckungsgleiche Auswahl für den Gau bzw. die Bereichsklasse Ostmark geschaffen, die gegen andere Regionalauswahlen antrat, einmal sogar ein Länderspiel absolvierte (am 26. Juni 1939 gegen die Schweiz, 0:0). Die Wiener Stadtauswahl wiederum gewann als Vertreter der nach Berlin zweitgrößten Stadt des NS-Staats, der von Hitler sogenannten „Perle des Reichs“, an Bedeutung. Teilweise ersetzten die Städtespiele, welche sich allerdings auf die verbündeten Staaten oder besetzten Gebiete reduzierten (Gegner waren Belgrad, Bratislava, Budapest, Bukarest, Paris, Rom, Sofia und Zagreb) auch den internationalen Spielverkehr.

Erfolge von Wiener Mannschaften in der NS-Zeit

Bereits seit 1924 war der Wiener Fußball, teils hinab bis in die dritte Klasse, ein Profibetrieb gewesen. Ab 1927 war zusätzlich der Mitropacup ausgespielt worden, bei dem die teilnehmenden Wiener Profiteams, unter anderem im direkten Vergleich mit ihren tschechoslowakischen und ungarischen Pendants (Profiligen sein 1925 bzw. 1926), sowie den sogenannten „Nicht-Amateuren“ aus Italien (seit 1926 legal bezahlt) ihre Spielstärke noch weiter erhöhen konnten (Rapid siegte im Mitropacup 1930, Vienna 1931, Austria 1933 und 1936). Der Deutsche Fußballbund (DFB) hingegen, einem ethisch begründeten Amateurwesen verpflichtet, verbot seinen Klubs ab 1925 den Spielbetrieb mit Profivereinen, unter anderem auch aus Österreich, weshalb es vor dem „Anschluss“ zu keinen Aufeinandertreffen zwischen Wiener Profiklubs und deutschen Vereinen kam. Aufgrund dieser unterschiedlichen Voraussetzungen war aber von einer tendenziellen Überlegenheit der Wiener Teams auszugehen. Dazu kam, dass die meisten Wiener Spitzenspieler, später als solche des „Altreichs“, zur Deutschen Wehrmacht einrückend gemacht wurden, und wenn doch, dann oft in Wien oder Umgebung stationiert waren, weshalb sie durch Freistellung – wie das Beispiel Rapid zeigt - zumindest bis zur Intensivierung des Krieges im Sommer 1941 weiterhin regelmäßig am Trainings- und Spielbetrieb teilnehmen konnten. Das war auch durch Interventionen von lokalen, dem Wiener Fußball verbundenen NS-Eliten („Sportgauführer“ und Vize-Bürgermeister Thomas Kozich, „Stadtkämmerer“ (Finanzstadtrat) Jakob Knissel) möglich. Besser und länger als anderen Wiener Vereinen gelang es zudem der Vienna, ihre Spieler vor dem Militäreinsatz zu bewahren bzw. sie auch nach einer Einberufung noch länger in Wien zu halten. Außerdem konnten die Blau-Gelben kurzzeitig spielstarke Gastspieler aus dem „Altreich“ verpflichten.

Die Länderspielbilanz gegen Deutschland seit 1904 ließ jedenfalls schon vor 1938 den Schluss zu, dass der österreichische Fußball im „großdeutschen“ Vergleich einen Spitzenplatz belegen würde: 3 Niederlagen, 1 Unentschieden und ganze 7 Siege Österreichs, darunter die zwei Demütigungen der DFB-Auswahl durch das (ausschließlich aus Wienern bestehende) Wunderteam im Jahr 1931 (6:0, 5:0). Auch das „Versöhnungsspiel“ am 3. April 1938 bestätigte dieses Bild. Die Mannschaft des „Gaus Österreich“ siegte mit 2:0 gegen die „Deutsche Reichsmannschaft“. Drei Monate später dann, im Juli 1938, entschied die Gauauswahl auch das „Deutsche Turn- und Sportfest“ in Breslau für sich, einen prestigeträchtigen Ausscheidungsbewerb, an dem alle 17 Reichsgaue teilnahmen. Das gleiche lässt sich für den schon kurz nach dem „Anschluss“ aus Gründen der Propaganda einsetzenden regen Spielverkehr (Freundschaftsspiele, Winterhilfe) zwischen Wiener Klubs und solchen aus dem „Altreich“ feststellen: von den fünfzehn im Jahr 1938 dokumentierten Spielen konnten die Wiener Klubs (Rapid, Austria, Admira und Wacker) neun für sich entscheiden (bei vier Remis und nur zwei Niederlagen).

NS-Deutscher Pokal: Rapid siegte 1938, Vienna 1943

Schließlich wurde die Spielstärke der Wiener Vereine auch im Tschammerpokal bestätigt, in dessen bereits laufende Konkurrenz sie im November 1938 einstiegen. Rapid konnte am 8. Jänner 1939 - auf den Tag genau am 40. Geburtstag des Klubs – das Finale im Berliner Olympiastadion gegen den FSV Frankfurt mit 3:1 (in der „Rapidviertelstunde“, nach 0:1 Rückstand) für sich entscheiden. Georg Schors, Hans Hofstätter und Franz Binder waren die Torschützen für den SCR. 1939 erreichten die Grün-Weißen als Titelverteidiger das Halbfinale dieses Bewerbs, ebenso wie der SC Wacker, der sich erst durch das Los geschlagen geben musste, weil trotz dreier Spiele gegen Waldhof Mannheim (1:1. n. V., 2:2 n. V., 0:0 n. V.) noch keine Entscheidung gefallen war. 1940 gelangte Rapid noch einmal ins Semifinale, 1941 die Admira, und 1943 gelang es schließlich der Vienna als zweiter Wiener Klub die letzte Konkurrenz des Tschammerpokals zu gewinnen. Im Finale am 31. Oktober 1943 siegten die Döblinger gegen den Luftwaffen SV Hamburg in Stuttgart mit 3:2 nach Verlängerung; Karl Decker (1) und der Hamburger Gastspieler Rudolf Noack (2) erzielten die Treffer für die Vienna.

NS-Deutsche Meisterschaft: Rapid gewann 1941

Im April 1938 war die erste deutsche Meisterschaft unter Beteiligung der annektierten Gebiete des „Sudentenlandes“ (davor Teil der Tschechoslowakei) und Österreichs angelaufen, und es sollte sich zeigen, dass Wiener Klubs auch hier Erfolge erzielen konnten: in drei von sechs Konkurrenzen stellten sie mit dem Meister des Gaus bzw. der Bereichsklasse Ostmark einen der Finalisten. Admira, in den 1930er-Jahren mit fünf Meistertiteln und drei Cupsiegen die stärkste Wiener Mannschaft, erreichte auf Anhieb das Finale im Berliner Olympiastadion, schlitterte dort aber am 18. Juni 1939 gegen den FC Schalke 04 (der seit 1933 fünf von sieben möglichen Meisterschaften gewonnen hatte) vor rund 100.000 Zuschauern in ein historisches Debakel und verlor 0:9. Diese unerwartet hohe Niederlage, von der sich die Botaniker nicht mehr wieder erholen sollten, ließ Schiebungsgerüchte aufkommen, die auch durch den Umstand genährt wurden, dass die Schalker Spieler nach dem Kantersieg über die Floridsdorfer zu Ehrenmitgliedern der NSDAP ernannt wurden. Kapitän Fritz Szepan war außerdem im „Führerrat des Fachamts Fußball“ tätig. In der Folgesaison 1939/1940 erreichte Rapid den dritten Platz und konnte schließlich in der Saison 1940/1941 die deutsche Meisterschaft sogar gewinnen. Am 22. Juni 1941 besiegten die Hütteldorfer in einem dramatischen Finalspiel vor 95.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion Schalke mit 4:3 (nach 0:3 Rückstand und einem verschossenen Elfmeter). Franz Binder wurde mit einem Hattrick zwischen der 63. und 71. Minute (von 1:3 auf 4:3) zum Matchwinner für den SCR. Den Anschlusstreffer hatte Georg Schors erzielt. Heute ist Rapid der einzige deutsche Fußballmeister, der nicht auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beheimatet ist. Das Finalspiel Rapid gegen Schalke stand jedoch auch im Zeichen des entscheidend ausgeweiteten Zweiten Weltkriegs, hatte doch die Deutsche Wehrmacht am Morgen dieses Tages die Sowjetunion überfallen. Insbesondere um dieses Spiel ranken sich populäre Mythen (siehe unten). In der Saison 1941/1942 zog nun die Vienna ins deutsche Meisterschaftsfinale ein, wo man sich am 4. Juli 1942 vor 95.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion mit 0:2 geschlagen geben musste. Wieder war Schalke der Gegner.

Fußball- und lokalpatriotische Renitenz

In den Jahren 1939 und 1940 kam es bei Spielen von Wiener Klubs gegen deutsche Mannschaften immer wieder zu Ausschreitungen. Im Selbstverständnis der Wiener Fußballanhänger galt es, das lokale Kulturgut „Wiener Schule“ zu schützen, das nun von Berlin aus als rein deutsch definiert und verwaltet wurde und durch die traumatische Schlappe der Admira seinen Glanz verloren hatte. Dazu kam der Unmut der Wiener Bevölkerung über die sich verschlechternde Versorgungslage, und nach und nach auch über den seit August 1939 tobenden Krieg. Im Gegensatz zu anderen (halb-) öffentlichen Räumen war es auf Fußballplätzen auch in der NS-Zeit möglich, sich widersetzlich zu verhalten, teilweise auch durch das Regime geduldet, um oppositionelle Energien von der Straße fernzuhalten. Das führte immer wieder zu Randale „gegen die Piefkes“, wie zum Beispiel am 20. Oktober 1940 beim 6:1-Sieg von Rapid über die SpVgg Fürth im Viertelfinale des Tschammer-Pokals vor 18.000 Zuschauern auf der Hütteldorfer Pfarrwiese. Regelrechte „Riots“ fanden knapp ein Monat später, am 17. November 1940 im Wiener Stadion statt, als zwischen Admira und Schalke ein „Versöhnungsspiel“ angesetzt worden war, das aber von Jedleseer Seite zur Chance auf Vergeltung für das traumatische 0:9 wahrgenommen wurde: Schlägereien mit deutschen Soldaten im Zuschauerraum, Scharmützel mit der Schutzpolizei auf den Rängen, die sich noch stundenlang nach dem Spiel im Prater fortsetzten, Spielfeldstürmung nach dem Schlusspfiff; die Schalker Spieler wurden attackiert, die Scheiben ihres Mannschaftsbusses eingeschlagen. Am Ende waren auch die Reifen der Limousine von Gauleiter Baldur von Schirach, Hitlers Statthalter in der Ostmark, zerstochen.

Mythen der populären Geschichtsschreibung

Um die Schlüsselspiele von Wiener Auswahlen und Vereinen in der NS-Zeit entstanden über die mündliche Erzählkultur und die populäre Geschichtsschreibung schon bald allerlei Mythen, die spätestens mit den Identitätsfindungsprozessen am Beginn der Zweiten Republik in das kollektive österreichische Fußballgedächtnis Eingang fanden. Schon der 2:0-Sieg im „Anschlussspiel“ vom April 1938 wurde als Widerstandsakt von Matthias Sindelar & Co. verklärt. Admiras 0:9 gegen Schalke im Sommer 1939 sah man in Wien als „geschobene“ Partie, mit ein Grund für die heftigen Ausschreitungen beim Retourspiel im November 1940 und für die große symbolische Bedeutung, die der Finalsieg Rapids im Juni 1941 erlangen sollte. Der spektakuläre Triumph der Grün-Weißen unter Führung von Binder war begleitet von Schiebungsgerüchten auf Schalker Seite bzw. auf Wiener Seite von Spekulationen über die Bestrafung von Rapid-Spielern durch deren Versetzung an die Front. Keiner dieser teils bis heute populären und wirksamen Mythen hielt allerdings bislang der wissenschaftlichen Überprüfung stand, die spätestens seit den 1990er-Jahren sich auch in der österreichischen Fußballhistorie etabliert hat. Als erster österreichischer Fußballverein der obersten Spielklasse hat der SK Rapid seine Rolle in der NS-Zeit in den Jahren 2009 bis 2011 wissenschaftlich aufarbeiten und in Buchform publizieren lassen (siehe Literatur). Das Vereinsmuseum „Rapideum“ widmet dieser Epoche zudem einen eigenen Bereich. Im Juni 2016 gab auch der FAK bekannt, dass er seine Vereinsgeschichte in der NS-Zeit von Berufshistorikern aufarbeiten lassen will.

Prominente Wiener Spieler im Einsatz für NS-Auswahlen

Viele Spieler von Wiener Vereinen wurden zwischen 1938 und 1944 auch in verschiedene lokale, regionale und nationale Auswahlen des NSRL berufen: in die Wiener Stadtauswahlen A (1938-1944) und B (1938-1942), in die Auswahl des Gaus bzw. der Bereichsklasse Ostmark (1938-1942), die deutsche „Reichsauswahl“ (1938-1939, eine Art zweiter deutscher Nationalelf, welche gegen Vereine oder Auswahlen von Gau- bzw. Bereichsklassen antrat) und in die Nationalmannschaft des NS-Staats, die von Sepp Herberger zusammengestellt und betreut wurde. Dabei wurden die Spieler nicht nur nach ihren Erfolgen mit den Klubs, ihren individuellen Fähigkeiten und Überlegungen hinsichtlich des Spielsystems ausgewählt (Herberger hielt sich vor allem an Wiener Stürmer, die ins deutsche WM-System passten), sondern auch nach ihrer Propagandatauglichkeit: Rapids Franz Binder etwa, der insgesamt 31 Mal für NS-Auswahlen auflief (davon 9 Mal für die deutsche Nationalmannschaft) wurde zum Medienstar. Durch seine Schusskraft und sein athletisches Spiel war er geradezu prädestiniert, medial zur Symbolfigur des „Ariers“ aus der „Ostmark“ stilisiert zu werden.

Zwischen der Begegnung Deutschland-England (3:6) am 14. Mai 1938, dem ersten Spiel unter Mitwirkung von Wiener Spielern in der Nationalmannschaft des NS-Staats, bis zur Partie Slowakei-Deutschland (2:5) am 22. November 1942 (danach wurden aufgrund der Kriegsereignisse keine Länderspiele mehr angesetzt), waren in 39 Länderspielen des deutschen Nationalteams und 4 Begegnungen der Reichsauswahl NS-Deutschlands 28 verschiedene Wiener Spieler auf dem Feld, die zusammen 129 Nominierungen erhielten. Mit Abstand die meisten Einsätze hatte der Admiraner Wilhelm Hahnemann (23 bzw. 3), gefolgt von Hans Pesser (Rapid, 12 bzw. 1), Willibald Schmaus (Vienna, 10 bzw. 1), Franz Binder (Rapid, 9) und Karl Decker (Vienna, 8). Hahnemann erzielte dabei 16 Treffer, Binder 10 und Decker 8. Für die Gauauswahl verzeichnete ebenfalls Hahnemann, ex aequo mit Schmaus die meisten Einsätze (beide 14), gefolgt von Stefan Skoumal und Franz Wagner (beide Rapid, 13), Karl Sesta (Austria, 12), Pesser (10) und den jeweils 9 Mal aufgestellten Binder, Franz Hanreiter (Admira, siehe Hanreitergasse) und Peter Platzer (Admira, siehe Platzergasse). Für die Wiener Stadtauswahl A verließ man sich grosso modo auf dieselben Kräfte: Franz Wagner (14), Pesser und Sesta (13), Binder, Rudolf Raftl (Rapid), Skoumal und Schmaus (alle 12), Decker (11) und Karl Zischek (Wacker, 10). In die Wiener Stadtauswahl B schließlich wurden neben arrivierten Kräften wie Walter Nausch (Austria, 1) auch weitere Spieler der erfolgreichen Vereine, wie etwa Hermann Dvoracek (Rapid, 5), sowie Talente wie Robert Körner (Rapid, 1) berufen.


Literatur

  • Karl Kastler: Fußballsport in Österreich. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Linz: Trauner 1972, S. 352-364.
  • David Forster, Jakob Rosenberg, Georg Spitaler, hg.: Fußball unterm Hakenkreuz in der Ostmark. Göttingen: 2014
  • Jakob Rosenberg, Georg Spitaler: Grün-Weiß unterm Hakenkreuz. Der Sportklub Rapid im Nationalsozialismus (1938-1945). Hg. v. SK Rapid und dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands. Wien: 2011
  • Gerhard Urbanek: Österreichs Deutschland-Komplex. Wien: Lit-Verlag 2012

Quellen

Fußball in der NS-Zeit
Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung, Blaha: B2/4: Die Kapitäne Fritz Szepan (Schalke) und Franz Binder (Rapid) im Berliner Olympiastadion beim Shakehands vor dem Anpfiff zum Endspiel um die NS-Kriegsmeisterschaft 1940/1941, 22. Juni 1941

Weblinks