Standesausweise

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Auflistung der Lehrerinnen und Lehrer der Volksschule Panikengasse 31 (Schuljahr 1905/1906). Darunter Karl Seitz, von 1919 bis 1920 Staatsoberhaupt der Republik Österreich sowie von 1923 bis 1934 Wiener Bürgermeister
Daten zum Eintrag
Datum von 1876
Datum bis 1945
Objektbezug Wiener Schulen, Quelle
Quelle
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Letzte Änderung am 29.11.2021 durch WIEN1.lanm08pil
Bildname WSTLA Stadtschulrat B4 Standesausweise 8.jpg
Bildunterschrift Auflistung der Lehrerinnen und Lehrer der Volksschule Panikengasse 31 (Schuljahr 1905/1906). Darunter Karl Seitz, von 1919 bis 1920 Staatsoberhaupt der Republik Österreich sowie von 1923 bis 1934 Wiener Bürgermeister

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Bei Standesausweisen handelt es sich um Amtsschriften, die in der Phase der Schulreformen in der Liberalen Ära des 19. Jahrhunderts von den leitenden Personen von Volks- und Bürgerschulen sowie später Hauptschulen verpflichtend geführt werden mussten. Eingeführt wurden sie um Jahr 1876, die Verpflichtung der Schulen zum Führen von Standesausweisen lief mit dem Jahr 1945 ab.

Den Namen „Standesausweis“ bezieht dieses Schulschriftgut aus seiner Funktion: Der Schulaufsichtsbehörde muss der aktuelle Stand der an der Schule tätigen Lehrerinnen und Lehrer, eingeschriebenen Schülerinnen und Schüler sowie Angaben zum Stand der Infrastruktur und der internen Unterrichtsorganisation mitgeteilt werden. Bis 1922 war diese Schulbehörde der Bezirksschulrat, nach der Trennung Wiens und Niederösterreichs der Wiener Stadtschulrat.

Die von den Standesausweisen abgefragten Parameter lassen sich grob in vier Kategorien unterteilen: Angaben zu den Lehrenden und zu den Schulkindern, Angaben zur Schulverwaltung- und Organisation, Angaben zur Infrastruktur des Gebäudes und Schulgeländes sowie Angaben zu den verwendeten Lehrbüchern. Auf der ersten Seite wurden die Schulform sowie die Schuladresse abgefragt, die leitende Person sowie die provisorische Leitung mussten angegeben werden. Falls es sich um eine Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht handelte, musste das Datum dieses Dekrets angegeben werden. Es musste angegeben werden, ob sich die Schule im jeweiligen Schuljahr im eigenen oder in einem fremden Gebäude befand, was speziell in Kriegszeiten relevant war (Hier war es Usus, mehrere Schulen in einem Gebäude zusammenzulegen, weil viele Gebäude Kriegsschäden erlitten hatten oder Militärverbände in Schulen untergebracht waren). Auch wurde hier abgefragt, ob es eine Veränderung im Klassenstand gegenüber zum Vorjahr gegeben hat.

Auf der zweiten Seite wurden in der Regel Angaben zur Infrastruktur und dem Schulangebot vermerkt (obwohl sich das Layout der Standesausweise über die Jahre hinweg immer wieder verändert): Es wurde abgefragt, ob und welche Fremdsprachen unterrichtet werden, ob die Schule mit einem Hort oder Kindergarten verbunden ist oder ob ein Turnsaal, Sommerturnplatz, Schulgarten, Zeichen- oder Handarbeitssaal besteht. Auch wurde gefragt, ob eine Schüler- bzw. Lehrerbibliothek besteht und wie viele Bände diese fasst. Auch mussten Angaben dazu gemacht werden, ob Schulräumlichkeiten von externen Organisationen mitbenutzt wurden (in der NS-Zeit wurden viele Schulräume von HJ- und BDM-Organisationen benützt). In späteren Fassungen der Standesausweise wird auch abgefragt, ob gewerbliche Fortbildungskurse angeboten werden oder ob eine Fortbildungsschule besteht (die enge Verknüpfung von Schulen und verschiedenen Gewerbezweigen oder Genossenschaften war durchaus nicht unüblich). Auch wurde gefragt, ob es eine eigene Rufnummer der Schule gibt und mit welcher Art der Heizung das Gebäude geheizt wird. An manchen Schulen gab es auch Religionssammelstellen, wo die Kinder einer religiösen Minderheit für den Religionsunterricht zusammengezogen wurden.

In der Regel folgten nun einige Seiten mit Schüler- und Schülerinnen sowie Lehrendenverzeichnissen. Bereits ab der ersten Ausgabe der Standesausweise wurde angemerkt, ob es sich um eine reine Knaben-, Mädchen oder um eine Mischklasse handelte. Hierbei wurde die Religionsangehörigkeit aller Kinder pro Klasse und in der finalen Zählung auch pro Schule festgehalten. Die Felder zur Eintragung der Konfessionen veränderten sich regelmäßig: Während 1876 noch zwischen „Katholiken, Protestanten, Israeliten, Griechisch-Orthodoxen und Confessionslosen“ unterschieden wurde, so waren 1944 die Kategorien „römisch-katholisch“, „altkatholisch“, „evangelisch“, „mosaisch“, „gottgläubig“ und „glaubenslos“ als Möglichkeiten vorgesehen. Der Vergleich dieser Eintragungen ließe sich statistisch besonders gut verwerten und kann Aufschluss über die Religionsströmungen in ganzen Bezirksteilen zu einem gewissen Zeitpunkt geben. Bei den Lehrpersonen wurde anfangs nach deren Glaubensbekenntnis, dem Datum der Lehrbefähigungsprüfung, Angaben zum Wohnort und Konfession gefragt. Diese Kategorien erweiterten sich noch um Geburtsdaten, Angaben zum Reifeprüfungszeugnis, Stand, der Gehaltsklasse oder seit wann die jeweilige Person im öffentlichen Schuldienst sei. Auch wurde später genauer darauf eingegangen, für welche Unterrichtsfächer die Lehrprüfung denn genau abgelegt wurde.

Am Ende dieses Papierbogens stand meist ein Verzeichnis der verwendeten Lehrbücher, die nach Titel, Auflage, Verleger, Publikationsjahr und Preis aufgelistet wurden. Hier gab es auch noch die Möglichkeit eines Anmerkungsfeldes. In den späten Ausgaben der Standesausweise fehlen diese Lehrbücherverzeichnisse aber bereits, sie sind gesondert geführt worden. Es zeigt sich also, dass die Standesausweise als Quelle aus dem Bereich der Schulunterlagen mit fortlaufender Existenzdauer immer differenzierter werden und damit immer mehr Informationen für die historische Forschung bieten. Besonders im Anwendungsbereich einer statistischen Erforschung bieten sie einen Mehrwert.

Die Serien der Standesausweise zu den Wiener Schulen im Wiener Stadt- und Landesarchiv lassen sich zwei große Abschnitte einteilen: Ab dem Schuljahr 1876/1877 bis zum Schuljahr 1915/16 liegen die Standesausweise in gebundener Buchform vor. Ab diesem Zeitpunkt bis zum Schuljahr 1944/1945 sind die einzelnen Standesausweise in Schachteln gelagert. Generell scheinen die Standesausweise ab etwa 1915 in differenzierterer Form angelegt worden zu sein, da es ab diesem Zeitpunkt Trennungen in eigene Bestandsgruppen in öffentliche Schulen, Privat- und Sonderschulen gibt. Auch gab es gesonderte Standesausweise zu einzelnen Lehrerinnen und Lehrern.

Quellen