Rationierung

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Tagesration eines Normalverbrauchers (1946)
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Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Bildunterschrift Tagesration eines Normalverbrauchers (1946)

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Im Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie der Nachkriegszeit beider Weltkriege konnten Güter des täglichen Bedarfs nur in rationierter Form an die Bevölkerung abgegeben werden. Im Ersten Weltkrieg erfolgten die Rationierungen schrittweise, während im Zweiten Weltkrieg schon knapp vor Kriegsausbruch Rationierungen in Kraft traten.

Erster Weltkrieg

Andrang bei der Ankerbrotfiliale in der Erdbergstraße am 24. April 1915

Da die veranwortlichen Stellen von einer Kriegsdauer im Ausmaß von wenigen Monaten ausgingen, war die Habsburgermonarchie auf den Ausbruch des Krieges mit Bezug auf die Versorgung der Zivilbevölkerung mit Grundnahrungsmitteln, Kleidung und Energieträgern kaum vorbereitet. Bei Lebensmitteln traten schon Ende Juli 1914 aufgrund von Hamsterkäufen Engpässe ein. Wenige Monate nach Kriegsbeginn mussten schrittweise Grundnahrungsmittel rationiert werden. Die Einschränkungen des Fleischkonsums setzten ab Mai 1915 ein. Ab April 1915 wurde eine Brotkarte eingeführt. Im April 1916 folgte die Zucker- und Kaffeekarte. Ab Mai 1916 folgte die Milchkarte, im September 1916 die Fettkarte. Im Oktober 1917 mussten auch die Kartoffeln mittels Kartoffelkarte rationiert werden. Textilien und Heizmittel unterlagen zwar grundsätzlich keiner Rationierung, wurden aber im Lauf des Krieges immer knapper. Bei Nahrungsmitteln und Textilien wurde zunehmend auf die Produktion von Ersatzstoffen umgestellt. So wurden Sohlen und Oberleder für militärische Zwecke requiriert und Schuhsohlen aus Lederabfällen und Holz hergestellt, Kleidungsstücke aus Brennesselstoffen. Knapp waren auch Fette und Öle, Kautschuk und mehr oder minder alle Metalle. Im Oktober 1918 wurde das Heizen der Räume mit Gas und Strom zur Gänze verboten.

Nach Kriegsende musste die Rationierung der Grundnahrungsmittel fortgesetzt und konnte erst ab 1920 schrittweise beendet werden. Die Kohlenknappheit blieb ebenfalls die gesamte Nachkriegszeit über bestehen.

Zweiter Weltkrieg

Aufklärungsposter "Was jeder für seine Lebensmittelkarte erhält!" (1939)

Bereits wenige Tage vor Beginn des Zweiten Weltkriegs begann am 28. August 1939 die Einführung der Bezugscheine als "Vorbeugemaßnahme", am 2. September wurde in der Volkshalle des Rathauses eine Auskunftsstelle in "Angelegenheiten der kriegswirtschaftlichen Bezugsregelungen" eröffnet. Während der Kriegsjahre wurden je nach Versorgungslage die mit Bezugscheinen zu beziehenden Lebensmittel und der Kreis der Empfänger geregelt (10. September 1939 Einführung der Bezugscheinpflicht für Mehl, 2. Oktober 1939 Kartenzwang auch für Gaststätten in Wien und so weiter). Die von den Kartenstellen ausgegebenen sechs bis zwölf Karten pro Person (inklusive Raucher-, Seifen-, Kleiderkarten und individuelle Bezugsberechtigungen) galten für eine Versorgungsperiode von drei bis vier Wochen. Rationiert waren Grundnahrungsmittel, aber auch Textilien, Schuhe, Treibstoffe, der Bezug von Fahrrädern, Gummi, Kohle, Holz und Seife.

Durch die systematische Ausplünderung der von NS-Deutschland im Lauf des Krieges besetzten Gebiete, besonders in Osteuropa, blieb die Versorgungssituation in NS-Deutschland und damit auch in Wien mit Ausnahme der letzten Kriegswochen vergleichsweise günstig. Gegen Kriegsende lauteten die Abschnitte der Karten nicht mehr auf bestimmte Waren, sondern enthielten nur Nummern, die zur Einlösung aufgerufen wurden, da die auf den Karten angegebenen Lebensmittel nicht mehr oder nur in vermindertem Umfang ausgegeben werden konnten.

Nachkriegszeit

Nach Kriegsende blieb die Rationierung im vollen Umfang aufrecht. Neben Lebensmitteln unterlagen Textilien, Schuhe, Leder, Tabakwaren, Seife und Waschmittel, Brennstoffe, Mineralöle, Fahrräder und -reifen, Haushaltsgegenstände, Eisenwaren, Radiogeräte, Möbel und zahlreiche weitere Gebrauchsgüter der Rationierung. Die Verteilung hatte das Hauptwirtschaftsamt über. Die erste Versorgungsperiode der Lebensmittelkarten nach neuem System (Druck der Karten vom Oberkommando der Roten Armee veranlasst) umfasste den Zeitraum 7. bis 31. Mai 1945. Da die Bevölkerung auf die Zonen der Westalliierten auswich, mussten die Lebensmittelkarten für jede Zone durch Farbaufdruck unterschiedlich gekennzeichnet werden. Im Mai 1946 fand eine zeitliche Angleichung aller Bundesländer statt. Ab Jänner 1949 reduzierte sich die Kartenanzahl durch erste Auflassungen (Eier- und Kaffeemittelkarten, im Juni 1949 auch Erdäpfel- und Milchkarten). Ab Ende 1947 trat auch bei den übrigen Verbrauchsgütern eine allgemeine Lockerung der Rationierung ein, so bei Seife und Waschmitteln und Metallen. Eine zentrale Bewirtschaftung von Textilien in ganz Österreich kam hingegen erst im Mai 1947 zustande. Im Sommer 1949 wurden bundeseinheitliche Lebensmittelkarten eingeführt. Am 11. Jänner 1949 konnte die Brot- und Mehlrationierung aufgehoben werden. Die Aufhebung des Lebensmittelbewirtschaftungsgesetzes erfolgte zwar am 31. August 1950, doch waren 1952 dennoch Zucker (bis 1. November), preisgestützte Speisefette, Margarine, Kunstspeisefett und Speiseöl sowie ausländisches Schmalz noch markenpflichtig. Kinder-, Mütter- und Selbstversorgerkarten wurden erst mit Ende 1952 aufgelassen.

Siehe auch Kaloriensatz, Lebensmittelkarten

Quellen

Literatur

  • Handbuch Reichsgau Wien. Band 63/64. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1941
  • Handbuch der Stadt Wien. Band 67/68. Wien: Verlag für Jugend und Volk 1952
  • Maureen Healy: Vienna and the Fall of the Habsburg Empire. Tital War and Everyday Life in World War I. Cambridge: Cambridge University Press 2004, S. 31-56
  • Richard Hufschmied: Energie für die Stadt. Die Kohlenversorgung von Wien im Ersten Weltkrieg. In: Alfred Pfoser / Andreas Weigl [Hg.]: Im Epizentrum des Zusammenbruchs. Wien im Ersten Weltkrieg. Wien: Metroverlag 2013, S. 180-189
  • Christian Mertens: Die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf die Ernährung Wiens. In: Alfred Pfoser / Andreas Weigl [Hg.]: Im Epizentrum des Zusammenbruchs. Wien im Ersten Weltkrieg. Wien: Metroverlag 2013, S. 162-171
  • Berta Neuber: Die Ernährungssituation in Wien in der Zwischenkriegszeit, während des Zweiten Weltkrieges und in den ersten Nachkriegsjahren. Diss., Univ. Wien. Wien 1988
  • Die Verwaltung der Bundeshauptstadt Wien 1945-1947. Magistrat der Bundeshauptstadt Wien, Wien 1949
  • Andreas Weigl: Mangel - Hunger - Tod. Die Wiener Bevölkerung und die Folgen des Ersten Weltkrieg. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 2014 (Wiener Geschichtsblätter 2014, Beiheft 1)
  • Hubert Weitensfelder: "Kriegsware". Ersatzstoffe in Produktion und Alltag. In: Alfred Pfoser / Andreas Weigl [Hg.]: Im Epizentrum des Zusammenbruchs. Wien im Ersten Weltkrieg. Wien: Metroverlag 2013, S. 172-179