Phaidon-Verlag

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Daten zur Organisation
Art der Organisation Verlag
Datum von 13. März 1922
Datum bis 31. Mai 1939
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 69656
GND 1073077799
WikidataID
Objektbezug Verlagsgeschichte
Quelle Murray G. Hall: Österr. Verlagsgeschichte
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Letzte Änderung am 7.11.2023 durch WIEN1.lanm09fri
  • 1., Parkring 10

Frühere Adressierung
  • Euphorion-Verlag (13 März 1922, bis: 11 April 1923)

Es wurden noch keine Personen erfasst.

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48° 12' 21.17" N, 16° 22' 42.53" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Im März 1922 suchte der Wiener Fritz Ungar um eine Konzession zum Betrieb einer Verlagsbuchhandlung in Wien-Leopoldstadt, Zirkusgasse 34 an. Béla Horovitz und der Schriftsteller Ludwig Goldscheider traten als stille Teilhaber in das Unternehmen ein, dessen ersten Publikationen aus einer vierbändigen Dünndruckausgabe von Shakespeares Werken und einer zweibändigen Dünndruckausgabe von Platon bestanden. Trug das Unternehmen zunächst den Namen "Euphorion-Verlag", trat es ab April 1923 unter dem Namen "Phaidon-Verlag" auf, unter dem es Anfang 1924 in das Wiener Handelsregister eingetragen wurde. Im Lauf des Jahres 1923 erwarb Ungar eine Konzession in der Inneren Stadt und verlegte seinen Sitz in die Schulerstraße 10. Im Sommer 1924, änderte sich die Firmabezeichnung in "Phaidon-Verlag Dr. Ungar, Dr. Horovitz & Co.", der noch Goldscheider als öffentlicher Gesellschafter angehörte. Bereits wenige Monate traten dieser und Ungar aus der Gesellschaft aus, die nun unter dem Titel "Phaidon-Verlag Dr. Horovitz" firmierte.

Noch vor dem "Anschluss", am 1. März 1938, verkaufte Horovitz dem englischen Verlag George Allen & Unwin die Rechte und Bestände des Verlags. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten erhielt der Verlag einen kommissarischen Verwalter in der Person von Walther Scheuermann, der über reiche Erfahrung in der österreichischen Verlagsbranche verfügte und zu diesem Zeitpunkt Verlagsdirektor und Gesellschafter des Tieck-Verlages war. Die Übernahme des Phaidon-Verlags führte zum Zerwürfnis mit seinem bisherigen Geschäftspartner Mirko Jelusich führte. Im August 1938 wurde Scheuermann als Verwalter durch Irma Pasler abgelöst, die aber über keine Erfahrung im Verlagsbuchhandel verfügte. Am 31. Mai 1939 wurde der Phaidon-Verlag im Handelsregister gelöscht.

Die Produktion des Verlags umfasste bis 1933 hauptsächlich Literatur. In den Jahren 1923 bis 1925 erschienen vor allem "Klassiker", etwa von William Wordsworth, Jonathan Swift, Wiliam Shakespeare, Ovid, Novalis, Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Theodor Storm oder Heinrich von Kleist (darunter auch eine Dünndruckausgabe von Kleists Sämtlichen Werken mit Textanordnung von Ludwig Goldscheider), aber auch Goldscheiders "Ruhe auf der Flucht. Aphorismen und Schlußreime". In den folgenden Jahren umfasste das Verlagsprogramm auch Werke zeitgenössischer Autorinnen und Autoren wie Thomas Mann, Hanne Back oder Übersetzungen von Samuel Butler, bis schließlich ab 1927/1928 endgültig eine Wende im Verlagsprogramm hin zur Gegenwartsliteratur vollzogen wurde. Hohe Auflagenzahlen verzeichneten Werke des deutschen Schriftstellers Alfred Henschke (Klabund). Es erschienen unter anderem auch ein Essaywerk von Arnold Zweig, "Die Harfe Gottes" von Hugo Salus, Hugo von Hofmannsthals "Unterhaltungen über literarische Gegenstände", Knut Hamsuns "Der wilde Charakter", Heinz Liepmanns Roman "Nächte eines alten Kindes" oder Richard Spechts "Die Nase des Herrn Valentin Berger. Tragikomödie eines Wiener Filmschauspielers".

1930 kam eine Reihe von bedeutenden österreichischen Autoren hinzu, vor allem in der neugeschaffenen Reihe "Die Gold- und Silberbücher". Dazu gehörten etwa Egon Friedell ("Kleine Philosophie. Vermischte Meinungen und Sprüche"), Robert Neumann ("Passion. Sechs Dichterehen"; "Panoptikum. Bericht über fünf Ehen aus der Zeit"), Leo Perutz ("Herr, erbarme Dich meiner!"), Arthur Schnitzler ("Buch der Sprüche und Bedenken"), aber auch der Miteigentümer des Strom-Verlags, Julius Haydu, der drei Romane im Phaidon-Verlag veröffentlichte ("Roman der Sonne", "Jehovas Geburt", "Rußland 1932"). Außerdem erschienen geschichtliche Werke, wie zum Beispiel Eugen Lennhoffs Bestseller "Die Freimaurer. Geschichte, Wesen, Wirken und Geheimnis der königlichen Kunst" oder Friedrich Oppenheimers Roman "Sarajevo – das Schicksal Europas".

Bekannt wurden auch die von Ludwig Goldscheider herausgegebenen Verlagsalmanache. Der erste unter dem Titel "Phaidon. Ein Lesebuch" erschien 1924 und enthielt neben Textproben englischer, deutscher und lateinischer Klassiker auch Beiträge von Goldscheider, Hermann Hesse, Wilhelm Schäfer, Karl Adler und Otto Stoessl. 1928 erschien das Phaidon-Lesebuch mit Beiträgen von Hermann Hesse, Stefan Zweig, Peter Altenberg, Leo Perutz, Ricarda Huch, Arthur Schnitzler, Franz Blei oder Klabund. Das letzte Lesebuch erschien 1933 und vereinte klassische Texte mit jenen arrivierter zeitgenössischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller.

Der Phaidon-Verlag machte in den 1930er Jahren etwa 70 Prozent seines Absatzes in Deutschland und ließ viele seiner Publikationen dort drucken. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme im Deutschen Reich 1933 verlagerte der Phaidon-Verlag seinen Programmschwerpunkt auf Kunst und Kunstgeschichte und gab nur noch wenig Literatur heraus, vor allem ältere, unpolitische Werke, darunter Hesiod, Guy de Maupassant oder Francesco Petrarca, die mehrsprachige Kunstzeitung "Artibus" oder mehrere kunstgeschichtliche Werke von Jakob Burckhardt usw. Insbesondere die Kunstbücher erreichten hohe Auflagenzahlen und konnten so zu einem günstigen Stückpreis veräußert werden.

Quellen

  • Wiener Stadt- und Landesarchiv: Handelsgericht Wien, Register A, Band 12, pagina 170a

Literatur

  • Ernst Fischer: The Phaidon Press in Vienna 1923-1938. In: Visual Resources 15V (1999), Special Issue, S. 289–309
  • Ernst Fischer: Zwischen Popularisierung und Wissenschaftlichkeit. Das illustrierte Kunstbuch des Wiener Phaidon Verlags in den 1930er Jahren. In: Katharina Krause/Klaus Niehr: Kunstwerk – Abbild – Buch. Das illustrierte Kunstbuch von 1730 bis 1930. München/Berlin: Deutscher Kunstbuchverlag 2007, S. 239–265
  • Anna Nyburg: Emigrés. The Transformation of Art Publishing in Britain. London: Phaidon Press Limited 2014

Weblinks