Leopold Klagsbrunn

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Daten zur Person
Personenname Klagsbrunn, Leopold
Abweichende Namensform Klagsbrunn, Leo
Titel
Geschlecht männlich
PageID 57242
GND
Wikidata
Geburtsdatum 2. Februar 1888
Geburtsort Wadowice
Sterbedatum 1959
Sterbeort Rio de Janeiro
Beruf Chemiker, Unternehmer, Sportfunktionär
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Gedenktage
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Letzte Änderung am 7.09.2018 durch DYN.rabus
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
  • 21., Pilzgasse 89 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Leopold Klagsbrunn, * 2. Februar 1888 Wadowice, Österreich-Ungarn, † 1959 Rio de Janeiro, Brasilien, Chemiker, Unternehmer, Sportfunktionär.

Biografie

Leopold "Leo" Klagsbrunn wurde 1888 in Wadowice nahe Krakau geboren. Seine Familie zog bald nach seiner Geburt nach Wien und ließ sich zunächst in der Leopoldstadt nieder, 1899 übersiedelte sie nach Floridsdorf. In einem Industrieviertel nahe dem Zentrum erwarb die Familie eine kleine Villa und mietete ein Warenhaus auf dem nahe gelegenen Frachtbahnhof. Beziehungen in die alte Wohngegend blieben aber bestehen: Die Vermählung Klagsbrunns mit Friederike Kohn fand 1911 im Leopoldstädter Tempel statt. 1920 schloss Klagsbrunn seine Ausbildung zum Chemiker ab und übernahm das ab 1924 auf seinen Namen angemeldete Familiengeschäft.

Klagsbrunns Auftreten war durch und durch bürgerlich: Fotos aus jenen Jahren zeigen ihn als elegant gekleideten Mann, er führte ein Geschäft mit sechs Angestellten, besaß ein Haus und ein amerikanisches Automobil. Die ambivalente Mischung aus Rotem Wien und provinziell-kleinbürgerlichem Leben bestimmte die Räume, in denen sich das Leben und die Arbeit von Leo Klagsbrunn abspielte. Sport, speziell der Fußball, spielte dabei − wie für einen Großteil der männlichen Bevölkerung − eine wesentliche Rolle.

Präsident des FAC

Leo Klagsbrunn saß ab Mitte der 1920er Jahre im Vorstand des FAC, wurde 1927 Vizepräsident und um 1932 Präsident. Die populäre Erzählung charakterisiert den FAC, ebenso wie die Admira, als typischen Vorstadtklub, in extremer Weise lokal verankert. Sowohl Aktive wie Zuschauer rekrutierten sich zum überwiegenden Teil aus der ortsansässigen Arbeiterschaft. Die Funktionäre des FAC und des Bezirksrivalen Admira waren gewiss untereinander bekannt, und auch abseits der Verbindungen durch den Fußballsport hat man sich wohl zufällig auf der Straße, beim Einkaufen, im Kaffeehaus oder in der Synagoge getroffen. Das Haus und die Firma von Leo Klagsbrunn, die Synagoge und der Sportplatz des FAC waren kaum zehn Gehminuten voneinander entfernt.

Klagsbrunn hatte das Präsidentenamt des FAC in einer schwierigen Phase des Klubs übernommen, hatte der Verein doch zum einen die sportliche Hegemonie im Bezirk an die Admira verloren, zum anderen seinen Sportplatz aufgeben müssen. Erst 1934, als die Admira sich ein neues Stadion errichtet hatte, gelang es unter der Präsidentschaft Klagsbrunns, den alten Sportplatz des Bezirksrivalen zu übernehmen.

Leo Klagsbrunn scheint viel Zeit und Geld investiert zu haben, um den Klub im Geschäft zu halten. Die Medien berichten mehrmals von erfolgreichen Versuchen der Mobilisierung der lokalen Gemeinschaft und Geschäftswelt. So wurde der FAC trotz großer Erfolge des Rivalen Admira noch 1936 als der beliebtere der beiden Floridsdorfer Großklubs beschrieben. Neben seinen Aktivitäten als Vereinsfunktionär war Klagsbrunn auch im Wiener-Fußballverband als 2. Vorsitzender der 1. Liga tätig.

Flucht nach Brasilien

Auch nach dem Ende seiner Präsidentschaft blieb Klagsbrunn dem FAC verbunden, war Gast auf Vereinsveranstaltungen. Das endete im Jahr 1938: Nach dem "Anschluss" war er als Jude der nationalsozialistischen Verfolgung ausgesetzt. Über Portugal gelang Klagsbrunn mit seiner Frau und den beiden Söhnen im August 1938 die Flucht nach Brasilien. Die Familie ließ sich in Rio de Janeiro nieder. Zu den wenigen Erinnerungstücken an Wien, die Leo Klagsbrunn nach Brasilien retten konnte, gehört ein Matchplakat des FAC. Sein älterer Sohn Kurt wurde zu einem erfolgreichen Fotografen, der eindrucksvolle Bilder des Brasilien der Nachkriegszeit schoss.

Erich Hackl hat der Familie Klagsbrunn ein biografisch-literarisches Denkmal gesetzt und gezeigt, dass die Verfolgungsgeschichte mit der Flucht nach Brasilien nicht zu Ende war. Victor Hugo Klagsbrunn − ein Enkel Leos − wurde als Studentenaktivist während der brasilianischen Militärdiktatur verschleppt, interniert und gefoltert. Nach seiner Freilassung und Flucht aus Brasilien gelangte er nach Europa, studierte und arbeitete an der Freien Universität Berlin. Nach dem Ende der Militärdiktatur kehrte er in den 1980er Jahren als Universitätsprofessor in seine Heimat zurück.

Quellen

  • WStLA, BPD Wien: Historische Meldeunterlagen, K 3: Leopold Klagsbrunn
  • ÖStA, AdR, HBbBuT BMfHuV, Allg Reihe Ing Klagsbrunn (1888) Leopold 28267/1920 AE 500
  • WStLA, Handelsregister A 29/228a2.3.3.B76.29.228a
  • Archiv der IKG Wien, Reihenzahl 148, 188222 (1911)

Literatur

  • Bernhard Hachleitner / Matthias Marschik / Spitaler Georg [Hg.]: Sportfunktionäre und jüdische Differenz. Zwischen Anerkennung und Antisemitismus − Wien 1918 bis 1938. Berlin: de Gruyter 2018
  • Erich Hackl: Drei tränenlose Geschichten. Zürich: Diogenes 2014, S. 7−77
  • Barbara Weidle / Ursula Seeber: Kurt Klagsbrunn. Fotograf im Land der Zukunft: Weidle Verlag 2013
  • Reinhard Pillwein: 100 Jahre FAC. Die Geschichte eines Floridsdorfer Wahrzeichens. Wien 2004