Albert Drach

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Daten zur Person
Personenname Drach, Albert
Abweichende Namensform
Titel Dr. iur.
Geschlecht männlich
PageID 31348
GND 118680625
Wikidata Q94480
Geburtsdatum 17. Dezember 1902
Geburtsort Wien 4066009-6
Sterbedatum 27. März 1995
Sterbeort Mödling, Niederösterreich 4039880-8
Beruf Schriftsteller, Jurist
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 7.11.2023 durch WIEN1.lanm09krs
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle

Es wurden noch keine Adressen zu dieser Person erfasst!

Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Preis der Stadt Wien für Literatur (Übernahme: 19. Juni 1972)
  • Georg-Büchner-Preis (Übernahme: 15. Oktober 1988)
  • Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst Erster Klasse (Verleihung: 21. Juni 1990)
  • Grillparzer-Preis (Verleihung: 1993)
  • Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien (Verleihung: 19. Juni 1990, Übernahme: 26. Juni 1990)


Albert Drach, * 17. Dezember 1902 Wien, † 27. März 1995 Mödling, Erzähler, Dramatiker, Lyriker, Essayist, Jurist.

Biografie

Albert Drach war der Sohn des Mathematikers und Bankbeamten Wilhelm Drach (1859–1935) und dessen zweiter Frau Jenny Drach (1875–1939), geborene Pater, die beide aus jüdischen Familien stammten. Drachs ältere Halbschwester Alma Gartenberg, deren Mutter Katholikin war, war katholisch getauft worden.

Albert Drach besuchte ab 1913 das Akademische Gymnasium in Wien und maturierte 1921. Danach studierte er Jus an der Universität Wien, absolvierte nach der Promotion 1926 das Gerichtsjahr und ging 1931 als Rechtsanwaltsanwärter nach Linz. Die Anwaltsprüfung legte Drach 1934 ab und eröffnete danach eine Kanzlei im Mödlinger Drach-Hof, den sein Vater 1917 als Familiensitz gekauft hatte.

Erste Gedichte konnte Drach bereits als Gymnasiast im "Neuen Wiener Journal" veröffentlichen. Es folgte der Gedichtband "Kinder der Träume", der – durch väterliche Druckkostenübernahme ermöglicht – 1919 bei Amalthea erschien. Drach galt in Wien daraufhin als vielversprechendes schriftstellerisches Talent. Nach seiner eigenen, nicht verifizierbaren Aussage wurde ihm für das Theaterstück "Sade" 1928 inoffiziell der Kleist-Preis zugesagt, den dann allerdings Anna Seghers erhielt.

Obwohl sich der Durchbruch als Schriftsteller nicht einstellen wollte, arbeitete Drach beharrlich an seinem literarischen Werk. Er versammelte eine große Anzahl von Gedichten in den Zyklen "Entblößungen" und "Hunde bellen den Mond an", schrieb 1935 die erste Fassung des Anti-Hitler-Stücks "Kasperlspiel vom Meister Siebentot" und begann im gleichen Jahr die Arbeit an dem Roman "Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum", den er 1939 abschloss. Ein Porträt in der Zeitschrift „Radio-Wien“ vom 24. September 1937 bescheinigte Drach ein "stark dämonisches Temperament" mit einem Gespür für "all das Teuflische, Unterirdische, Widersprüchliche und Unnatürliche, das Groteske und Spukhafte unserer Welt" (Leopold Liegler: Albert Drach. In: Radio-Wien vom 24.09.1937, Heft 52, S. 4).

Vermutlich aufgrund seines "Kasperlspiels vom Meister Siebentot" kam es im April 1938 zu einer Hausdurchsuchung durch die SA. Dennoch zögerte Drach, Österreich zu verlassen, bis er schließlich am 25. November 1938 über Jugoslawien und Italien nach Frankreich floh. Während des französischen Exils hielt er sich vor allem in Nizza und Umgebung auf, war aber zwischenzeitlich mehrmals interniert, etwa im Lager Les Milles, wo er mit den Schriftstellern Lion Feuchtwanger und Walter Hasenclever zusammentraf. Neben Gedichten entstanden in der Emigration vor allem das Theaterstück "Das Aneinandervorbeispiel vom Leben für eine Verstorbene" und die sprachgewaltige Erzählung "Das Goggelbuch", deren gemeinsamen historischen Hintergrund die Spanische Inquisition um 1600 bildet.

Drach kehrte 1947 erstmals und 1948 endgültig nach Österreich zurück. Nach mühevollem juristischen Kampf gelang es ihm, den 1938 "arisierten" Drach-Hof wieder in seinen Besitz zu bringen, und eröffnete darin erneut seine Anwaltskanzlei. 1954 heiratete Drach die um 30 Jahre jüngere Gerty Rauch; die gemeinsamen Kinder Wilhelm und Jenny kamen 1952 und 1954 zur Welt.

Trotz intensiver Verlagssuche, die vom damaligen Wiener Kulturstadtrat Viktor Matejka unterstützt wurde, fand Drach lange Zeit keine Möglichkeit, seine bis dahin geschriebenen Werke zu veröffentlichen. Der Durchbruch als Schriftsteller gelang im Jahr 1964, nachdem er den Münchner Langen Müller Verlag insbesondere mit seiner Arthur Rimbaud-Novelle "Amtshandlung gegen einen Unsterblichen" zu einer Zusammenarbeit hatte überzeugen können. Konzipiert wurde gleich eine achtbändige Werkausgabe, die mit dem erfolgreichen Roman "Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum" über einen galizischen Juden, der in die Mühlen von Exekutive und Justiz gerät, startete. Es folgten Theaterstücke und Erzählungen, die Drach "Kleine Protokolle" nannte. Von besonderer Bedeutung, wenn auch bei ihrem ersten Erscheinen weder von der Literaturkritik noch vom Lesepublikum geschätzt, sind Drachs autobiographische bzw. autofiktionale Werke "'Z.Z.' Das ist die Zwischenzeit" (1968) und "Unsentimentale Reise" (1966) über die Jahre des Austrofaschismus und Nationalsozialismus. Drachs erzählende Texte, darunter der 1971 erschienene Roman "Untersuchung an Mädeln", sind von einer Erkenntnis geprägt, die er in seinem Stück "Satansspiel vom Göttlichen Marquis" auf den Punkt brachte: "Die Gesetze sind gegen diejenigen, die nicht dabei waren, als sie gemacht wurden."

Spätestens nach dem Misserfolg seines großen Essays "In Sachen de Sade" (1974) begann für Drach eine erneute Phase der schriftstellerischen Latenz. Die Wiederentdeckung wurde durch André Fischers Artikel "Die Eintracht des Vergessens. Der Fall Albert Drach" eingeleitet, der am 11. August 1987 in der "Süddeutschen Zeitung" zu lesen war. Erst ab diesem Zeitpunkt wurde der sogenannte Protokollstil Drachs allmählich in seiner komplexen Vielstimmigkeit und seinem Anspielungsreichtum gewürdigt, die "Unsentimentale Reise" wurde als ein Grundbuch der deutschsprachigen Exilliteratur erkannt.

1988 wurde dem 86-jährigen Drach der Büchner-Preis verliehen, 1990 erhielt er das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst und den Manés Sperber-Preis. Das Ehrendoktorat der Universität Wien folgte 1993.

Seit 2002 erscheint eine auf zehn Bände angelegte Studienausgabe des Drach’schen Werkes beim Wiener Zsolnay Verlag.

Quellen

Werke

  • Albert Drach: Kinder der Träume. Gedichte. Zürich / Leipzig / Wien: Amalthea 1919
  • Albert Drach: Das Protokoll gegen Zwetschkenbaum. Roman. München / Wien: Langen Müller 1964 (= Gesammelte Werke 1)
  • Albert Drach: Das Spiel vom Meister Siebentot und weitere Verkleidungen. München / Wien: Langen Müller 1965 (= Gesammelte Werke 2)
  • Albert Drach: Die kleinen Protokolle und das Goggelbuch. München / Wien: Langen Müller 1965 (= Gesammelte Werke Bd. 3)
  • Albert Drach: Das Aneinandervorbeispiel und die inneren Verkleidungen. München / Wien: Langen Müller 1966 (= Gesammelte Werke 4)
  • Albert Drach: Unsentimentale Reise. Ein Bericht. München / Wien: Langen Müller 1966 (= Gesammelte Werke 5)
  • Albert Drach: ,Z.Z.‘ Das ist die Zwischenzeit. Ein Protokoll. Hamburg / Düsseldorf: Claassen 1968 (= Gesammelte Werke 6)
  • Albert Drach: Untersuchung an Mädeln. Kriminalprotokoll. Hamburg / Düsseldorf: Claassen 1971 (= Gesammelte Werke 8)
  • Albert Drach: Gottes Tod ein Unfall: Dramen und Gedichte. Hamburg / Düsseldorf: Claassen 1972. (= Gesammelte Werke 7)
  • Albert Drach: In Sachen de Sade. Nach dessen urschriftlichen Texten und denen seiner Kontaktpersonen. Düsseldorf: Claassen 1974
  • Albert Drach: JA UND NEIN. Drei Fälle. München / Wien: Hanser 1992
  • Albert Drach: Das Beileid. Nach Teilen eines Tagebuchs. Mit einem Nachwort von Primus Heinz Kucher. Graz / Wien: Droschl 1993
  • Albert Drach: Ironie vom Glück. Kleine Protokolle und Erzählungen. München / Wien: Hanser 1994
  • Albert Drach: O Catilina. Ein Lust- und Schauertraum. München / Wien: Hanser 1995
  • Albert Drach: Werke in zehn Bänden. Hg. von Ingrid Cella, Bernhard Fetz, Alexandra Millner, Wendelin Schmidt-Dengler und Eva Schobel. Wien: Zsolnay 2002–laufend

Literatur

  • Gerhard Hubmann: "Bis hierher und nicht weiter". Textkritische, gattungs- und rezeptionsgeschichtliche Anmerkungen zu Albert Drachs "Amtshandlung gegen einen Unsterblichen". In: Susanne Eichhorn u.a. (Hg.): Aufgehoben? Speicherorte, -diskurse und -medien von Literatur. Würzburg: Königshausen & Neumann 2017, S. 229–246
  • Michael Rohrwasser: Stachel der Lektüre. Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum. In: Klaus Kastberger / Kurt Neumann [Hg.]: Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945. Wien: Zsolnay 2007 (= Profile. Magazin des österreichischen Literaturarchivs 14), S. 240–248
  • Alexandra Millner: Spiegelgeschichten. Zum Spiegelmotiv in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur (Elfriede Jelinek, Adolf Muschg, Thomas Bernhard, Albert Drach). Wien: Braumüller 2004 (= Wiener Arbeiten zur Literatur 19), S. 155–172
  • Eva Schobel: Albert Drach. Ein wütender Weiser. Salzburg / Wien / Frankfurt a. M.: Residenz 2002
  • Bernhard Fetz [Hg.]: In Sachen Albert Drach. Sieben Beiträge zum Werk. Mit einem unveröffentlichten Text Albert Drachs. Wien: WUV-Universitäts-Verlag 1995
  • Gerhard Fuchs / Günther A. Höfler [Hg.]: Albert Drach. Graz / Wien: Droschl 1995 (= Dossier 8)
  • André Fischer: Inszenierte Naivität. Zur ästhetischen Simulation von Geschichte bei Günter Grass, Albert Drach und Walter Kempowski. München: Wilhelm Fink Verlag 1992 (= Theorie und Geschichte der Literatur und schöne Künste. Reihe C. Ästhetik. Kunst und Literatur in der Geschichte der Neuzeit 9)
  • Matthias Settele: Der Protokollstil des Albert Drach. Recht, Gerechtigkeit, Sprache, Literatur. Frankfurt am Main / Wien [u.a.]: Lang 1992


Albert Drach im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.

Weblinks