Fußball

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Fußballkampf (Cricketer), Ludwig Koch, 1906, Gouache, 47 x 87 cm
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Objektbezug Sport, Wien wird Bundesland
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 29.11.2023 durch WIEN1.lanm08trj
Bildname Cricketer_Fußballkampf.jpg
Bildunterschrift Fußballkampf (Cricketer), Ludwig Koch, 1906, Gouache, 47 x 87 cm

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Ursprünge

Ab dem 14. Jahrhundert in Italien, Frankreich und Großbritannien urkundlich (unter anderem "Calcio Fiorentino", "Shrovetide Football") belegt, verbreitete sich der Fußballsport nach Gründung der "Football Association" in London (1863) von dort aus über den europäischen Kontinent. Von britischen Expatriates, die in Wien arbeiteten, wurde das Fußballspiel auch hier eingeführt. Aus dem 1892 gründeten "Vienna Cricket Club" ging 1894 der Vienna Cricket and Football Club hervor – exakt einen Tag nachdem am 22. August 1894 mit der Vienna der erste österreichische Fußballklub von den den Behörden registriert wurde. Darüber hinaus gründeten sich in den folgenden Jahren eine Reihe von bürgerlichen Vereinen, unter anderem Wiener FC (1896) und WAC (Fußball-Sektion ab 1897), von dem sich 1910 ein weiterer Spitzenklub der Habsburgermonarchie, der Wiener Association FC (WAF), abspalten sollte. 1907 schlossen sich der Wiener Cyclisten-Club und die Wiener Sportvereinigung (1904 mit dem Deutschen Sport-Verein fusioniert) zum Wiener Sportklub (Dornbach) zusammen.

Das erste dokumentierte Fußballspiel im heutigen Österreich hatte schon davor und nicht in Wien, sondern am 18. März 1894 in Graz zwischen zwei Teams des "Akademisch-Technischen Radfahr-Vereins" (ATRV) stattgefunden. In Wien und im niederösterreichischen Baden hatte es allerdings schon seit 1891 vereinzelt Versuche gegeben, das Fußballspielen als Schulsport einzuführen, doch konzentrierte sich der organisierte Vereinsfußball seit den Gründungen der Vienna und Cricketer auf die Haupt- und Residenzstadt. Die erste sportliche Begegnung dieser beiden Vorreiter fand am 15. November 1894 auf der Kuglerwiese statt und endete mit 3:0 für die Cricketer.[1] Gespielt wurde nach den damals gültigen internationalen Regeln (zweimal 50 Minuten mit zehnminütiger Pause). Auch das Revanchespiel am 29. November auf der Jesuitenwiese im Prater entschieden die Cricketer – diesmal mit 4:0 – für sich, ebenso die meisten der zahlreichen Turniere dieser Frühzeit des Wiener Fußballs, unter anderem das Kaiser-Franz-Joseph-Jubiläumsfußballturnier 1898.

In den folgenden zehn Jahren bestimmten sie gemeinsam mit der Vienna und dem WAC das ballesterische Geschehen in Wien, auch in regulatorischer Hinsicht: Am 7. März 1898 (Cricketer gegen Viktoria) wurden erstmalig Tornetze verwendet. 1911 spaltete sich von den Cricketern der "Wiener Amateur-Sportverein" (ab 1926 Austria) ab.

Am 22. Juli 1897 kam es zur Gründung des ersten Fußballvereins aus dem vorstäditschen Arbeitermilieu, dem "Ersten Wiener Arbeiter Fußball-Club", aus dem 1899 der Sportclub "Rapid" entstand. In Folge der wachsenden Begeisterung für den Fußballsport auch in den Vorstädten bildeten sich auch dort weiterer Klubs, deren einige im Lauf ihrer Gesichte auch in der höchsten Spielklasse antraten: Erster Simmeringer Sportklub (1901), Rudolfshügel (Favoriten, 1902), SK Slovan (wichtigster Verein der Wiener Tschechen, 1902), Admira (Floridsdorf, 1905), FAC (Floridsdorf, 1906), Wacker (Meidling, 1908), Helfort (Ottakring, 1910), Hertha und FavAC (beide Favoriten, 1911), SC Nicholson (Favoriten, 1913).

Verbandsbildung

Der erste in der k. u. k. Doppelmonarchie eingeführte Fußballwettbewerb war der Challenge-Cup, der allen Mannschaften des Habsburger-Reiches offenstand und dessen Premiere im Jahr 1897 die Cricketer gewinnen konnten. Rekordsieger wurde der WAC mit drei Titeln, der damit auch die Trophäe selbst behielt.

1899 wurde auf Anregung des englischen Fußballpioniers und Stürmers der Vienna, Mark Nicholson, das "Comité zur Veranstaltung von Fussballwettspielen" gegründet, das am 4. Jänner 1900 im ersten Verband, der "Österreichische Fußball-Union" aufging, unter dessen Dach man die mittlerweile 45 österreichischen Fußballvereine zu versammeln suchte.[2] Der erste im Meisterschaftsmodus ausgespielte Bewerb Österreichs war der von der ÖFU organisierte Wiener "Tagblatt-Pokal" (1900/1901 bis 1902/1903). Das "Neue Wiener Tagblatt" spendete einen Pokal, und lieferte durch dieses Sponsoring auch den Namen für das Turnier. Alle drei Konkurrenzen – an denen außer dem Mödlinger FC ausschließlich Wiener Vereine teilnahmen – gewann der WAC, der deshalb auch diese Trophäe in Besitz nehmen durfte.

Der 5:0-Sieg einer Wiener Stadtauswahl gegen ihr Budapester Pendant am 12. Oktober 1902 gilt heute als erstes offizielles österreichisches Länderspiel, da diese Begegnung erstmals namentlich von den Landesverbänden ÖFU und Magyar Labdarúgó Szövetség (Ungarischer Fußballverband) ausgerichtet wurde. Die Begegnung eines "Wiener combinierten Teams" gegen ein "Schweizer repräsentatives Team" 8. April 1901 (4:0) gilt in der Literatur wiederum als das erste "heimliche" Länderspiel Österreichs.

1904 entstand die "Fédération Internationale de Football Association" (FIFA), der Österreich 1905 beitrat, und 1904 erfolgte durch die Vienna und die Cricketer die Gründung des Österreichischen Fußballverbands (ÖFV, ab 1926 ÖFB, mit Amateurstatus). 1907 gab es in Wien bereits 70 Vereine, 1908 tagte der FIFA-Kongress in Wien. 1909 entstand der zionistische Sportklub Hakoah, der nach langen Diskussionen und unter Fürsprache von Rapids einflussreichen Sektionsleiter Dionys Schönecker in den ÖFV aufgenommen wurde. In der Saison 1911/1912 wurde die erste Meisterschaft des im Mai 1911 gegründeten NÖFV (Niederösterreichischer Fußballverband) abgehalten, dem auch alle Wiener Vereine angehörten, da Wien damals kein eigenes Bundesland war. Bis 1923 richtete der NÖFV den Bewerb aus, an dem zehn bis dreizehn ausschließlich Wiener Teams teilnahmen. 1912 erfolgte erstmals die Teilnahme einer Österreichischen Mannschaft an Olympischen Spielen.

Am 8. September 1911 fand das erster Wiener Derby zwischen Rapid und Austria statt.

Nach Vorbild des englischen FA-Cups, wurde in der Saison 1918/1919 vom ÖFV erstmals ein für alle Vereine verbindlicher Pokalwettbewerb im Knock-out-Modus eingeführt.

Wiener Schule

Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich der Fußball in Wien zu einem Massenspektakel von einzigartiger Popularität (siehe Wiener Fankultur). Es war ein Arbeitersport und die industrialisierten Vorstädte, insbesondere Favoriten, Ottakring und Floridsdorf, stellten sowohl die Masse der Zuseher wie auch das Gros der Aktiven. Aber da war noch etwas Anderes, Spezifisches, das die besondere Form und den charakteristischen Gehalt des modernen Spektakels in dieser Stadt ausmachte. In gleichem Maße, wie es proletarisch-vorstädtisch geprägt wurde, wurde es von der Welt der Bohème und den Cafés in Anspruch genommen, überformt und erhielt dadurch seine unverwechselbare und einzigartige Gestalt (siehe auch Kaffeehausfußball).

Wenn also die Arbeitervorstädte die produktive Basis des Wiener Fußballs bildeten, so kam auch der bürgerlichen City ein ganz entscheidender Stellenwert zu. Sowohl in Form von Gönnern und Betreibern von Großclubs als auch in Form eines literarischen Diskurses, der den modernen Massensport Fußball theoretisierte, reflektierte und dadurch auf seine konkrete Praxis entscheidend Einfluss nahm. Es war diese typisch wienerische Melange, die Durchmischung von vorstädtischen und innerstädtisch-urbanen Lebenswelten, das Ineinandergreifen von populärer und elitärer Kultur, die den Weltruhm der "Wiener Schule" begründete. Das von ihr forcierte schnelle, flache, engmaschige und mit Raffinesse, Eleganz, Witz und Leichtigkeit angereicherte Kurzpass- und Kombinationsspiel sollte bis in die 1950er-Jahre international Furore machen. Zu Beginn der 1920er-Jahre kam auch der Frauenfußball erstmals auf.

Im Gegensatz zu anderen Sportarten führte die politische Trennung von Wien und Niederösterreich im Fußball zur Schaffung neuer Strukturen. Nachdem bereits im Februar 1922 darüber nachgedacht worden war, kam es ein Jahr später zur Gründung des Wiener Fußballverbands der fortan neben dem Niederösterreichischen Fußballverband existierte. Die Veränderungen waren zunächst primär formaler Natur. So wurde beispielsweise die bisherige I. Klasse des Niederösterreichischen Fußballverbandes in Wiener Liga umbenannt. Das Vermögen des bisherigen Verbandes ging in den Besitz des Wiener Fußballverbands über, dem Niederösterreichischen Fußballverband wurde lediglich die samstägliche Nutzung der Verbandsräumlichkeiten zugestanden. Diese Verbandsstrukturen erwiesen sich als wenig praktikabel, bereits im Jänner 1928 schlossen sich die niederösterreichischen Klubs als Einzelmitglieder wieder dem Wiener Verband an.

Die glorreiche Zeit: Professionalismus, Mitropapokal und Wunderteam

Plan des Spielfeldes aus dem Regelwerk von Hugo Meisl

Im Sommer 1924 führte der Wiener Fußballverband als erste kontinentaleuropäische Institution das Berufsspielertum ein, das bis zum "Anschluss" an NS-Deutschland im März 1938 bestand und Wiener Klubs zu den stärksten Europas machte. Der Rapidler Josef Uridil wurde als erster Fußballer Werbeträger, Bühnen- und Filmstar. 1927 wurde zudem als gemeinsames Projekt der Profiligen aus Wien, der Tschechoslowakei und Ungarn der Mitropacups etabliert. Dieser ersten Phase der Professionalisierung (und zwangsläufigen Kapitalisierung) des Wiener Fußballs entsprach gleichzeitig von seine Medialisierung: Tages- und Wochenzeitungen mit dem Schwerpunkt Sport, sowie Vereinsperiodika erschienen. Fotografen und Filmer berichteten seit den frühen 1920er-Jahren in (bewegtem) Bild und Ton vom Wiener Fußballgeschehen, und am 7. Oktober 1928 übertrug Radio Wien schließlich erstmals ein Match live. Das Länderspiel gegen Ungarn (5:1) mit der Reportage von Wilhelm Schmieger in Feuilletonqualität und "Tribünengeräusch" stellte diesbezügliche eine Wegmarke dar.[3]

Am 16. Mai 1930 begann mit dem Sieg des sogenannten Wunderteams gegen Schottland auf der Hohen Warte eine längere Erfolgsserie. Zu den bekanntesten Fußballern der 30er-Jahre zählten Josef Bican, Franz Binder, Josef Blum, Rudolf Hiden, Walter Nausch, Karl Sesta und vor allem Matthias Sindelar. Hugo Meisl war die bestimmende Funktionärspersönlichkeit dieser Epoche.

Wiener Fußball in der NS-Zeit

Eine Zäsur stellte die nationalsozialistische Machtergreifung dar. Im Anschlussspiel trat die Österreichische Nationalmannschaft ein letztes Mal vor dem Krieg an. Der Wiener Fußball zwischen 1938 und 1945 war geprägt von einer ideologischen Gleichschaltung nach den Vorgaben der verbrecherischen Politik und Rassenlehre des Nationalsozialismus, von der zwangsweisen Eingliederung aller heimischen Verbände und Bewerbe in die Strukturen des NS-Sports, und ab spätestens Sommer 1941 – mit dem sich intensivierenden Zweiten Weltkrieg – von der zunehmenden Unmöglichkeit einen funktionierenden und fairen Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Damit einher ging eine Identitätskrise der "Wiener Schule" des Donaufußballs, die sich unter anderem in fußball- und lokalpatriotischer Renitenz äußerte. Wiener Klubs errangen in den NS-Bewerben aber auch große Erfolge. Rapid (1938) und die Vienna (1943) konnten den deutschen Pokal gewinnen, der SCR im Jahr 1941 die deutsche Meisterschaft. Zahlreiche Wiener Spitzenspieler waren außerdem für NS-Auswahlen im Einsatz, manche wurden zu propagandistisch instrumentalisierten Medienstars.

Nachkriegszeit

Vor dem Fußballspiel Österreich gegen England (3:1) anlässlich der 30-Jahrfeier des Wiener Praterstadions, 27.5.1961

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Spielbetrieb rasch wieder aufgenommen (29. April 1945, Helfort gegen ein Team von Wiener Tschechen (SK Slovan, Sokol); erstes Länderspiel der neu formierten Österreichischen Nationalmannschaft (gegen Frankreich) am 6. Dezember 1945); im Zuge des Neuaufbaus konstituierten sich neun Landesverbände, die dem ÖFB unterstellt wurden ("Haus des Fußballs", 6, Mariahilfer Straße 99). Ab 1949 gab es eine Staatsliga (A und B), die 1965 reformiert wurde; der "Nationalliga" durften nur noch 6 Vereine aus Wien angehören.

1959 wurde erstmals das Wiener Stadthallenturnier ausgetragen. Der Hallenfußball, der bislang keinen leichten Stand im deutschsprachigen Raum hatte, konnte sich nun etablieren. Während er als Schulsport sogar häufiger praktiziert wird als Fußball am Feld, konnte das traditionelle Hallenturnier in der Stadthalle nach 2009 nicht mehr wiederbelebt werden.

1993 gab es in Wien 209 Fußballvereine. Die Österreichischen Meisterschaften wurden von 1911/1912 bis 1962/1963 durchwegs von Wiener Klubs gewonnen, 1964/1965 erstmals von einem Bundesländerklub (LASK). Bis 2016 wurde die Österreichische Meisterschaft für Wien zweiunddreißigmal von Rapid, vierundzwanzigmal von Austria, achtmal von Admira/Wacker, sechsmal von Vienna, dreimal vom Wiener Sport-Club und je einmal von FAC, Hakoah, Wacker, WAC und WAF gewonnen.

Spätere Erfolge

In einer Phase, in der die Bedeutung des österreichischen Fußballs im Sinken war, folgten einige Lichtblicke, die lange in Erinnerung blieben, wie der dritte Platz bei der Weltmeisterschaft 1954, das 7:0 des Wiener Sport-Clubs gegen Juventus Turin (1958), "das Wunder von Córdoba" (1978) oder die Finalteilnahmen von Rapid (1985, 1996) und Austria (1978) im Europapokal, Cup der Cupsieger bzw. Europacup der Landesmeister (siehe Wiener Mannschaften im Europapokal).

Das Wiener Praterstadion (später Ernst-Happel-Stadion) war häufig Austragungsort sportlicher Großveranstaltungen (siehe Europacupfinals in Wien). Als Highlight darf sicher die EURO 2008 gelten, bei der Wien der Hauptaustragungsort war. 2016 hat sich Österreich erstmals auf sportlichem Weg für eine Europameisterschaft qualifiziert - nicht zuletzt wegen der Leistungen der Wiener David Alaba, Marko Arnautovic, Aleksandar Dragovic und Marc Janko -, wo die Mannschaft nicht mehr an ihren starken Leistungen aus der Qualifikation anknüpfen konnte.

siehe auch

Quellen

Literatur

  • Matthias Marschik: Zentrum und "Hinterland“? Sportliche Konsequenzen der Trennung Wiens und Niederösterreichs. In: Wien wird Bundesland. Die Wiener Stadtverfassung 1920 und die Trennung von Niederösterreich. Hg. von Bernhard Hachleitner und Christian Mertens. Wien: Residenz Verlag 2020, S. 167–177
  • Bernhard Hachleitner, Matthias Marschik, Georg Spitaler [Hg.]: Sportfunktionäre und jüdische Differenz. Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938. Berlin: de Gruyter 2019
  • Wolfgang Maderthaner u.a. [Hg.]: Die Eleganz des runden Leders. Wiener Fußball 1920-1965. Wien: Die Werkstatt 2008
  • Wolfgang Maderthaner, Roman Horak: Mehr als nur ein Spiel. Fußball und populare Kulturen im Wien der Moderne. Wien: Löcker 1997
  • Roman Horak, Matthias Marschik: Vom Erlebnis zur Wahrnehmung. Der Wiener Fußball und seine Zuschauer 1945 -1990, Wien: Turia & Kant 1995
  • Leo Schidrowitz: Geschichte des Fußballsports in Österreich. Wien/Wels/Frankfurt a. M.: Traunau 1925, S. 11 ff.
  • Willy Schmieger: Der Fußball in Österreich. Wien: Burgverlag 1925

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eintrag auf Austria Soccer zum ersten Spiel, das lediglich in der Allgemeinen Sportzeitung (18. November 1894, S. 1217) mit einem Endstand belegt ist: Austria Soccer
  2. 17 davon traten in die ÖFU ein, als deren erster Präsident eben Nicholson gewählt wurde.
  3. Radio-Woche, Jg. 6 (1929), Nr. 14, S. 21