Aspangbahnhof

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Aspangbahnhof, um 1905
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Gebäude
Datum von 1881
Datum bis 1977
Andere Bezeichnung Aspanger Bahnhof
Frühere Bezeichnung
Benannt nach Aspang
Einlagezahl
Architekt Franz Gruber
Prominente Bewohner
PageID 27666
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Bildname HMW 183377.jpg
Bildunterschrift Aspangbahnhof, um 1905

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48° 11' 26.74" N, 16° 23' 39.36" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Der Aspangbahnhof am Generalstadtplan von 1904

Vorgeschichte (1872-1879)

Die Schiffahrtskanal AG (Wiener Neustädter Kanal) bemühte sich 1872 um eine Bahnkonzession, die sie auch erhielt. Sie fiel zusammen mit den in jener Zeit auf die Balkanhalbinsel gerichteten wirtschaftlichen Interessen der Monarchie (in Verbindung mit der Bahnverbindung Saloniki-Mitrovica 1873). Außerdem wollte man bahnmäßig Serbien umgehen. Am 27. Juni 1874 erhielt daraufhin die Kanal AG die Bewilligung zu Vorarbeiten für eine Bahnverbindung Wien-Aspang-Friedberg-Radkersburg-kroatische Grenze, doch wurde das Projekt durch den Bankenkrach von 1873 schwer behindert. Die zur Finanzierung gewonnene Société Belge de chemins de fer beschränkte die Planung auf die Strecke Wien-Pitten-Aspang (wofür die Gesellschaft von 8. Juli 1877 die Grundlage bot). Eine Beschwerde der Südbahn wurde durch den Verwaltungsgerichtshof abgewiesen. Daraufhin wurde am 28. November 1878 die Konzession erteilt. Auf Brüsseler Wunsch änderte die Schiffahrtskanal AG am 23. August 1878 ihren Firmennamen in "Austro-Belgische Eisenbahn-Gesellschaft". Diese gründete zur Durchführung des Bahnbaues am 17. Jänner 1880 eine Tochter-AG, die "k.k. privilegierte Eisenbahn Wien-Aspang" (EWA) mit 8,65 Million Gulden Kapital (Statuten 18. Oktober 1879). Zum Ausgangspunkt dieser Bahn wurde der Rennweger Kanalhafen gewählt. Im Juli 1879 wurde die Schifffahrt eingestellt und das Gerinne abgelassen und zugeschüttet.

Gründung des Aspangbahnhofs

1880/1881 entstand anstelle des Hafengeländes der Aspangbahnhof (1880-1883) nach Entwürfen des Professors der Technischen Militärakademie Franz Ritter von Gruber. Der Bahnhof war bis ins Detail im historisierenden Renaissancestil gehalten. Das Gebäude wich in seiner Architektur von allem ab, was in der damaligen Bahnhofsarchitektur üblich war. Der Größe nach entsprach er einem stattlichen Provinzbahnhof.
Der Aspangbahnhof konnte die Möglichkeiten eines Kopfbahnhofs nicht nützen, da die Gleise in die Verbindungsbahn (Richtung Hauptzollamt und Nordbahnhof) mündeten. Die Trasse wurde unter der Leitung von Chefingenieur Niers ausgearbeitet.
Im Juni 1880 begann der Bau der 85,447 Kilometer langen Bahnstrecke, wobei zwischen Felixdorf und Wiener Neustadt die Südbahntrasse benützt wurde (Vertrag von 3. Dezember 1880). Die Strecke Wien-Pitten wurde am 7. August 1881, die Strecke bis Aspang am 28. Oktober 1881 dem Verkehr übergeben. Noch heute findet man entlang der Strecke Kilometersteine mit dem Initialen "WSB" (Wien-Saloniki-Bahn). Einer befindet sich im Simmeringer Bezirksmuseum. In Wien gab es Haltestellen in Simmering und beim Zentralfriedhof. Die Fahrtdauer Wien-Aspang betrug drei Stunden 20 Minuten. Ab Aspang wurde dann die Strecke weiter über den Wechsel Richtung Graz geführt.

Der Aspangbahnhof im Nationalsozialismus

Im Unterschied zu Deutschland, wo die jüdische Bevölkerung aus mehreren Städten deportiert wurde, war der zentrale Ort für die Deportationen der jüdischen Bevölkerung Wiens und Österreichs der Wiener Aspangbahnhof im 3. Bezirk. Im Zuge der Deportationen, die zwischen Februar 1941 und Oktober 1942 von Wien abgingen, wurde der Großteil der jüdischen Bevölkerung von dort in Ghettos und Vernichtungslager im Osten deportiert. Der etwas abseits der großen Bahnhöfe bzw. Haupteisenbahnrouten liegende und daher weniger frequentierte Bahnhof wurde vermutlich bewusst für diesen Zweck ausgewählt. Gleichzeitig befand sich der Bahnhof jedoch mitten in der Stadt, sodass der zuweilen wöchentliche Abtransport von jeweils rund tausend Jüdinnen und Juden nicht unbemerkt, sondern vor den Augen der Bevölkerung erfolgte. Zwischen 1939 und 1945 wurden insgesamt 48.953 Jüdinnen und Juden aus Wien deportiert, davon 47.035 Personen in 47 Transporten vom Wiener Aspangbahnhof.

Deportationen vom Aspangbahnhof – Transporte und Opferzahlen

Die ersten beiden am Aspangbahnhof abgefertigten Transporte waren jene vom 20. und 26. Oktober 1939 nach Nisko am San, mit denen 1.584 jüdische Männer aus Wien deportiert wurden, die zuvor im Sammellager Gänsbachergasse interniert worden waren. Der Großteil der jüdischen Bevölkerung wurde mit den Frühjahrsdeportationen 1941 und den großen Deportationen zwischen Oktober 1941 und Oktober 1942 deportiert – insgesamt 45.451 Frauen, Männer und Kinder in 45 Transporten, wobei jeder Transport zwischen 900 und über 1000 Personen umfasste. Darunter waren nicht nur Wienerinnen und Wiener, sondern auch Jüdinnen und Juden aus den Bundesländern, die 1938/39 nach Wien vertrieben worden waren. Politische Verfolgte, staatenlose Juden sowie andere nichtjüdische Opfergruppen wurden hingegen in den Jahren 1938/39 vorwiegend vom Westbahnhof nach Dachau und Buchenwald, später auch nach Mauthausen verschickt. Der Nordbahnhof fungierte erst nach Abschluss der großen Deportationen von 1943 bis Kriegsende als Deportationsbahnhof für kleinere und Einzeltransporte. In den Jahren 1943-1945 wurden insgesamt 1.918 Jüdinnen und Juden deportiert.
Laut den Berechnungen des Historikers Jonny Moser überlebten nur insgesamt 1.734 Jüdinnen und Juden die Deportation in die Ghettos und Vernichtungslager. Von den 45.451 in den Jahren 1941 und 1942 vom Aspangbahnhof Deportierten wurde der Großteil ermordet, 989 Personen überlebten, darunter die über Theresienstadt nach Auschwitz deportierte spätere Schriftstellerin Ruth Klüger.

Zielorte der Deportationszüge

Die Zielorte der Deportationen waren das "Generalgouvernement" (Nisko, Opole, Kielce, Modliborczicze, Łagów/Opatów und Izbica), Łódź (Warthegau), Riga (Lettland), Minsk mit Maly Trostinec (Weißrussland), Theresienstadt ("Protektorat") und Auschwitz (Oberschlesien). Die Bahnfahrt dauerte zwischen zwei Tagen und einer Woche. Rund die Hälfte aller aus Wien Deportierten kam nach Theresienstadt (15.122 Personen) und Minsk / Maly Trostinec (9.471 Personen). Von Theresienstadt wurden rund die Hälfte der aus dem ehemaligen Österreich stammenden Jüdinnen und Juden zwischen August 1942 und Oktober 1944 nach Auschwitz und andere Vernichtungsorte wie Treblinka weiter verschickt und ermordet, darunter die Schwestern von Sigmund Freud.

Roma und Sinti

Der Großteil der österreichischen Roma und Sinti wurde von Bahnhöfen im Burgenland und in der Steiermark, zum Teil direkt vom Anhaltelager Lackenbach deportiert. Ein Teil der in Wien lebenden Roma und Sinti, darunter die Familie von Ceija Stojka (1933-2013), wurde ab 1943 auch von Wien aus deportiert. Da zu diesem Zeitpunkt der Aspangbahnhof nicht mehr für Deportationstransporte in Verwendung war, ist anzunehmen, dass Roma und Sinti nicht von dort deportiert wurden.

Der Aspangbahnhof in den Jahren 1945-2002

Nach dem Zweiten Weltkrieg diente der Aspangbahnhof der britischen Besatzung als Bahnhof für den Nachschub. Der Personenbetrieb wurde bis 1971 aufrechterhalten. In diesem Jahr eröffnete man die Schnellbahnstation Rennweg. Das Bahnhofsgebäude wurde im Sommer 1977 demoliert. Die historische Bahntrasse blieb jedoch weiterhin bestehen und wurde später durch die Flughafen-Schnellbahn (S7) sowie als Güterbahnhof genutzt. Das Bahnareal wurde noch bis 2001 als Güterbahnhof genutzt. Im Jahr 2002 wurde die gesamte Bahnanlage der Aspangbahn abgebrochen und ein Tunnel für die Flughafen-Schnellbahn errichtet. Ferner wurde eine kreuzungsfreie Verbindungsstrecke mit der Schnellbahn-Stammstrecke geschaffen. Damit verschwand die verkehrliche Nutzung unter die Erde und war zugleich der Auftakt für eine hochwertige städtebauliche Entwicklung der gesamten Aspanggründe.

Erinnern

Gedenkstein und geplantes Mahnmal

Eine 1983 errichtete Gedenktafel mit dem Aufruf "Niemals vergessen!" erinnert an die in den Jahren 1939-1942 vom ehemaligen Aspangbahnhof deportierten Jüdinnen und Juden. 1995 benennt die Stadt Wien den Vorplatz in Platz der Opfer der Deportation.
Auf dem Gelände des ehemaligen Aspangbahnhofs ist der neue Stadtteil Eurogate im Entstehen. Der dort befindliche Leon-Zelman-Park wurde nach dem Gründer des "Jewish Welcome Service" benannt. Ein Bildungscampus mit Kindergarten und Schulen wird den Namen von Aron Menczer (1917-1943), dem Leiter der zionistischen Jugendalijah, tragen. Aron Menczer wurde mit einem der letzten großen Transporte am 24. September 1942 nach Theresienstadt deportiert und 1943 in Auschwitz ermordet. Ein Mahnmal für die Opfer der Deportation soll bis Sommer 2017 auf dem Gelände errichtet werden.

Eröffnung des Mahnmals Aspangbahnhof 7. September 2017

Das Mahnmal am Aspangbahnhof wurde am 7. September 2017 unter Beisein von Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, Amtsführender Stadtrat für Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung Michael Ludwig, der Botschafterin des Staates Israel Talya Lador-Fresher, des Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Oskar Deutsch, sowie zahlreichen Persönlichkeiten des politischen und kulturellen Lebens und Vertretern der Israelitischen Kultusgemeinde eröffnet. Das Mahnmal befindet sich im Leon-Zelman-Park, Wien 3, Aspanggründe. Das Mahnmal wurde im Rahmen eines durch KÖR-Kunst im öffentlichen Raum Wien ausgeschriebenen Wettbewerbs vom Künstlerpaar PRINZpod entworfen, das seit 1984 als Team in Wien lebt. Das Mahnmal verweist mit zwei über eine Länge von rund 30 Metern konisch zusammenlaufenden Betonschienen auf die Gleisanlage des ehemaligen Bahnhofs. Die Schienen führen in einen hohlen, dunklen Betonblock, Symbol für den Tod, das Nichts, das Vergessen.

Das Mahnmal erinnert an die 47.035 Juden und Jüdinnen, die vom Aspangbahnhof in 47 Transporten in den Jahren 1939 und 1941/1942 in die Ghettos und Vernichtungslager deportiert wurden und von denen nur 1073 überlebten. Einer dieser Überlebenden, der 1926 geborene Herbert Schrott, sprach als Zeitzeuge bei der Eröffnung. Das Mahnmal "verweist mit zwei über eine Länge von rund 30 Metern konisch zusammenlaufenden Betonschienen auf die Gleisanlagen" des ehemaligen Bahnhofs. Diese Bahnschienen laufen in einem Betonblock zusammen und enden in diesem. Auf diese Weise sollte die Visulisierung der Reise in den Tod symbolisiert werden.[1]

Mahnmal Aspangbahnhof anlässlich der Eröffnung 7. September 2017

Quellen

Literatur

  • Kunst im öffentlichen Raum GmbH (Hg.): Mahnmal Aspangbahnhof. Wien 2018
  • Gerhard Baumgartner: Stellungnahme des DÖW (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes) zur namentlichen Erfassung der Jüdinnen und Juden, die vom Aspangbahnhof deportiert wurden, und zur Deportation der österreichischen Roma und Sinti, Manuskript für die künstlerische Ausschreibung „Mahnmal Aspangbahnhof“ im Auftrag von KÖR - Kunst im öffentlichen Raum. Wien 2016
  • Winfried R. Garscha: Holocaust On Trial – The Deportation of the Viennese Jews Between 1941 and 1942 and the Austrian Judiciary After 1945, in: Günter Bischof / Anton Pelinka [Hg.]: Austria and the EU. Innsbruck: innsbruck university press 2002 (Contemporary Austrian Studies, 10), S. 288-297
  • Alfred Gottwaldt / Diana Schulle, Die "Judendeportationen" aus dem Deutschen Reich 1941-1945. Eine kommentierte Chronologie. Wiesbaden: marix Verlag 2005
  • Dieter J. Hecht / Eleonore Lappin-Eppel / Michaela Raggam-Blesch: Topographie der Shoah. Gedächtnisorte des zerstörten jüdischen Wien. Wien: Mandelbaum Verlag 2015
  • Dieter J. Hecht / Michaela Raggam-Blesch / Heidemarie Uhl: Der Aspangbahnhof – zentraler Deportationsort für Jüdinnen und Juden aus Wien und Österreich. Historische Darstellung und Quellendokumentation für die künstlerische Ausschreibung "Mahnmal Aspangbahnhof" im Auftrag von KÖR - Kunst im öffentlichen Raum. Wien 2016
  • Wolfgang Kaiser: Die Wiener Bahnhöfe. Geschichte, Gegenwart und Zukunft. München: GeraMond Verlag 2011, S. 65-67
  • Gerhard Kletter: Der Aspangbahnhof und die Wien-Saloniki-Bahn. Erfurt: Sutton 2006
  • Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Band 1. Wien: Gerlach & Wiedling 1905, S. 106 f.
  • Wolfgang Kos / Günther Dinhobl [Hg.]: Grosser Bahnhof. Wien und die weite Welt (Ausstellungskatalog des Wien Museums, in Kooperation mit dem Technischen Museum Wien): Wien: Wien Museum 2006, S. 351
  • Mihály Kubinszky: Bahnhöfe in Österreich. Architektur und Geschichte. Wien: Slezak 1986, S. 167
  • Die Landstraße in alter und neuer Zeit. Ein Heimatbuch. Hg. von Landstraßer Lehrern. Wien: Gerlach & Wiedling 1921, S. 203
  • Jonny Moser: Nisko. Die ersten Judendeportationen. Wien: Edition Steinbauer 2012
  • Jonny Moser: Österreich, in: Wolfgang Benz [Hg.], Dimension des Völkermords. Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus, München 1991, S. 72-92
  • Paul Slezak: Vom Schiffskanal zur Eisenbahn. Wiener Neustädter Kanal und Aspangbahn. Wien: Slezak 1981 (Internationales Archiv für Lokomotivgeschichte, 30), S. 32 ff.
  • Technischer Führer durch Wien. Hg. vom Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein. Red. von Martin Paul. Wien: Gerlach & Wiedling 1910
  • Wien 1848-1888. Denkschrift zum 2. December 1888. Band 1. Wien: Konegen in Comm. 1888, S. 308
  • Magistratsabteilung 21 - Stadtteilplanung und Flächenwidmung

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Programmablauf und Beschreibung des Mahnmals anlässlich der Eröffnung des Mahnmals.