Johann Pezzl

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Johann Pezzl, 1786 (fälschlicherweise als "Joseph Pezzel" angegeben)
Daten zur Person
Personenname Pezzl, Johann
Abweichende Namensform Pezzl, Johann Andras
Titel Kaiserlicher Rat
Geschlecht männlich
PageID 8204
GND 118883313
Wikidata Q1695833
Geburtsdatum 30. November 1756
Geburtsort Mallersdorf 1018044-8
Sterbedatum 9. Juni 1823
Sterbeort Oberdöbling 7644860-5
Beruf Schriftsteller, Topograph, Beamter, Bibliothekar
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage, Gedenktage-GW
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Letzte Änderung am 3.11.2023 durch WIEN1.lanm09fri
Begräbnisdatum 11. Juni 1823
Friedhof Döblinger Friedhof
Grabstelle
Bildname HMW 001449.jpg
Bildunterschrift Johann Pezzl, 1786 (fälschlicherweise als "Joseph Pezzel" angegeben)
  • Neugasse (19) 28 (Sterbeadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Kaiserlicher Rat (Übernahme: 1820)

Johann Pezzl, * 30. November 1756 Mallersdorf (Bayern), † 9. Juni 1823 Oberdöbling, Schriftsteller, Bibliothekar.

Biografie

Für den Sohn eines Klosterbäckers war zunächst ein monastisches Leben vorgesehen. Der Elementarschule folgte der Besuch des Seminars für Ordensnachwuchs in seiner Geburtsstadt. Von 1768 bis 1775 war Pezzl Schüler am Benediktinerlyzeum in Freising, anschließend wurde er als Novize in das Kloster Scheyern aufgenommen.

Nach einem Probejahr verließ er freiwillig das Kloster und schrieb sich an der Universität Salzburg als Student der rechtswissenschaftlichen Studien (1776–1779) ein. In diesen Jahren lernte er den Schriftsteller Johann Kaspar Riesbeck kennen, dessen "Briefe über das Mönchswesen" ab 1771 Aufsehen erregt hatten. Pezzl wiederum publizierte mit "Briefe aus dem Noviziat an einen Freund" (1780–1782, drei Bände) eine ebenfalls satirische Darstellung des Mönchslebens. Obwohl die Veröffentlichung anonym erfolgte, wurde Johann Pezzl als Autor identifiziert und zu einem Widerruf genötigt. Er brach das Studium ab und ging um 1780 nach Zürich. Riesbeck, der mittlerweile für die "Zürcher Zeitung" arbeitete, verhalf seinem Freund zu ersten Veröffentlichungen. 1783 erschien – ebenfalls anonym – Pezzls "Faustin oder das philosophische Jahrhundert", ein satirischer, an Voltaires "Candide" angelehnter Roman, der sehr erfolgreich war und mehrmals nachgedruckt wurde. Möglicherweise veranlassten Schwierigkeiten mit der Zensur den Umzug nach Wien, wo sich der Schriftsteller, begeistert von den Reformen Josephs II., spätestens ab der zweiten Jahreshälfte 1783 aufhielt.

In Wien gehörte Johann Pezzl der Freimaurerloge "Zur Wohlthätigkeit" an und wurde durch deren Vermittlung 1785 Sekretär und Bibliothekar von Fürst Kaunitz. Ab 1791 war er in der Hof- und Staatskanzlei (Hofchiffrierkanzlei) angestellt und besaß somit eine gesicherte Lebensstellung. 1793 heiratete er die wohlhabende Anna Maria Kurz (1764–1844), die Ehe blieb kinderlos. Pezzl verkehrte im Salon der Charlotte von Greiner und jenem ihrer Tochter Caroline Pichler und war mit Alois Blumauer befreundet.

In Wien betätigte sich Pezzl als Schriftsteller und Schilderer des kulturellen Lebens. 1784 erschienen seine "Marokkanischen Briefe", die im Anschluss an Montesquieus "Lettres persanes" die politischen, religiösen, sozialen und literarischen Verhältnisse seiner Zeit thematisierten. 1786 bis 1790 publizierte er nach Vorbild von Merciers "Tableau de Paris" die "Skizze von Wien" (6 Hefte; zweite Auflage 1787–1790), eine kenntnisreiche und detaillierte Schilderung des josephinischen Wien, die verschiedene Neuauflagen erlebte (etwa 1923, kommentiert von Gugitz/Schlossar) und nach Kai Kauffmann als vollständige Ausprägung des Typus des "Wiener Tableaus" gilt; Pezzl distanzierte sich darin explizit vom Genre der Topographie eines Matthias Fuhrmann oder Ignaz de Luca. Anfang des 19. Jahrhunderts erschienen Romane, die man als Satiren auf die Auswüchse der Zeitströmungen charakterisieren kann ("Gabriel oder die Stiefmutter Natur", 1810). 1805 bis 1812 veröffentlichte Pezzl die "Neue Skizze von Wien" (drei Hefte), 1821 "Wien mit Umgebungen und dessen Merkwürdigkeiten, oder unterrichtender Wegweiser für Fremde".

Johann Pezzl, dessen Werke von satirischer Schärfe und Sozialkritik gekennzeichnet sind, zählt zu den bedeutendsten Figuren der aufgeklärten Publizistik im katholischen Raum. Er bediente sich verschiedener literarischer Gattungen und verfasste unter anderem Briefromane, Reiseliteratur, Pamphlete sowie Biografien bedeutender Persönlichkeiten. Zudem betätigte er sich als Übersetzer aus dem Französischen und Englischen.

Pezzl war zuletzt in der Stallburg wohnhaft, er verstarb im Haus Oberdöbling 59.

Werke (Auswahl)



Quellen

Literatur

  • Emanuel Graf: Der unbegreifliche Widerspruch zwischen Denken und Handeln. Zur literarischen Darstellung von Philosophie und Aufklärung in Johann Pezzls "Faustin oder das philosophische Jahrhundert". Dipl.-Arb. Univ. Wien. Wien 2020 [Stand: 22.07.2022]]
  • Helmut Reinalter [Hg.]: Freimaurerische Persönlichkeiten in Europa. Innsbruck / Wien / Bozen: Studienverlag 2014
  • Leslie Bodi: Tauwetter in Wien. Zur Prosa der österreichischen Aufklärung 1781–1795. Wien / Köln / Weimar: Böhlau, 2. Aufl. 1995, S. 184–196
  • Kai Kauffmann: "Es ist nur ein Wien!" Stadtbeschreibungen von Wien 1700 bis 1873. Geschichte eines literarischen Genres der Wiener Publizistik. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 1994, S. 199, 224–246
  • Edith Rosenstrauch-Königsberg: Die Philosophie der österreichischen Illuminaten, abgelesen an Pezzls "Faustin". In: Dies.: Zirkel und Zentren. Aufsätze zur Aufklärung in Österreich am Ende des 18. Jahrhunderts. Hg. von Gunar Hering. Wien: Deuticke 1992, S. 309–326, 373 f.
  • Der Standard, 27./28.01.1990, Beilage, S. III
  • Edith Rosenstrauch-Königsberg [Hg.]: Literatur der Aufklärung 1765–1800. Wien [u. a.]: Böhlau 1988, S. 330–332
  • Hans Heinz Hahnl: Vergessene Literaten. Fünfzig österreichische Lebensschicksale. Wien: Österr. Bundesverl. 1984, S. 27 f.
  • Edith Rosenstrauch-Königsberg: Freimaurerei im josephinischen Wien. Aloys Blumauers Weg vom Jesuiten zum Jakobiner. Wien / Stuttgart: Braumüller 1975 (Index) (=Wiener Arbeiten zur deutschen Literatur 6)
  • Hans Giebisch / Gustav Gugitz: Bio-Bibliographisches Literaturlexikon Österreichs von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien: Hollinek 1963 (Werkverzeichnis)
  • Das Wiener Heimatbuch – Mariahilf. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft des Mariahilfer Heimatmuseums. Wien: Austria Press 1963, S. 135 und S. 142
  • Kamilla Banik: Johann Pezzl. Diss. Univ. Wien. Wien 1935
  • Franz Gräffer: Kleine Wiener Memoiren und Wiener Dosenstücke. In Auswahl hg. von Anton Schlossar unter Mitwirkung von Gustav Gugitz. München: G. Müller 1918–1922. Band 1, S. 546
  • Franz Gräffer: Kleine Wiener Memoiren und Wiener Dosenstücke. In Auswahl hg. von Anton Schlossar unter Mitwirkung von Gustav Gugitz. München: G. Müller 1918–1922. Band 2, S. 394
  • Ludwig Frank: Johann Pezzls "Faustin" und seine Nachahmungen. Diss. Univ. Wien. Wien 1912
  • Gustav Gugitz: Johann Pezzl. In: Grillparzer-Jahrbuch 16 (1906), S. 164–217
  • Franz Gräffer / Johann Jacob Heinrich Czikann: Oesterreichische National-Encyklopädie oder alphabetische Darlegung der wissenswürdigsten Eigenthümlickeiten des österreichischen Kaiserthumes in Rücksicht auf Natur, Leben und Institutionen, Industrie und Commerz. Band 4. Wien: Beck in Komm. 1835–1837, S. 199
  • Deutsche Biographie: Pezzl, Johann [Stand: 18.07.2022]
  • Literatur Portal Bayern: Johann Pezzl [Stand: 18.07.2022]
  • Wikipedia: Johann Pezzl [Stand: 18.07.2022]
  • Österreichisches Biographisches Lexikon: Pezzl, Johann [Stand: 18.07.2022]
  • Allgemeine Deutsche Biographie: Pezzl, Johann [Stand: 18.07.2022]
  • Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich: Pezzl, Johann [Stand: 18.07.2022]


Johann Pezzl im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.

Weblinks