Hannah Arendt

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Daten zur Person
Personenname Arendt, Hannah
Abweichende Namensform Arendt, Johanna
Titel Prof., Dr. phil.
Geschlecht weiblich
PageID 43296
GND 11850391X
Wikidata Q60025
Geburtsdatum 14. Oktober 1906
Geburtsort Linden bei Hannover
Sterbedatum 4. Dezember 1975
Sterbeort New York
Beruf Philosophin, Publizistin
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Gedenktage
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Letzte Änderung am 3.11.2023 durch WIEN1.lanm09fri
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle

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Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Professorin an der University of Chicago (1963, bis: 1967)
  • Professorin an der New School for Social Research, New York (1967, bis: 1975)

Hannah (eigentlich: Johanna) Arendt, * 14. Oktober 1906 Linden bei Hannover, † 4. Dezember 1975 New York, Philosophin, Publizistin.

Biographie

Arendt ist die Tochter des Ingenieurs Paul Arendt und dessen Frau Martha, geborene Cohn. 1909 übersiedelte die jüdisch-assimilierte Familie nach Königsberg (Ostpreußen), wo der Vater bereits 1913 starb. Das Mädchen hatte früh Kontakt zu den Bildungskreisen der Stadt und beschäftigte sich schon als Jugendliche intensiv mit Philosophie.

Nach dem Abitur 1924 studierte sie Philosophie, Theologie und Klassische Philologie an der Universität Marburg, unter anderem bei Martin Heidegger, mit dem sie auch eine (bis nach ihrem Tod geheim gebliebene) Beziehung einging. 1926 wechselte sie nach Freiburg im Breisgau, wo sie Edmund Husserl hörte, und in weiterer Folge nach Heidelberg, wo sie 1928 bei Karl Jaspers mit der Arbeit "Der Liebesbegriff bei Augustin" promovierte. Mit ihrem Doktorvater blieb sie bis zu dessen Tod freundschaftlich verbunden. Bereits 1929 wurde die Dissertation in Berlin verlegt.

Im gleichen Jahr zog Arendt nach Berlin, wo sie ihren Studienkollegen Günther Stern (Pseudonym: Günther Anders) heiratete (die Ehe wurde 1937 wieder geschieden). Hier begann sie mit ihren Forschungen zur deutschen Romantik, die als Habilitation angelegt waren. Diese waren 1933 im Wesentlichen abgeschlossen, doch konnte die Schrift erst 1959 unter dem Titel "Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik" erscheinen. In dieser für ihre eigene Identitätsfindung wichtigen Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Assimilation von Juden versuchte sie erstmals, das jüdische Dasein existenzphilosophisch zu erfassen. Daneben schrieb sie für Zeitungen und beschäftigte sich intensiver mit politischen Fragen. Die Suche nach ihrer jüdischen Existenz brachte sie in Kontakt zu zionistischen Organisationen. Mit Heidegger, der Anfang 1933 der NSDAP beigetreten war, brach sie jeden Kontakt ab.

Nach acht Tagen in Gestapo-Haft im Sommer 1933 floh Arendt über Karlsbad, Genua und Genf nach Paris, wo sie wiederum für jüdische bzw. zionistische Organisationen tätig war. Sie arbeitete in dieser Phase wissenschaftlich über den Antisemitismus und hielt Vorträge. Die deutsche Staatsbürgerschaft wurde ihr 1937 aberkannt. 1940 heiratete sie den Philosophen Heinrich Blücher, einen ehemaligen Kommunisten, der mit dem totalitären Kurs Stalins gebrochen hatte.

Nach mehrwöchiger Internierung als "feindliche Ausländerin" in Südfrankreich emigrierte die Philosophin 1941 mit ihrem Mann und ihrer Mutter in die USA, wo sie für das deutsch-jüdische Magazin "Aufbau" tätig wurde. In diesen Jahren entwickelte sie eine differenzierte Haltung gegenüber dem Zionismus, den sie mit Ideologien wie dem Sozialismus oder Liberalismus verglich. Sie entwickelte die Vision eines binationalen Palästina auf der Grundlage nicht-nationalistischer Politik.

1944 bis 1946 arbeitete sie als Forschungsleiterin der Conference on Jewish Relations, darauf als Cheflektorin im Salman Schocken Verlag. In den Jahren 1949 bis 1952 war sie als Executive Secretary für die Jewish Cultural Reconstruction Corporation verantwortlich, in deren Auftrag sie 1949/1950 erstmals wieder Deutschland bereiste, um nicht zerstörte jüdische Kulturgüter nach Israel bzw. in die USA zu transferieren. Dabei traf sie erstmals seit 1933 wieder mit Martin Heidegger und Karl Jaspers zusammen.

Im Jahr 1951 erhielt Hannah Arendt die US-amerikanische Staatsbürgerschaft und veröffentlichte ihre umfassende Studie über Nationalsozialismus und Stalinismus unter dem Titel "Origins of Totalitarianism" (deutsche Ausgabe 1955 unter dem Titel "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft"), in der sie die strukturelle Gleichheit der beiden Ideologien offenlegte. Nicht zuletzt auf Basis dieses Erfolges erhielt sie nach mehreren Gastprofessuren, unter anderem in Princeton und Harvard, 1953 eine ordentliche Professur am Brooklyn College (New York). In dieser Zeit entstand auch ein weiteres Hauptwerk, "The Human Condition" (deutsche Ausgabe 1960 unter dem Titel "Vita activa"), das sich mit den Grundbedingungen menschlichen aktiven Lebens beschäftigt.

1961 berichtete sie für die Zeitung "The New Yorker" über den Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem. Ihre Reportagen und das 1963 erschienene Buch "Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht über die Banalität des Bösen" sorgte für heftige Kontroversen, etwa der Gebrauch des Ausdrucks "Banalität" in Bezug auf einen Massenmörder oder ihre Kritik an der Rolle der Judenräte in der Maschinerie des Holocaust. Etwa zur gleichen Zeit nahm sie auch zur Frage einer deutschen Kollektivschuld Stellung, die sie ablehnte und den Schuldbegriff sinnvoll nur auf Individuen angewandt sah.

Nach weiteren Zwischenschritten an US-amerikanischen Universitäten war Arendt von 1963 bis 1967 Professorin an der University of Chicago und von 1967 bis 1975 an der Graduate Faculty der New School for Social Research in New York. Nach einem ersten Herzinfarkt 1974 nahm sie die Lehr- und Publikationstätigkeit wieder auf, erlag aber im Dezember 1975 einem zweiten Infarkt.

Hannah Arendt erhielt für ihr umfassendes wissenschaftliches Werk zahlreiche Ehrendoktorate und Auszeichnungen. So wurde sie 1964 in die American Academy of Arts and Letters aufgenommen, die sie 1969 auch mit der Emerson-Thoreau-Medaille ehrte. In Deutschland erhielt die gebürtige Deutsche unter anderem den Lessing-Preis der Stadt Hamburg (1959) und den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt (1967). Zahlreiche Preise und Veranstaltungen sind nach ihr benannt. Österreichische Ehrungen sind nicht bekannt.

Anlässlich ihres 100. Geburtstages veranstaltete die Volkshochschule Hietzing im Oktober 2006 ein international besetztes Symposion. In der Ausstellung "Lesespuren − Spurenlesen oder: Wie kommt die Handschrift ins Buch" (2012) der Wienbibliothek im Rathaus war die Philosophin mit dem Arbeitsexemplar eines Werks von Kant vertreten.

2012 wurden in der Seestadt Aspern eine Parkanlage (Hannah-Arendt-Park) sowie eine Verkehrsfläche (Hannah-Arendt-Platz) nach der Philosophin benannt.

Literatur

  • Ursula Ludz [Hg.]: Hannah Arendt: Ich will verstehen. Selbstauskünfte zu Leben und Werk. München: Piper 1997
  • Wolfgang Heuer: Hannah Arendt mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek: Rowohlt 1987
  • Hannah Arendt in Hannover: Biographie [Stand: 27.10.2017]
  • HannahArendt.net: Biographie [Stand: 27.10.2017]
  • Rathauskorrespondenz, 17.10.2006

Weblinks