Maria Theresia Paradis

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Porträtskizze der Maria Theresia von Paradis, angefertigt von Faustine Parmentié, Paris 1784
Daten zur Person
Personenname Paradis, Maria Theresia
Abweichende Namensform
Titel
Geschlecht weiblich
PageID 3889
GND 118937367
Wikidata Q293171
Geburtsdatum 15. Mai 1759
Geburtsort Wien 4066009-6
Sterbedatum 1. Februar 1824
Sterbeort Wien 4066009-6
Beruf Pianistin, Komponistin, Sängerin, Musikpädagogin
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage, Gedenktage-GW
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Letzte Änderung am 10.11.2023 durch DYN.krabina
Begräbnisdatum
Friedhof St. Marxer Friedhof
Grabstelle
Bildname Maria Theresia Paradis Umrissportrait.jpg
Bildunterschrift Porträtskizze der Maria Theresia von Paradis, angefertigt von Faustine Parmentié, Paris 1784
  • 1., Rabensteig 8 (Geburtsadresse)
  • 1., Rabensteig 8 (Sterbeadresse)
  • 1., Rotenturmstraße 27 (Wohnadresse)
  • 1., Rabensteig 8 (Wohnadresse)
  • 3., Landstraßer Hauptstraße 32 (Wohnadresse)
  • 1., Rotenturmstraße 29 (Wohnadresse)
  • 1., Rotenturmstraße 22 (Wohnadresse)
  • 1., Franziskanerplatz 1 (Wohnadresse)
  • 1., Weihburggasse 17 (Wohnadresse)
  • 1., Kohlmarkt 18 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Titelseite aus dem Stammbuch der Maria Theresia Paradis
Ausschnitt aus dem Testament von Maria Theresia Paradis
Zeichnung und Widmung von Marie Dobler, 1814 (s. fol.)
Zeichnung von Ernestine Loehr aus 1786 (fol. 49)
Oben: Eigenhändige Eintragung einer Blinden (fol. 214)
Kassette mit dem Stammbuch

Maria Theresia Paradis, * 15. Mai 1759 Wien, † 1. Februar 1824 Wien, Pianistin, Komponistin, Sängerin, Musikpädagogin.

Biografie

Maria Theresia Paradis war die Tochter des Juristen Joseph Anton Paradis und Rosalia Maria, geborene Levassori della Motta. Ihr Vater wurde 1759 nach Wien versetzt, war von 1776 bis 1785 Hofsekretär bei der böhmisch-österreichischen Hofkanzlei und 1785 bis 1807 Regierungsrat bei der niederösterreichischen Regierung. Ihre Taufpatin war Maria Theresia Mayer, eine "Handelsfrau".

Als Kind war Paradis erblindet. Ihre musikalische Ausbildung erhielt sie bei Josef Fuchs, Georg Friedrich Richter und Leopold Koželuch in Klavier, bei Antonio Salieri und Vincenzo Righini in Gesang und bei Abbé Georg Friedrich Vogler und Carl Frieberth in Harmonie- und Kompositionslehre. Vor allem Koželuch gilt als ihr bedeutendster Lehrer, der ihr auch eigens Klavierkonzerte schrieb. Als man ihre hohe musikalische Begabung und ihr gutes Gedächtnis erkannte, wurde ihr von Maria Theresia, die sie auf der Orgel spielen gehört hatte, ein Stipendium von jährlich 200 Österreichischen Gulden gewährt.

1778 suchte sie erfolglos Heilung durch die Hypnosemethode des Arztes Franz Anton Mesmer. Mesmer versuchte offenbar, sich ihr auch sexuell zu nähern. Nachdem ausgebliebenem Heilungserfolg reiste er nach Paris. 1780 strich Joseph II. Paradis die bis dahin ausbezahlte Unterstützung. Erst Leopold II. gewährte ihr die Bezahlung wieder.

Weltweite Bekanntheit der blinden Musikerin

Als Zeitgenossin Wolfgang Amadeus Mozarts und Joseph Haydns galt Maria Theresia Paradis, die vor den Monarchen Europas spielte, als herausragende Persönlichkeit der Wiener Musikwelt.

1783 bis 1786 unternahm Paradis mit ihrer Mutter eine große Konzertreise. Zuerst gelangten sie nach Linz und Salzburg, wo sie auf die Familie Mozart trafen. Dann reisten Mutter und Tochter in mehrere deutsche Städte, unter anderem nach Würzburg, Frankfurt am Main, Mannheim, Bonn, Koblenz, Dresden und Berlin. In Mannheim lernte Maria Theresia Paradis ihren späteren Lebensgefährten Johann Riedinger kennen. Außerdem reisten Mutter und Tochter in die Schweiz, nach Paris, London, Brüssel und Prag. In letzterer Stadt traf die Pianistin auf ihren künftigen Verleger Johann Ferdinand Schönfeld.

Während ihrer Konzertreise lernte sie in Paris Valentin Haüy kennen, der 1784 das "Institut royale des jeunes aveugles" gegründet hatte, die erste − und heute noch existierende − Blindenerziehungsanstalt in Frankreich. In Wien wurde vom Armenbezirksdirektor der Josefstadt, Johann Wilhelm Klein, 1804 eine private Kinderblindenschule gegründet, die 1816 als "k. k. Blindeninstitut" in staatliche Verwaltung überging.

Paradis trat auch als Interpretin ihrer eigenen Werke auf. Nach ihrer Rückkehr nach Wien gab sie kaum noch öffentliche Konzerte und widmete sich mehr eigenen Kompositionen. Ihr umfangreiches kompositorisches Werk umfasst Kantaten, Lieder, Sonaten und Variationen, Klavierkonzerte, Kammermusik, aber auch Opern und Singspiele, die erfolgreich aufgeführt wurden. Außerdem organisierte sie, auch später für ihre Schülerinnen, zahlreiche Privat- und Hauskonzerte.

Musikschule für junge Frauen

1808 gründete die Pianistin in ihrer Wohnung im "Schabenrüsselhaus" (Konskriptionsnummer Stadt 482, 1950 demoliert, entspricht der heutigen Adresse 1., Rabensteig 8) eine Klavierschule, die sogenannte "Musikalische Bildungsanstalt für Frauen". Dort bildete sie blinde und sehende junge Frauen musikalisch aus. Die Konzerte, die sie 1809 bis 1814 durch ihre Schülerinnen vor der Wiener Gesellschaft aufführen ließ, erregten großes Aufsehen und wurden in der Presse kommentiert: "Man hört in diesen Musiken nicht nur die Compositionen der älteren und neueren Autoren des Inlandes (…) sondern auch die berühmtesten Ausländer (…). Zwey liebe Mädchen, die so klein waren, dass ich sie nicht sehen konnte, bis ich mich zum Clavier drängte, spielten gar vortrefflich ein Doppelconcert von Schuster. Auch im Gesang fand ich gute Schülerinnen, welche eine herrliche Schule verraten", schrieb ein Kritiker der "Allgemeinen musikalischen Zeitung" im April 1810.

Pionierin der Blindenbildung

Die pädagogischen Fähigkeiten von Maria Theresia Paradis wurden gerühmt. Zu ihren Schülerinnen pflegte sie ein freundschaftliches Verhältnis. Sie gilt als Pionierin der Blindenbildung, wobei sie gerade für die musikalische Blindenerziehung besondere Hilfsmittel entwarf und spezielle Methoden entwickelte. So beschrieb Johann Riedinger etwa in der "Allgemeinen musikalischen Zeitung" sein für Paradis gebautes Notenbrett, womit sie selbstständig komponieren konnte. Sie selbst unterzog sich im Laufe ihres Lebens einer Reihe schmerzhafter Operationen, um ihre Sehkraft herzustellen.

Testament von Maria Theresia Paradis

Als Maria Theresia Paradis am 1. Februar 1824 in ihrer Wohnung im Alter von 64 Jahren am "Nervenfieber" starb, erwies sich, dass ihr testamentarisch vermachtes Vermögen zur Bedeckung der Schulden nicht reichte. Als Universalerben hatte sie ihren Lebensgefährten, den "Hauptzollamtsoffizial" Johann Riedinger, eingesetzt. Dieser übergab − "um den Willen der Erblasserinn zu ehren" − trotz der überwiegenden Passiva die testamentarischen Legate. Darunter war auch ein ihrer Schülerin Fanny Diwald vermachtes Instrument, ein Fortepiano des geschätzten Klavierbauers Joseph Brodmann.

Wohnorte

1894 wurde in Döbling die Paradisgasse nach der blinden Musikerin benannt.

Rezeption

Vielfach wurden die Heilungsversuche der Blindheit der Pianistin rezipiert. Bereits Stefan Zweig beschäftigt sich in seiner Trilogie "Heilung durch den Geist" (1931) mit dem Thema. Ebenso behandeln Schriftsteller wie Per Olov Enquist in "Der fünfte Winter des Magnetiseurs" und Brian O'Doherty in "The strange case of Mademoiselle P." die erfolglosen Heilungsversuche Mesmers. 1994 erschien der Film "Mesmer" (Regie: Roger Spottiswoode), der eine Liebesgeschichte über den Arzt und die Pianistin erzählt. Der Roman "Am Anfang war das Licht" (2012) von Alissa Walser rückt ebenfalls Mesmers Therapieversuche an Maria Theresia Paradis in den Fokus. Er wurde 2017 von der Regisseurin Barbara Albert nach einem Drehbuch von Kathrin Resetarits verfilmt.

Rezipiert wurde auch die Biografie von Paradis, teilweise jedoch stark verändert. 1952 erschien die Novelle "Mozart und das Fräulein Paradis" von Otto Brües, die eine erotische Beziehung von Paradis und W. A. Mozart ins Zentrum stellt. Vom dänischen Komponisten Bo Holten erlangte ein Bühnenwerk über Paradis Aufmerksamkeit, das 1999 uraufgeführt wurde.


Quellen

Literatur

  • Michael Lorenz: Rezension von Marion Fürsts Buch "Maria Theresia Paradis". In: Mozart-Jahrbuch 2007/08. Kassel: Bärenreiter 2011, S. 189–193
  • Alissa Walser: Am Anfang war die Nacht Musik. Roman. München: Piper 2010
  • Marion Fürst: Maria Theresia Paradis. Mozarts berühmte Zeitgenossin. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 2005
  • Hermann Ullrich: Die Heimkehr. In: Sächsische Heimatblätter 1 (1966), S. 27–42 [Fortsetzung]
  • Hermann Ullrich: Maria Theresia Paradis' große Kunstreise (1783-1786). In: Sonderdruck aus Beiträge zur Musikwissenschaft 3/4 (1966), S. 248–258 [Fortsetzung]
  • Hermann Ullrich: Maria Theresia Paradis' große Kunstreise (1783-1786). In: Österreichische Musikzeitschrift 20 (1965), S. 589–597 [Fortsetzung]
  • Hermann Ullrich: Maria Theresia Paradis' große Kunstreise. In: Österreichische Musikzeitschrift 19 (1964), S. 430–435 [Fortsetzung]
  • Hermann Ullrich: Die Heimkehr. In: Sächsische Heimatblätter 5 (1964), S. 393–408 [Fortsetzung]
  • Hermann Ullrich: Die Heimkehr. Maria Theresia Paradis' große Kunstreise (1783-1786). In: Sonderdruck aus Beiträge zur Musikwissenschaft 2 (1964), S. 129–142 [Fortsetzung]
  • Hermann Ullrich: Maria Theresia Paradis' große Kunstreise. In: Österreichische Musikzeitschrift 18 (1963), S. 475–482 [Fortsetzung]
  • Hermann Ullrich: Maria Theresia Paradis. Werkverzeichnis. In: Beiträge zur Musikwissenschaft V (1963), S. 117–154
  • Walter Pillich: Die Konzertreisen der Maria Theresia Paradis im Lichte der diplomatischen Berichte. In: Wiener Geschichtsblätter 17 (1962), S. 41 ff.
  • Hermann Ullrich: Maria Theresia Paradis' Kunstreise. In: Österreichische Musikzeitschrift 17 (1962), S. 11–26 [Fortsetzung]
  • Hermann Ullrich: Das Stammbuch der Maria Theresia Paradis. In: Jahrbuch des Bonner Heimats- und Geschichtsvereins XV (1961), S. 340–384
  • Hermann Ullrich: Maria Theresia Paradis und Dr. Franz Anton Mesmer. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 17/18 (1961/62), S. 149 ff.
  • Hugo Riemann: Riemann Musiklexikon. In drei Bänden. Personenteil L−Z. Mainz: Schott 1961
  • Hermann Ullrich: Maria Theresia Paradis (1759–1824) als Musikpädagogin. In: Musikerziehung XIV (1960–1961), S. 9–15
  • Hermann Ullrich: Maria Theresia Paradis' Kunstreise. In: Österreichische Musikzeitschrift 15 (1960), S. 470–480
  • Österreichisches biographisches Lexikon 1815−1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / Wien / Graz: Böhlau 1954−lfd.
  • Hermann Ulrich: Maria Theresia Paradis und Mozart. In: Österreichische Musikzeitschrift 4 (1949), S. 316 ff.
  • Constantin von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich. Enthaltend die Lebensskizzen der denkwürdigen Personen, welche 1750 bis 1850 im Kaiserstaate und in seinen Kronländern gelebt haben. 60 Bände. Wien: Verlag der typografisch-literarisch-artistischen Anstalt 1856−1891. Register 1923
  • Allgemeine Deutsche Biographie. Hg. von der Historischen Commission bei der königlichen Akademie der Wissenschaften. 56 Bände. Leipzig: Duncker & Humblot 1875−1912
  • Franz Gräffer / Johann Jacob Heinrich Czikann: Oesterreichische National-Encyklopädie oder alphabetische Darlegung der wissenswürdigsten Eigenthümlickeiten des österreichischen Kaiserthumes in Rücksicht auf Natur, Leben und Institutionen, Industrie und Commerz. Wien: Beck in Komm. 1835−1837
  • Österreichisches Musiklexikon: Paradis, Maria Theresia
  • Musik und Gender im Internet: Maria Theresia (von) Paradis

Weblinks


Maria Theresia Paradis im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.